(zas, 24.11.15) Ein Editorial in La
Nación, Flaggschiff der mit dem Clarín-Imperium zusammen führenden rechten
Mediengruppe, macht klar, wohin die Reise in Argentinien geht.
Gestern, einen Tag nach dem Wahlsieg des rechten
Hardliners Mauricio Macri, liess La Nación-Besitzer Saquier keinen Zweifel über die neue Fahrtrichtung im
Land. Unter dem Titel „Keine weitere Rache“ (No más venganza) machte er sich für
ein Ende dessen stark, was er als „Rache“
an den Militärputschisten bezeichnete. Insgesamt sitzen in Argentinien über 500
Militärs wegen Verbrechen gegen die Menschheit im Knast (Folter, Verschwindenlassen,
Massenmord u. ä.). Saquier wärmt die seit dem Ende der Militärdiktatur (1976-1983)
in der Rechten zirkulierende These der „zwei Dämonen“ auf, wonach Guerilla und Repression
gleicherweise schuldig am fürchterlichen Gemetzel gewesen seien (offiziell liess
die Armee rund 30‘000 Oppositionelle verschwinden).
Saquier beruft sich auf eine wenige Tage vorher von ihm
publizierte Kolumne der Senatorin Norma Morandini, die in der Macri-Regierung
mutmasslich das Ressort Menschenrechte übernehmen wird, der zufolge, so das
Editorial,
„die Sache der Menschenrechte nicht mit Lügen verteidigt werden kann. Ein Tag, nachdem die BürgerInnen eine neue Regierung gewählt haben, müssen die Rachegelüste für immer beerdigt werden. Die tragischen Ereignissen der 70er Jahre gerieten in das Sieb der Linken, die ideologisch auf die terroristischen Gruppen verpflichtet ist, die hier mit Waffen, Bomben und einer Zellenorganisation mordeten, die sich in nichts von jenen unterscheiden, die den Freitag, den 13., in Paris provozierten. Diese geschwätzige, tatsächlich damals wie heute faschistisch konfigurierte Linke, bemächtigte sich von Beginn der Regierung der Kirchners des offiziellen Propagandaapparats.“
Damals habe man gewusst, dass
„der Staatsterrorismus auf die gesellschaftliche Panik folgte, die von den indiskriminierten Massakern ausgelöst wurde, begangen von für den schmutzigen Krieg ausgebildeten Gruppen, die der Kirchnerismus mit der absurden Qualifikation ‚wunderbare Jugend‘ ausgezeichnet hat.“
Ein Ende der Rache bedinge die Freilassung von über 300 alten
einsitzenden Militärs und ein Ende strafrechtlicher Untersuchungen gegen
besonders in die Diktaturverbrechen verwickelte Richter. Was immer Saquier
wollte, die Reaktionen waren heftig. Die Belegschaft von La Nación distanzierte
sich scharf vom Editorial ihres Bosses, selbst die von Saquier zitierte
Senatorin - zwei ihrer Brüder liessen die Militärs verschwinden - liess verlauten,
sie habe nicht eine Versöhnung mit den „Unterdrückern“, sondern in der
Bevölkerung im Auge. Die Señora sah sich zu einer weiteren Pirouette genötigt:
Sie halte nichts von der Theorie der „zwei Dämonen“, sondern sie mache die
damalige „politische Gewalt“ als den einen Dämon aus. (Was wäre der
Unterschied?)
Mutmasslich ist der Ton „falsch“, nicht aber die Botschaft.
Macri, ein reaktionärer Hardliner und Mann von Washington und dem
kolumbianischen Ex-Präsidenten Uribe, will sich ja als „moderner“ Rechter geben.
So wird seine Kampf gegen die lateinamerikanische Befreiung – besonders gegen
das chavistische Venezuela - und für das neue transnationale Diktat aus
Washington und Berlin, für die
trans/nationalen Eliten im Land und gegen die Unterklassen, einiges mehr an Marktwert
haben, wenn er nicht gleich als rechtsradikaler Dinosaurier mit der Tür hereinbricht
(marketing is everything).
Drei Dinge noch, die helfen, die Dynamik zu verstehen:
1.
Die Diktatur ermordete systematisch auch
Verwandte von Oppositionellen zwecks Herstellung eines Klimas von Terror,
Verdrängung und Unterwerfung. Einige ihrer Verbrecher gegen die Menscheit
wurden erst Jahrzehnte später, nach Überwinden ihrer legalistischen
Schutzbarrieren, gerichtlich belangt. Nicht eines ihrer Kinder wurde ermordet,
keine Mutter vergewaltigt, kein Vater vor den Augen der Fami,lie gefoltert,
kein Täter aus Flugzeugen in die Tiefe geworfen. Doch die … Eliten reden von
Rache.
2.
La Nación und Clarín kamen unter der Militärdiktatur
in den Besitz der landesweit relevanten Zeitungspapierfabrik Land und legten
damit den Grundstock für ihre heutige Monopolstellung. Der Besitzer der Fabrik
starb 1976 in einem Flugzeugunfall, seine Witwe wurde unter vielfach von hohen
Kadern der Privatwirtschaft und der Politik übermittelten Morddrohungen auch
gegen ihre kleine Tochter zum Verkauf für ein Linsengericht an die Besitzer der
die Diktatur bejubelnden Clarín und La Nación gezwungen (hier das Zeugnis der danach auch
schwer gefolterten Frau). Die Frau und ihr Gatte waren jüdisch.
2.
Letzten Dezember kündigte
der damalige Kandidat Macri an:
„Mit mir wird der Schwindel mit den Menschenrechten aufhören.“
Der schweizerisch-argentinische Journalist Sergio Ferrari schreibt:
Vier Tage vor der Wahl vom 22. November kam es an diversen symbolträchtigen Orten von Buenos Aires – wie dem heute in ein Zentrum der Erinnerung verwandelten Konzentrationslager der Escuela de la Mecánica des Heeres, der Mansión Seré (einem anderen Geheimgefängnis) oder der kämpferischen Phil I-Fakultät in der Stadt Rosario – zu Bombendrohungen und Graffiti mit der Inschrift: „Ab dem 22. November findet der Schwindel mit den Menschenrechten ein Ende“.