(zas, 1.2.15) Komisch, an diese Schlagzeilen, an diese tief
betroffenen Bericht in Radio und Fernsehen kann ich mich nicht mehr erinnern: Am
10. Dezember 2014 veröffentlichte die von Dilma Rousseff eingesetzte brasilianische
Wahrheitskommission einen 1000-Seiten-Bericht
über 434 Menschen, die von der brasilianischen Militärdiktatur verschwunden
wurden. Sagte die Kommission: „Dies sind nur die Fälle, die zu verifizieren
möglich war … trotz Behinderung der Untersuchung, insbesondere des Fehlen des
Zugangs zu den Unterlagen der Streitkräfte, die offiziell als vernichtet
ausgegeben werden“, wie vor ein paar Tagen Nicolas Krotz auf corpwatch.org zitierte.
Der damalige VW-Arbeiter Lucio Bellentani sagte der Kommission:
„Ich arbeitete, als zwei Leute mit
Maschinengewehren zu mir kamen. Sie hielten meine Arme hinter meinem Rücken und
legten mir sofort Handschellen an. Sobald wir im Sicherheitszentrum von Volkwagen
ankamen, begann die Folter“.
80 brasilianische und internationale Unternehmen kooperierten
aktiv mit der Junta, lieferten Angaben zu ihren ArbeiterInnen und finanzierten
paramilitärische Todesschwadronen wie die Operação Bandeira, so die Kommission.
Diese beschloss im Februar letzten Jahres, VW genauer zu
recherchieren. Denn 1983 war es zur Gründung einer besonderen Sicherheitsagentur,
dem Centro Comunitário de Segurança
(CECOSE) gekommen, in dem Militär, Polizei und 25 Grossunternehmen zusammenarbeiteten.
Die Wahrheitskommission schreibt dazu: „Der
Vertreter von VW spielte eine zentrale Rolle bei den Treffen, initiierte
Gespräche zu den wichtigsten Themen und verfasste Kommentare in Form von ‚reminders‘
für das CECOSE“. Sebastiao Neto von der Wahrheitskommission kommentierte
für Reuters: Die „Dokumente zeigen mit ausserordentlicher
Klarheit, wie die Unternehmen von der Regierung Hilfe bei der Lösung ihrer
Probleme mit den Arbeitern erwartete. Niedrige Arbeiterlöhne wurden als Schlüssel
für das Wirtschaftswachstum in Brasilien betrachtet“ (id.).
Damals liess VW, erfahren wir im Corpwatch-Artikel, auch den
späteren Staatspräsidenten Inacio Lula da Silva überwachen lassen, der zwar
nicht bei VW arbeitete, aber die VW-Belegschaft darüber aufklärte, dass sie vom
Unternehmen ausspioniert wurden.
Übrigens: Nach massiven Protesten, einem Streik seit Neujahr und einer 10‘000-er Demo mit Belegschaften
von Ford und Mercedes Benz musste VW die doch erst Ende 2014 entlassenen 800
ArbeiterInnen ihre Anchieta-Werks in São Bernardo do Campo wieder anstellen.
Das war früher mit nicht-populistischen
Regierungen einfach besser. Demo gegen die VW-Entlassungen. Quelle: Folha da São Paulo, 12.1.15 |