(zas,
27.1.17) rebelion.org veröffentlichte heute ein Interview mit Renán
Vega Cantor. Darin geht der linke Historiker von der Universidad Pedagógica
Nacional in Bogotá auf einen zentralen Hintergrund der Welle an Politmorden
ein, die seit letztem anhält (s. Lasst uns nicht schweigen angesichts desGenozids!). Auszüge aus dem Interview:
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Ich glaube,
dass [die Mordwelle] nicht nur im Ausland Besorgnis erregt, sondern bei allen
Leuten, denn in Kolumbien erleben wir derzeit eine leider in unserem Land
bekannte und wiederholt eingesetzte Praxis. Die Anschläge auf Engagierte und
MenschenrechtsverteidigerInnen nehmen als Teil einer klar massenmörderischen
Strategie wieder zu, die bezweckt, die Legalisierung einer aufständischen
Gruppe obsolet zu machen. Es soll also der Übergang vom bewaffneten zum zivilen
politischen Kampf ohne soziale Basis, ohne Führungskader, ohne eine
Unterstützungsbasis erfolgen. Dies erreicht man, indem man Angst, Panik, wilde
Fluchtwellen erzeugt. Vergessen wir nicht, dass dies in Landesregionen
geschieht, wo die FARC historisch Einfluss gehabt haben; hier kommt es zu den
Anschlägen und Morden. Beispielsweise in Cauca, Antioquia, Catatumbo, Zonen mit
historischer aufständischer Präsenz. Hier haben wir diese Operation geplanter
Morde. Das darf man nicht losgelöst von den Ereignissen im Land, von der
Demobilisierung der FARC begreifen.
(….) In
einem Moment, in dem die Demobilisierung der FARC möglich wird, geht es darum, sofort
ihre mögliche soziale Unterstützungsbasis oder generell all jene Sektoren, die
einen gewissen Organisationsgrad für den Kampf um Forderungen aufweisen können,
anzugreifen. Das ist keine Übertreibung. Wir sprechen von vielen Toten,
darunter jene der Marcha Patriótica, wir sprechen von einem Januar mit Morden
an verschiedenen Orten des Landes wie in den Departementen Córdoba und Cauca.
Dies ist eine Warnung vor dem, was in naher Zukunft mit den Demobilisierten
geschehen kann. Ich glaube, das ist der schlimmste Schatten, der auf die
früheren Guerillas wartet.
(….) Es ist
mittlerweile kaum vorstellbar, dass die FARC als Gruppe auf ihren Entscheid,
den bewaffneten Kampf aufzugeben, zurückkommen. In meinen Augen gilt es dieses
entscheidende Moment zu unterstreichen: Wäre es nicht ihretwegen, würde der Krieg
weitergehen, sowohl wegen des Ergebnisses des Referendums wie wegen der ganzen
Politik des Lagers von Präsident Santos. Das Ende eines fundamentalen Teils des
bewaffneten Konflikts verdankt sich nicht dem Entscheid der im Staat
herrschenden Klassen, sondern dem Willen der FARC, die fast überall nachgegeben
haben, um ihre Integration in das zivile Leben zu erreichen.
(….) Trotz
aller Hindernisse haben die FARC ihren Entscheid, nicht zum bewaffneten Kampf
zurückzukehren und sich als legale Bewegung, als politische Partei am
politischen Kampf zu beteiligen,
ratifiziert. Sie ölen dafür die Mechanismen. Auf diesem Weg mussten sie
feststellen, dass der kolumbianische Staat angefangen hat, viele
Verpflichtungen zu missachten, wie beispielsweise die praktisch
stillschweigende Übereinkunft, zur Befreiung der Kader in den US-Gefängnissen.
Bis zum letzten Moment dachte man, Obama würde Simón Trinidad wie andere
politische Gefangene begnadigen, aber - nein! Gestern und heute haben die FARC
ihr diesbezügliches Missfallen ausgedrückt und erkannt, dass Santos nicht den
kleinen Finger für diese Befreiung gerührt hat, was als sehr grosser Verrat
seitens des Staates aufgefasst wird. Dies beleuchtet die Schwierigkeiten des
aktuellen Zustands auf. Zudem müssen wir sehen, dass das Abkommen letztlich
sehr beschränkt ist und praktisch keinen relevanten Punkt enthält, der die
politische, soziale wirtschaftliche Struktur des Lands neu formulierte. Im
Gegenteil haben wir eine mit Blick auf die Wahlen von 2018 massiv gestärkte
extreme Rechte.