Das Center für Human Rights
der University of Washington verzeichnete einen Einbruch besonderer Güte. Er steht
mutmasslich im Zusammenhang mit einer Freedom
of Information-Klage vom letzten 2. Oktober gegen die CIA. Diese soll so
gezwungen werden, zurückbehaltenes Material über Sigifredo Ochoa Pérez
herauszurücken. Ochoa Pérez ist ein für seine Massakerstrategie im Krieg der
80er Jahre berüchtigter Oberst a. D. der salvadorianischen Armee; er war bis
letzten April ein rechter Parlamentsabgeordneter. Gegen ihn sind auch in El
Salvador Verfahren hängig, die allerdings nicht vom Fleck kommen.
Das Center teilt mit (UW
Center for Human Rights reports theft of data, equipment):
„Irgendwann zwischen dem 15. und dem 18. Oktober brachen Unbekannte in das Büro von Dr. Angelina Godoy, Direktorin des University of Washington Center for Human Rights ein. Ihr Computer und ein Harddrive mit ca. 90 % unserer Forschungsdaten zu El Salvador wurden gestohlen. Wir haben zwar Backups, aber was uns am meisten besorgt, ist nicht, was wir verloren haben, aber was jemand anders eventuell gewonnen hat: Die Files enthalten vertrauliche Details von persönlichen Aussagen und laufenden Untersuchungen“ (Hervorhebung im Original).
Modalitäten des Einbruchs nähren den Verdacht, so das Menschenrechtszentrum, es habe sich
nicht um einen gewöhnlichen Einbruch gehandelt:
„Erstens gab es kein Anzeichen für einen gewaltsamen Zugang. Das Büro wurde durchsucht, aber die in ihm befindlichen Gegenstände wurden sorgfältig behandelt, und die Türe wurde beim Verlassen abgeschlossen – Merkmale, die nicht ins Muster eines gewöhnlichen Campus-Diebstahls passen. Nur das Büro von Prof. Godoy war betroffen, obwohl mitten in einem Gang mit Büros gelegen, die alle voller Computer sind. Die Festplatte hat keinen realen Wiederverkaufswert, so dass es keinen anderen Grund zu geben scheint, sie mitzunehmen, als die Absicht, daraus Informationen zu erlangen. Schliesslich weckt das Datum dieses Vorfalls – im Gefolge der jüngsten Publizität zu unserer Freedom of Information-Klage … - einen Verdacht bzgl. der potenziellen Motive.“
Das Center fährt weiter:
„Wir haben KollegInnen in El Salvador kontaktiert, von denen viele Parallelen zwischen diesem Vorfall und Angriffen auf salvadorianische Menschenrechtsorganisationen in den letzten Jahren betont haben. Wir können die Möglichkeit eines normalen Delikts nicht ausschliessen, aber wir sind sehr besorgt, dass diese Verletzung der Informationssicherheit die Verletzbarkeit salvadorianischer MenschenrechtsverteidigerInnen, mit denen wir zusammenarbeiten, erhöht“ (Hervorhebung im Original).
Ochoa-Docs. Quelle: Center for Human Rights, University of Washington |
Die Parallelen des Einbruchs in Washington mit Vorfällen in El
Salvador beziehen sich u. a. auf einen Überfall eines bewaffneten Kommandos am
14. November 2013 auf das Büro der Organisation Pro-Búsqueda in San Salvador
und auf eine Beschlagnahmungsaktion der Generalstaatsanwaltschaft in der
erzbischöflichen Menschenrechtsorganisation Tutela Legal am 18. Oktober 2013.
Tutela war eine vom später ermordeten Erzbischof Romero initiierte
Organisation, die sich seit ihrer Gründung um die Aufklärung von Massakern und
den Schutz von Überlebenden einen grossen Namen gemacht hat. Der jetzt für
seine Wiederwahl antretende Generalstaatsanwalt Luis Martínez von der rechten
ARENA-Partei hatte die Beschlagnahmung der historischen Archive und
Zeugenprotokolle angeblich zwecks Durchführung einer Strafuntersuchung wegen des berüchtigten
Massakers von El Mozote und wegen Opferschutz angeordnet. Etwa 1000 Menschen,
darunter viele Kinder, wurden vom 10. bis 12. Dezember 1981 vor allem von dem frisch
von der Ausbildung an der US-Kriegsschule School
of the Americas (SOA, auch School of the Assassins genannt) zurückgekehrten
Elitebataillon Atlacatl umgebracht. Der konservative Erzbischof Escobar Alas unterstützte
die Aktion der Generalstaatsanwaltschaft, kündigte dem bisherigen Personal und
stellte die bis anhin relativ autonom operierende Tutela unter seine direkte
Kontrolle. Von Tutela ist seither kein Mucks mehr zu hören. Überlebende der
Massaker kritisierten die Generalstaatsanwaltschaft und die Kirchenführung scharf.
Die Verfassungskammer des Obersten Gerichts deckte Alas gegen eine Klage der geschassten
Tutela-MitarbeiterInnen. „Natürlich“ kommt Generalstaatsanwalt Martínez auch
bei seiner Mozote-Untersuchung nicht vom Fleck.
Pro-Búsqueda war eine nach dem Kriegsende 1992 vom Jesuienpriester
t Jon Cortina gegründete Organisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat,
während des Kriegs von der Armee entführte Kinder von Verschwundenen und
Massakrierten bei Adoptionsfamilien vorallem im Ausland wiederzufinden und eine
Familienzusammenführung, falls gewünscht, zu ermöglichen. Von über 1000 Fällen
hat Pro-Búsqueda bisher ungefähr 400 aufgeklärt und 250 Zusammenführungen organisieren
können. Beim über 40 Minuten dauernden Angriff wurden nach Aussagen der drei
während des Überfalls Arbeitenden gezielt die Unterlagen für mehrere vor
nationalen und internationalen Gerichten laufende Verfahren gegen
Armeeangehörige zerstört und schliesslich das Lokal mit den drei Gefesselten in
Brand gesteckt. Die drei konnten sich retten. Pro-Búsqueda führte auch gegen
Ochoa Pérez, auch er ein Absolvent der School of the Assassins, eine
Untersuchung.
Die Tochter wieder in El Salvador. Quelle: Pro-Búsqueda |