Gelegentlich müssen wir Ländern den Arm umdrehen, die nicht machen würden, was wir von ihnen brauchen, gäbe es nicht unsere vielfältigen ökonomischen oder diplomatischen, und in einigen Fällen, militärischen Hebel.Obama Barack, 9. Februar 2015, The Vox Conversations
(zas, 17.2.15) Wie schon kurz berichtet, gab der venezolanische
Präsident Nicolás Maduro letzten Donnerstag, den 12. Februar 2015, die
Verhaftung von sieben Offizieren der Luftwaffe bekannt. Der 12. Februar ist ein
Feiertag, den die Chavistas und die Rechten
getrennt feiern. Er markierte letztes Jahr den Beginn der guarimbas, des Versuchs, die Regierung durch zunehmend
gewalttätigere Strassenproteste aus dem Amt zu jagen. Für den diesjährigen 12.
Februar hatte die Rechte erneut zu „Studentendemonstrationen“ aufgerufen, in
deren anscheinend nicht gerade massenhaften Verlauf es vereinzelt, in einem
Reichenviertel von Caracas und im Staat Táchira, wie vorausgesehen, zu
militanten Angriffen auf die Guardia und verschiedene Objekte gekommen war. An
diesem Tag also sollte ein Staatsstreich erfolgen, in dessen Verlauf viele
Ziele in Caracas aus der Luft bombardiert werden sollten, darunter zahlreiche
Ministerien, das Parlament, der Fernsehsender Telesur, der Wahlrat und die
Generalstaatsanwaltschaft. Das hochrangige Regierungsmitglied Elías Jaua kommentierte:
„Das Leben hunderter Männer und Frauen,
die beschossen werden sollten, war in Gefahr“. Am Fernsehen sagte
der Chef der sozialistischen Regierungspartei Jorge Rodríguez: „Mehrere der Angeschuldigten, darunter ein
verhafteter General – der seine Beteiligung an den Plänen zugegeben hat – und
ein Oberstleutnant i. R. geben Sie, Julio Borges, als Teilnehmer an den Treffen
an, in denen die taktischen Bombardierungsziele in diesem Putschversuch“
festgelegt wurden.“ Borges ist der Chef der Partei Primero Justicia. Auslöser des Putsches sollte nach amtlicher
Darstellung die Veröffentlichung eines Aufrufs zum Sturz der Regierung sein. Tatsächlich
wurde am 11. Februar ein Aufruf zum Sturz der Regierung veröffentlicht,
gezeichnet von den drei RechtspolitikerInnen Leopoldo López, María Corina
Machado und Antonio Ledezma, dem Bürgermeister von Grosscaracas. In diesem
„Aufruf für eine nationale Übergangsvereinbarung“ schreiben die drei, allesamt
aktiv beteiligt am 3-Tagesputsch von 2002, von einem „totalitär“ gewordenen Staat, von einer „schwer beschädigten Basis für den Frieden“, vom „unausweichlichen Zusammenbruch der
Regierung“ und von den von einer Übergangsregierung zu ergreifenden
Massnahmen: „Venezuela erneut in die
internationalen Finanzflüsse“ integrieren, die „Autonomie“ der Zentralbank wiederherstellen, Entschädigungen für „willkürliche Enteignungen“,
Neuausrichtung der staatlichen Ölpolitik, „Freilassung
der politischen Gefangenen“ u. ä.
Auf die Spur der Putschvorbereitungen, so die Behörden,
stiessen sie aufgrund von Hinweisen loyaler Militärs und geheimdienstlicher
Untersuchungen. Interessanterweise befinden sich etwa der
Putschaufrufunterschreiber Leopoldo López oder der Luftwaffengeneral Oswaldo
Hernández Sánchez, der jetzt belastende Aussagen gegen führende rechte
PolitkerInnen machte, eh schon in Haft; der erste wegen seiner zentralen Rolle
beim Versuch letzten Jahres, die Regierung zu stürzen, der andere wegen eines
ebenfalls in jener Zeit geplanten Militärcoups. Nach den vorliegenden, etwas
widersprüchlichen Angaben war der Einsatz eines oder mehrerer Militärflugzeuge
geplant, darunter auf jeden Fall einer Súper Tucano, die, mit venezolanischen
Hoheitszeichen versehen, aus dem Ausland einfliegen sollte. Die Tucanos der
Luftwaffe selbst sind wegen eines Produktionsfehlers alle nicht operativ.
Präsident Maduro erklärte, wegen dieser Súper Tucano die holländische Regierung
(Kolonialmacht der Venezuela vorgelagerten Inseln Aruba und Curaçao) und –
vergeblich- den kolumbianischen Präsidenten Santos kontaktiert zu haben, der
gerade im Flugzeug sass. Spekulationen zufolge soll sich
die fragliche Tucano im Besitz des berüchtigten US-Söldnerunternehmens
Blackwater (heute Academi) befinden, die damit Einsätze in Kolumbien fliege. Es
handle sich demnach um die einzige nicht an eine Regierung ausgelieferte Súper
Tucano des brasilianischen Waffenmultis Embraer.
Diese Tucano sollte vom Fluginstrukteur und Oberstleutnant José
Antich Zapata geflogen werden, von dem Parlamentschef Diosdado Cabello sagte,
er sei „das Verbindungsglied mit der
US-Botschaft“ gewesen (id.), von der er auch US-Visa für die beteiligten
Putschisten im Falle eines Misserfolgs bekommen habe.
Meinungsäusserung bei den "demokratischen Protesten" letztes Jahr. Quelle: Telesur. |
Kein Echo, dafür ein Skript
Und das transnationale Echo auf diese Enthüllungen? Echo …,
warum? Da und dort, von El País über die New York Times zu den helvetischen
Brillanzprodukten, eine kleine Agenturmeldung über „Anwürfe“ der
venezolanischen Regierung. Möglichst noch eingeleitet mit einer eklatanten Lüge
wie in der AP-Meldung
vom 13. Februar, die so beginnt: „Die
venezolanische Armee und OppositionspolitikerInnen haben die jüngste
Bekanntmachung der Regierung [zum Putschversuch] abgetan…“. Die
Armeeführung hat natürlich den Putschversuch bestätigt und scharf verurteilt, im
Gegensatz zu den Rechten, die ihn zwar ins Reich der Phantasie verbannen, aber
sich nie von ihm distanzieren. Die Stossrichtung ist klar: Die Regierung Maduro
ist eine nicht ernst zu nehmende Quasselbande. Deshalb dominiert jetzt Schweigen
in den gleichen Medien, die sich sonst nicht genug über die „entsetzliche“ Lage
in Venezuela auslassen können.
Sie folgen damit dem dominanten Skript, präsentiert von State
Department-Sprecherin Jen Psaki am 13.
Februar 2015: „Diese jüngsten
Anschuldigungen [der venezolanischen Regierung] sind, wie alle früheren solche Anschuldigungen, lachhaft.
Auf der Basis einer seit langem bestehenden Politik unterstützen die USA keine
politischen Transitionen mit nicht-verfassungsmässigen Mitteln.“ Damit sorgte sie selbst im zugelassenen
Medienkreis für die verwunderte (und nicht beantwortete) Frage, was denn „lange
bestehend“ heisse. Psaki meinte weiter, mit solchen Manövern wolle die
Regierung in Caracas von der „gravierenden
Situation“ im Land ablenken. Ins gleiche Horn stösst natürlich auch die
venezolanische Rechte. Damit ist die Tonlage kommender hiesiger Mainstreamkommentare
erschöpfend charakterisiert.
Die Schaffung internationaler
Putschbedingungen
Immerhin gäbe es mehr als reichlich Anlass, in Sachen
imperialer Putschorchestrierung nachzuhaken. Da wären schon einmal die aktuellen
Informationen aus Caracas. Was etwa wollte Nancy Birbeck, für die Royal
Canadian Mounted Police in der kanadischen Botschaft in Caracas, in Erfahrung
bringen, als sie sich am Montag, dem 9. Februar 2015, auf dem Flughafen
Michelena nach dessen Kapazitäten in „Notfällen“ erkundigte? Was für „besonderen Situationen“ galt ihre
Recherche, fragte
sich Parlamentspräsident Cabello. Zum Fall des mit der Besorgung von US-Visa
beauftragten venezolanischen Leutnants meinte Cabello: „Dies ist keine Sache von Leutnants, es gibt eine Koordination mit der
US-Botschaft, wir kennen den Namen“ der dort mit der Visabeschaffung
betrauten Person (id.). Warum riet
der Geschäftsträger der deutschen Botschaft den in Venezuela lebenden Deutschen
am 3. Februar 2015, sich angesichts eines in den kommenden zwei Wochen
möglichen Staatsstreichs mit Grundbedarfartikeln, Medikamenten etc.
einzudecken? Warum reichte sie ihre Kenntnisse nicht an die venezolanischen
Behörden weiter? Warum diskutierte
die EU-„Diplomatie“ offenbar die Entsendung von europäischen Friedenstruppen
nach Venezuela?
In „Regime
change humanitär“ in der aktuellen Correosnummer wird die
Entwicklung in der zweiten Hälfte des letzten Jahres nachgezeichnet, die sich
immer schneller drehende Spirale von Verschärfungen der US-Sanktionen gegen
venezolanische „MenschenrechtsverletzerInnen“, die Instrumentalisierung von
Menschenrechtsapparaten gegen den Chavismus, rechte Aktivierungen in der EU
etc. Gepaart mit der sich steigernden Medienhetze über die völlig verlogen
dargestellten Versorgungsprobleme in Venezuela deutete all dies auf die
Forcierung eines regime change hin.
Anfang Februar 2015 drehten die USA erneut an der Sanktionenschraube. Am 3.
Februar 2015 meinte
Vincent R. Stewart, Direktor der Defense
Intelligence Agency der US-Streitkräfte, im Rahmen einer „Globalen
Bedrohungseinschätzung“ vor dem Kongress: „Wir
prognostizieren, dass studentische Organisationen und die politische Opposition
weitere Proteste … veranstalten werden“. Schwer dürfte diese Voraussage dem
US-Militär nicht gefallen sein. Wikileaks publizierte ein Kabel der
US-Botschaft in Caracas vom 27. August 2009, in dem der für die Unterwanderung
in Venezuela zuständige US-Funktionär bezüglich gerade aktueller
Strassentumulte sagt: "Die Strassen
sind heiss" und "alle diese
[die Tumulte organisierenden] Leute sind unsere Stipendiaten". Allein
für 2015 haben das State Department und die National Endowment for Democracy öffentlich
$ 6.2 Mio. für solche „Stipendien“ bereit gestellt,
wie Eva Golinger berichtet.
Ebenfalls Anfang Februar veröffentlichte das Weisse Haus seine National Security Strategy 2015, in dem
Venezuela als Bedrohung der nationalen US-Sicherheit bezeichnet wird. Am Caribbean Energy Security Summit in Washington Ende Januar 2015 schlug
US-Vizepräsident Joe Biden den Karibikstaaten eine auf US-Privatinvestitionen
und Weltbankmanagement beruhende „Energiesicherheit“ vor. Im nichtöffentlichen Teil
der Veranstaltung rief Biden die karibischen Staatschefs auf, die Gunst der Stunde
– billige Ölpreise – zu nutzen und aus Petrocaribe auszutreten. Die Tage der
chavistischen Regierung seien eh gezählt. Maduro protestierte, worauf Jen Psaki
vom State Department am 2. Februar meinte,
Maduros Anschuldigungen seien „ohne Basis
und falsch“ und dienten einzig der Ablenkung von den „berechtigten Anliegen der Bevölkerung“.
Dies sind Elemente, die die AussenministerInnen der
südamerikanischen Staatengruppe Unasur schon vor Bekanntwerden der
Putschplanung veranlasst hat, die Destabilisierung der venezolanischen Regierung
erneut zu kritisieren.
Dass sich alles Richtung Putsch verdichtete, pfiffen die Spatzen von den
Dächern. Dass allerdings der deutsche Geschäftsträger so nett sein würde, das
Datum im Voraus auszuplaudern und damit – im Falle eines Misserfolgs - Berlin
in Verlegenheit zu bringen, erstaunt etwas. Die Aussage von Maduro, die grosse
Mehrheit der rechten OppositionsführerInnen seien über die Putschvorbereitungen
auf dem Laufenden gewesen, erstaunt
dagegen nicht.
Die offene Frage ist, ob mit der Verhaftung dieser Gruppe
von Luftwaffenoffizieren (und der Flucht weiterer Beteiligter) die militärische
Komponente der Destabilisierungsstrategie genügend geschwächt worden ist oder
nicht. Anlass zur Genugtuung bildet sie auf jeden Fall.