TPP: Die pazifische Offensive der USA

Freitag, 9. Oktober 2015



 „Für meinen Approach zum Handel galt ein einheitliches Prinzip: Das Terrain so für amerikanische Arbeiter und Unternehmen organisieren, dass mehr Waren mit der Aufschrift ‚Made in US‘ in die ganze Welt exportiert werden können, die höher bezahlte amerikanische Jobs zuhause unterstützen. […] Wenn mehr als 95 % unserer potenziellen Kunden  ausserhalb unserer Grenzen leben, können wir nicht zulassen, dass Länder wie China die Regeln der globalen Wirtschaft schreiben. Wir müssen diese Regeln schreiben […].“


(zas, 8.10.15) So kommentierte Barack Obama am letzten Montag den Abschluss der Verhandlungen über das Trans-Pacific Partnership Agreement (TPP).  
Am TPP sind schwergewichtig die USA und Japan beteiligt, zusammen mit zehn weiteren Ländern mit Pazifikküsten (Kanada, Australien, Malaysia, Singapur, Brunei, Neuseeland, Vietnam und in Lateinamerika Chile, Peru und Mexiko). Seit 2010 wurde verhandelt, bis heute weiss man ausserhalb der Verhandlungsequipen nicht, was genau aufgegleist worden ist. Wikileaks schrieb am 13. November 2013:

„Der Zugang zu den Entwürfen für die TPP-Kapitel ist der breiten Öffentlichkeit verwehrt. Mitglieder des US-Kongresses können nur ausgewählte Teile von Abkommen-bezogenen Dokumenten unter höchst restriktiven Bedingungen und strikter Überwachung einsehen. Früher wurde bekannt, dass in jeder TPP-Nation nur drei Individuen Zugang zum ganzen Abkommenstext haben, während 600 ‚HandelsberaterInnen‘ – LobbyistInnen für grosse US-Unternehmen wie Chevron, Halliburton, Monsanto und Walmart – privilegierten Zugang zu entscheidenden Sektionen des Abkommenstextes haben.“

Dank Wikileaks weiss man einiges über das, was droht. Besonderes Gewicht kommt dem Kapitel über „intellektuelles Eigentum“ zu, wie Wikileaks schrieb:

„Das 95 Seiten und 30‘000 Wörter lange IP [Intellectual Property]-Kapitel breitet die Bestimmungen für die Einführung eines weit reichenden, transnationalen rechtlichen Regimes und seine Durchsetzung aus, das existierende Gesetze in TPP-Mitgliedsstaaten verändert oder ersetzt. Die Kapitelsektionen umfassen Abkommen über Patente (wer Güter oder Medikamente produzieren darf), Copyright (wer Informationen übermitteln darf), Handelsmarken (wer Informationen oder Waren als authentisch beschreiben darf) und industriellem Design. In der längsten Sektion des Kapitels – „Durchsetzung“ – werden die neuen Massnahmen detailliert, die weit reichende Auswirkungen auf individuelle Rechte, Freiheitsrechte, PublizistInnen, Internet-Provider und Internet-Privatsphäre sowie die kreativen, intellektuellen, biologischen und Umwelt-Commons haben. Vorgeschlagene Sondermassnahmen beinhalten supranationale Gerichte, denen sich, so wird erwartet, die souveränen nationalen Gerichte zu beugen haben, die aber keine Menschenrechtssicherungen aufweisen. Das IP-Kapitel des TPP hält fest, dass diese Gerichte geheime Beweismittel verwenden dürfen.“ (id.)
TPP-"Community"


Nach den üblichen Angaben decken die TPP-Länder 40 %  des Weltsozialprodukts ab.  Kommt der ebenfalls geheime EU-USA-Freihandelsvertrag TTIP zu einem Abschluss, werden es 60 % sein. TISA (Trade in Services Agreement) wird, falls die „Verhandlungen“ erfolgreich abgeschlossen werden, der globale Overkill sein. 

Gewissermassen bemerkenswert ist etwa, dass die mexikanische Regierung an TPP beteiligt ist. Mexiko gehört zu den Länden, die am meisten zu verlieren haben, ganz banal, weil es bei Einfuhren aus mehreren TPP-Ländern, mit denen es bisher keinen Freihandelsvertrag abgeschlossen hat, einen international vergleichsweise hohen Zoll von fast 8 % erhoben hat. Das ist nun Geschichte. Die gestern in der NZZ erwähnte TPP-Verschlechterung für die mexikanische Autoindustrie reiht sich ein in die Politik der partiellen Deindustrialisierung. Dafür erhält  das in Mexiko operierende Agrobusiness – die KleinbäuerInnen sind mit dem US-Mexiko-Kanada-Freihandelsvertrag NAFTA von 1994 enorm geschwächt worden – im Laufe der nächsten 15 Jahre billigeren US-Zugang für Agrarprodukte. Wie „El Economista“ berichtet, gestützt auf einen Bericht des US-Congressional Research Service, stipuliert TPP, anders als NAFTA, auch formell die ausländische Einmischung in den Erdölsektor.
Katastrophal wirk sich TPP z. B. bei den Arzneimitteln aus. Letzten Mai veröffentlichte „Politico“ einen Bericht über die Lobby der US-Pharmamultis, um gegen die Opposition aller TPP-Regierungen ausser jener der USA eine extrem lange Patentgeschützte Periode von 12 Jahren für die Preisbildung der sogenannten biologics durchzusetzen. Biologics sind eine neue Kategorie von in der Regel mit Gentechnologie aus natürlichen Elementen gewonnenen Medikamenten gegen Krebs und andere schwere Krankheiten.  Ihr Umsatz soll bis 2020 $ 290 Mrd. erreichen. Organisationen wie Médecins sans Frontières, Oxfam oder die AIDS-Forschungsstiftung amFar  hatten in einer Kampagne in den USA darauf insistiert, dass mit dieser Regelung die Preise für solche Medikamente in armen Ländern unerschwinglich werden. Selbst die Obama-Administration hatte versucht, ihren biologics-Deal mit den Pharmamultis für das staatliche US-Gesundheitssystem, der 12 Jahre Preisparadies fürs Grosskapital beinhaltet, auf 7 Jahre zu redimensionieren und so $ 4.5 Mrd. zu sparen. Welche Zeitspanne TPP jetzt definitiv beinhaltet, scheint noch nicht bekannt geworden zu sein. Ein ebenfalls bedeutender Punkt ist, dass mit TPP privaten Internetprovidern eine neue Zensur-Machtfülle erhalten.
Dafür hat sich die Mehrheit der chilenischen Abgeordnetenkammer letzten Mai geweigert, von der „fortschrittlichen“ Regierung Bachelet Auskünfte über die geheimen TPP-Verhandlungen zu fordern. Es gibt in Lateinamerika Regierungen, die die sich dem US-Projekt einer kontinentalen Freihandelszone (ALCA) verweigert haben. Und es gibt welche, die zu wählen einfach absurd ist.