(zas, 10.10.15) Der fürchterliche Anschlag heute in Ankara
hat System. Wieder trifft es kurdische Militante, linke türkische
AktivistInnen, die Bewegungen gegen das Massaker. Heute sagte
die kurdische KCK (Leitungsorgan der kurdischen Bewegung): „Aussagen, dass diese Massaker vom IS oder anderen Organisationen
ausgeführt werden, würden die Geisteshaltung der [türkischen Regierungspartei]
AKP ignorieren, ihre Politik und Praxis, und würden die Wahrheit verzerren. Die
Tatsache, dass diese Massaker sich gegen die gleichen gesellschaftlichen Kräfte
richten, die auch die AKP ins Visier nimmt, zeigt, wer dahinter steht.“ Die KCK betont auch den Zusammenhang, dass
dieser Anschlag am Tag erfolgt, an dem sie eine Art einseitigen
Waffenstillstand angekündigt hat, um so normale Wahlen zu ermöglichen. KCK sagt
weiter: „Die AKP hat zu diesem Massaker
Zuflucht genommen, da sie annimmt, dass sie die Wahlen, falls sie unter normalen
Bedingungen stattfinden, verlieren wird. Die Beziehungen zwischen diesen
Massakern und den Wahlen verweisen auch auf die Täter, zweifellos niemand
anders als Erdogan und seine Konterguerilla, das Gladio-Team des Palasts.“
Der Hinweis auf Gladio (NATO-weite „Schattenarmee“) erfolgt
nicht zufällig. Denn die kurdische Bewegung weiss, dass der vom Erdogan-Regime vom
Zaun gerissene neue Krieg in der Türkei nur mit Einverständnis der NATO möglich
ist. Daran ändern die US-/EU-Avancen an die YPG/YPJ-Guerilla in Rojava nichts. Wie
eng die reale Beziehung ist, zeigen Angela Merkel, die „Kanzlerin der Herzen“,
wie die „FAZ“ sich nicht zu blöd ist zu titeln,
und die EU-Kommission. Die Türkei soll als „sicheres Herkunftsland“ eingestuft
werden, um Flüchtlinge dorthin zurück zu zwingen. Sagte wer Menschenrechte?
Aber sicher, sind wir dafür, beteuert
eine dieser Standardfiguren, die im Medienmainstream herumschwimmen. Denn so
würden die Flüchtlinge in der Türkei dank deutschem und EU-Wirken ein besseres
Leben erhalten. Das lässt sich die EU,
wie einem Spiegel-Bericht
über ein Treffen von Juncker (EU-Kommissionschef) und Erdogan zu entnehmen ist,
eine zusätzliche Milliarde Euros für das AKP-Regime kosten.
An diesem Treffen hatte auch EU-Parlamentspräsident Martin
Schulz (SPD) teilgenommen. Der Mann war kürzlich in der Schweiz, bei Simonetta
Sommaruga, deren Asyl-„Reform“ (beschleunigte Deportation eines Grossteils der
AslyantragstellerInnen) er über den grünen Klee lobte. Diese Politik
propagieren nun Merkel und Brüssel.
Das „sichere Herkunftsland“, in dem die Armee die BewohnerInnen
von Quartieren unter Belagerungszustand umbringt und in dem Polizisten die an
ihren Wagen angeseilte Leiche eines erschossenen Kurden triumphierend durch die
Strasse schleifen, ist nach diesem Massaker vorübergehend etwas schwer zu
verkaufen.
Die Leiche von Haci Birlik (links) am Polizeiwagen. Quelle: http://anfenglish.com |
Vielleicht hilft das heute Vormittag vo Premier Davutoğlu verhängte Verbot
von Liveberichterstattung im TV über das Massaker in dieser Sache. Besser das
erstickende Schweigen der offiziellen Staatstrauer als eine Berichterstattung
zu dem, was der Ko-Vorsitzende der linken HDP-Partei Demirtaş heute gesagt
hat, als er die Leute aufforderte, zum Platz des Massakers zu gehen „Dort
liegen die Leichname der Opfer noch am Boden, es wird versucht, die Verletzten
in Krankenhäuser zu transportieren. Und mitten in dieser Atmosphäre beschießt
die Polizei die Menschenmenge mit Gasgranaten, die Krankenwagen werden nicht
zum Tatort vorgelassen. Mitten in Ankara findet ein Massaker statt, aber zum
Ort des Geschehens werden keine Krankenwagen vorgelassen, sondern
Polizeikräfte. Anscheinend soll dort bewusst die Zahl der Todesopfer in die
Höhe getrieben werden.“
Es kommt zusammen, was zusammen gehört. Der NATO-Krieg gegen
die kurdische Bewegung in der Türkei; der Massenmord im Mittelmeer; der
europäische „Humanismus“ à la Sommaruga, Merkel, Schulz; die Massaker des „tiefen
Staats“.
SOLIDARITÄT TUT NOT!