Medienmitteilung Solifonds: Skandalöses Urteil gegen Landlose von Curuguaty/Paraguay

Sonntag, 17. Juli 2016



In einem äusserst fragwürdigen Prozess wurden 11 Landlose in Paraguay – 8 Männer und 3
Frauen – zu langjährigen Haftstrafen zwischen 4 und 30 Jahren verurteilt. Ohne dass
stichhaltige Beweise gegen sie vorlagen, wurden sie für den Tod von sechs Polizisten
verantwortlich gemacht. Ausser diesen waren beim Massaker von Curuguaty im Jahr 2012
auch elf Kleinbauern erschossen worden. Über deren Ermordung gibt es bis heute keine
Untersuchung. Der SOLIFONDS, der die Organisation der Familienangehörigen von Curuguaty
in den letzten vier Jahren begleitet und unterstützt hat, kritisiert das Urteil und fordert dessen
unverzügliche Aufhebung.

Vor vier Jahren, am 15. Juni 2012, machten sich 324 Polizisten verschiedener Einheiten in
Kampfmontur und mit Helikopterunterstützung daran, den Weiler „Marina Kue“, ein von 50 landlosen
Männern, Frauen und Kindern besetztes Stück Staatsland zu räumen. Obwohl das besetzte Land
Staatseigentum ist, reklamierte der Grossgrundbesitzer und dem ehemaligen Militärdiktator
Streossner nahestehende Politiker Blas Riquelme das Land für sich und erreichte, dass die
Polizeikräfte für seine Interessen mobilisiert wurden. Gleich zu Beginn der Räumung kam es zu einer
Schiesserei, die 11 Landlosen und 6 Polizisten das Leben kostete. In der Folge gab es keine offizielle
Untersuchung, und obwohl Videoaufnahmen und die Resultate einer unabhängigen
Untersuchungskommission klare Beweise vorlegten, dass die Schüsse nicht von den Landlosen
kamen, wurde gegen 11 von ihnen Anklage wegen Ermordung der 6 Polizisten erhoben. Die
Erschiessung von 11 Landlosen – 7 von ihnen wurden hingerichtet, nachdem sie sich ergeben hatten
– wurde hingegen nie gerichtlich verfolgt.

Am 11. Juli nun hat ein Gericht in Asunción die elf Angeklagten für schuldig gesprochen und zu
Freiheitsstrafen zwischen 4 und 30 Jahren verurteilt. «In Verletzung seiner Pflichten hat das Gericht
die grundlegendsten Rechte der Angeklagten missachtet, indem es sie verurteilt hat, ohne dass eine
begründete Anklage vorlag. Die Angeklagten hätten bei einer so fragwürdigen Sachlage
freigesprochen werden müssen», hält die paraguayische Menschenrechtskoordination CODEHUPY
fest. Die ehemalige Sonderberichterstatterin der Interamerikanischen Menschenrechtskommission
Rosa María Ortiz stellt fest, dass die Justiz die Mächtigen schütze und die arme Bevölkerung nicht wie
Menschen, sondern wie Kakerlaken behandle.

Das Urteil zeigt einmal mehr die Instrumentalisierung der Justiz in Paraguay für politische Zwecke. Mit
dem Urteil soll offenbar ein Schlussstrich unter den kalten Putsch im Nachgang des Massakers von
Curuguaty gezogen werden. Nur wenige Tag nach dem Massaker im Juni 2012 setzte das Parlament
den gewählten Präsidenten Fernando Lugo im Eilverfahren ab, um der Agraroligarchie erneut die
Übernahme der Macht zu ermöglichen.

Das unhaltbare Urteil hat heftige Reaktionen ausgelöst. Familienangehörige haben den Gerichtssaal
besetzt und auf den Strassen kam es zu grossen Demonstrationen. Zahlreiche Organisationen
verlangen eine umgehende Revision und die Aufhebung des Urteils. Der SOLIFONDS schliesst sich
dieser Forderung an und solidarisiert sich mit den verurteilten landlosen Frauen und Männern und
ihren Angehörigen.

Zürich, 14. Juli 2016-07-14

Für weitere Auskünfte:
SOLIFONDS, Urs Sekinger, 044 272 60 37 / 078 852 92 25 / mail@solifonds.ch