(zas, 12.11.15) Wer
masochistisch veranlagt ist, konnte sich gestern Abend bei einer einstündigen Sendung auf „CNN en
español“ vergnügen. Beim Zappen blieb ich an der Legende hängen, die ungefähr
so lautete: „USA verhaften Neffen der venezolanischen First Lady wegen
Drogenhandel“ . Ein Typ mit verschlagenem Blick wie aus dem schlechten
Ganovenfilm erklärt dem Interviewer die Sachlage. Ich denke schon halb
belustigt: „Sicher einer von der DEA“ (Drug Enforcement Agency, US-Drogenbehörde).
Richtig, es handelte sich um den als ehemaligen Chef der internationalen DEA-Operationen
vorgestellten Michael Vigil. Wie er aus internen US-Ermittlungsquellen wisse,
so „Mike“, seien zwei Neffen der Gattin des venezolanischen Präsidenten wegen
des Versuchs, 800 k Kokain in die USA zu schmuggeln, festgenommen worden.
„Mike“ wusste den Fall natürlich richtig zu situieren und schwelgte, stets mit fieser
Visage, in den „Weiterungen“ des Falls, insbesondere dem von US-Geheimdiensten
behaupteten „Carel de los Soles“, einem angeblich unglaublich grossem Narkokartell
von hohen venezolanischen Offizieren unter Leitung des chavistischen
Parlamentspräsidenten Diosdado Cabello (s. dazu zas.correos.blogspot.com,
25.5.15:
Venezuela - die Fernsteuerung). Eine ziemlich skeptisch stimmende „Einführung“
in die Sache, insbesondere angesichts der allgemeinen Aggression gegen
Venezuela.
Massive US-Militärdrohung
Die US-Medien und ihr
lateinamerikanisches Gefolge „berichten“ heute gross aufgemacht über den Fall. In Haiti seien die
beiden verhaftet und gleich an die USA ausgeliefert worden. Fotos der beiden
zirkulierten in social media und venezolanischen Rechtsmedien. Dummerweise die Fotos
von zwei anderen Männern, die früher mal anlässlich eines Sportanlasses mit der
Polizei von Philadelphia zu tun hatten. Bis jetzt scheint es auch keine offizielle
DEA-Bestätigung bzgl. der Verhaftungen zu geben. Macht nichts, die Message muss sitzen: Der Chavismus ist schlimm und gehört
abgeschafft. Die DEA-Story integriert sich in die transnationale Kampagne
bezüglich der Parlamentswahlen vom 6. Dezember. Die Umfragen einschlägiger, seit Jahr und Tag eklatant
falsch liegender Institute lassen einen überwältigenden Sieg der Rechten
erkennen – alles andere wäre Wahlbetrug.
Dies die in tausend Varianten wiederholte Lüge. Eine aufrechte
demokratische Opposition in Venezuela bereitet sich darauf vor, den Wahlbetrug
„energisch“ zu bekämpfen. With a little
help from their friends.
Kleine Verwechslung von Philadelphia, USA, mit Venezuela. |
Ende Oktober
versicherte John Kelly, Chef des Southcom, also des gegen
Lateinamerika gerichteten Südkommandos der US-Armee, er bete jeden Tag dafür,
dass Venezuela wegen seiner enormen wirtschaftlichen Probleme nicht kollabiere.
Im Falle einer dadurch bewirkten „humanitären Krise […] könnten wir reagieren und täten dies via
Organisationen wie die UNO, die OAS oder die FAO.“
Kelly, Maduro (Fotomontage). Maduro: Auch tausend Generäle Kelly versagen gegen Venezuela. |
Die Wirtschaftskrise
Keine Sorge: Der Betbruder des Pentagons fällt nicht aus dem im US-Kongress
oder unter den AnwärterInnen für die Präsidentschaft (bis zum „linken“ Bernie
Sanders) üblichen Sprachrahmen heraus. Nun macht Venezuela tatsächlich eine
Wirtschaftskrise durch, allerdings nicht primär wegen einer unbestreitbaren Korruption
auch in hohen chavistischen Chargen oder weil es der Regierung schlicht an
jenem minimalen wirtschaftlichen Sachverstand mangle, den jeder dahergelaufene
Mainstreamjournalist doch aufweist. Mindestens so schwer ins Gewicht fällt etwa
die Tatsache, dass es nicht so leicht ist, aus einer während langer Zeit auf
die Interessen des transnationalen Kapitals zugeschnittenen Wirtschaftsordnung
auszubrechen, oder das Detail des systematisch geschürten Wirtschaftskriegs
gegen den Chavismus. Für letzteren steht das letzten Oktober von
Parlamentspräsident Cabello veröffentlichte Telefongespräch
zwischen Lorenzo Mendoza und Ricardo Hausmann. Mendoza ist ein venezolanischer
Grosskapitalist und als Chef des Unternehmens Polar einer der Hauptbezüger
billigster staatlicher Dollars für angegebene Importzwecke. Hausmann war
Minister unter der venezolanischen
Rechtsregierung von Carlos Andrés Pérez, später Topkader in der Weltbank
und der Interamerikanischen Entwicklungsbank, glühender Verfechter der
Dollarisierung lateinamerikanischer Ökonomien und heute an der Kennedy School
of Governance der Harvard-Universität.
Hausmann informiert Mendoza in diesem
Gespräch, er stehe mit dem IWF-Vizechef
für die westliche Hemisphäre in Sachen Venezuela in Kontakt. Dieser „ist wegen
Venezuela sehr besorgt, denn er denkt, der Moment werde kommen, in dem sie sich
einschalten müssen, denn die Situation ist sehr schlecht. Ich habe mit ihm und
dem ganzen Fonds sehr gute Gespräche gehabt.“ Gespräche, die sich um eine
künftige „Nothilfe“ des IWF in der Höhe von $ 40 - $ 50 Millionen, plus weitere
$ 10 Millionen von der Weltbank drehen, zugunsten eines „Strukturanpassungsprogramms“.
Wenige Tage später dementierte ein anonymer IWF-Sprecher, dass der Fonds mit
Venezuela „Verhandlungen“ führe. Darüber hatten sich Hausmann und Mendoza auch
nicht unterhalten; es ging um eine konspirative Absprache gegen die
chqavisti8sche Regierung. Und weiter: Der in Washington einflussreiche Hausmann
vertritt seit geraumer Zeit die These, die venezolanische Regierung solle sich
zahlungsunfähig erklären und unter die Obhut des IWF stellen, der dann den
weiteren Dollarfluss an die Importbourgeoisie, die das Land jetzt schon
auszubluten versucht, garantiert. So sollen die wegen des tiefen Erdölpreises
knapper gewordenen Petrodollars für die Bourgeoisie ergänzt werden.
Aus allen Rohren
Im stinkreichen Luzern wird das öffentliche Bildungswesen aus „Spargründen“
zusammengestrichen. In Venezuela ist nicht eine Schule geschlossen, nicht eine
Klasse vergrössert, nicht eine/r Unterklassenjugendliche/r weniger an den Unis
aufgenommen worden. Letztes Jahr baute der venezolanische Staat bei einem
Ölpreis von $90 pro Fass weit über 100‘000 gute Sozialwohnungen, dieses Jahr
werden es um die 400‘000 sein, wie Maduro auf die Hetze von der „humanitären
Krise“ erwiderte.
So what?
Die Hetze gegen Venezuela als kollabierender failed state, als Zentrum des
internationalen Drogenhandels, als Hort der Missachtung der Menschenrechte, als
Diktatur wird zunehmen. Denn die kontinentweite imperialistische Offensive
gegen den Wandel, für die Restauration der übelsten Herrschaftsverhältnisse
muss auch und gerade in Venezuela Erfolge zeitigen. Deshalb wird die Rechte am
6. Dezember gewinnen oder es war Wahlbetrug! Dafür wird aus allen Rohren
geschossen und die Stimmung für extrem aggressive Destabilisierungsstrategie aufgeheizt,
falls am 6. 12. der Chavismus einmal mehr siegen sollte.