(zas, 4.4.17) Pech für Guillermo Lasso! Erst verliert er die
Wahlen und dann ist die «internationale Gemeinschaft» nicht in der Lage, sich
von ihrem derzeitigen Hauptziel in Lateinamerika, dem Sturz der chavistischen
Regierung in Venezuela, ablenken zu lassen. Die transnationale Rechte in
Ecuador muss sich gedulden!
Dabei könnte sich der Grossbanker doch freuen. Nach
provisorischer Auszählung von 99.61 % der Wahlakten unterlag er im
Stichentscheid vom letzten Sonntag mit 48.84 % gegen den zum Präsidenten
gewählten Lenin Moreno (51.16 %) von der linken Alianza País (AP). In der
ersten Runde war nämlich auch ein AP-Gesetz von den Stimmenden
grossmehrheitlich angenommen worden, wonach gewählte und kandidierende AmtsinhaberInnen
kein Vermögen in Offshore-Paradiesen verstecken dürfen. Und Lasso unterhält auf
den Cayman Islands, in Panama, Delaware und Florida 49
Steuerhinterziehungsunternehmen, wie die Journalistin Cynthia García, gestützt
auf Dokumente, in zwei Berichtenam 15.
März und am 28. März in der
argentinischen Zeitung Página/12 enthüllte. (Lasso hat dort schätzungsweise $
1.7 Mrd. «parkiert» resp. z. B. in Florida-Immobilien investiert, die nach dem
Crash 2009 billigst zu haben waren. So viel etwa schicken Millionen von
ecuadorianischen MigrantInnen im Jahr nach Hause.)
Eines der 49 Offshore-Konstrukte von Lasso. Quelle: Página/12 |
Woher hat der Caballero
seine Kohle? Nun, er ist geschäftstüchtig. Muss er ja als Hauptaktionär der
landesgrössten Bank Guayaquil. Als im März 1999 unter seinem
Zutun zwecks Bankenrettung die Konti der EcuadorianerInnen für ein Jahr
eingefroren wurden, «entschädigten» die Banken ihre KundInnen mit
Depositenzertifikaten. Leider konnten damit keine Arztrechnung, keine
Schuluniform und kein Essen gekauft werden. Grosszügigerweise kauften die
Banken diese Zertifikate wieder zurück, zu einem Abschlag von 50 – 60 %. Lasso
war damals nicht nur eine Weile Superminister der Regierung, sondern auch an
dieser humanitären Front engagiert. Seine Regierung honorierte den
Bankeneinsatz damit, dass der Staat ihnen danach die Zertifikate zu ihrem
Nominalpreis abnahm.
Eine feine Type also. Und ganz nach dem Geschmack der
Freienmedien, die nicht müde wurden, Ecuador einen Aufbruch in eine bessere
Zukunft im Fall eines Wahlsieges von Lasso in Aussicht zu stellen. Und die sich
auch nicht vordrängten, als die dominanten Medien in Ecuador die anderswo
Aufsehen erregenden Enthüllungen über Lassos Offshore-«Investitionen» ganz so
wie der Caballero selber kaum einer Erwähnung wert fanden. Denk mal, wie
vornehm die gleichen Medien geschwiegen hätten, wenn das Sümmchen und die 49 Konstrukte
etwa Maduro oder auch Rafael Correa gehören würden. Das beleuchtet doch
angenehm die moralisch exzellente Qualität jener «ExpertInnen», die uns
jahrein, jahraus die richtige Sicht auf die Dinge in der Welt vermitteln.
Aber freuen über seine Niederlage tut sich der Caballero nicht
wirklich (Vielleicht hätte er das im Referendum angenommene Offshore-Verbot einfach
mit Schweigen beantwortet.) Er und sein gescheiterter Vize, Andrés Páez,
mobilisieren nämlich schon seit Wochen gegen den «Wahlputsch der Diktatur». Es
ist nämlich so, dass er die Wahlen gewonnen hat. Beweis: Die exit poll des Umfrageinstituts Cedatos
vom letzten Sonntag. Weswegen sich Lasso gleich zu Beginn der offiziellen
Auszählung zum Wahlsieger erklärt hat. Hochqualifiziert, Cedatos! Das
Unternehmen hatte schon beim ersten Wahlgang, als der Caballero 28 % machte und
Moreno fast 40 %, einen klaren Sieg des Neoliberalen ermittelt. Und ja, sie
lässt sich ihre Umfragen von engen Vertrauten Lassos finanzieren, wie Alianza
País in einem Brief an die OAS vom letzten Samstag dokumentierte.
Lasso weiss für seinen Widerstand die Mathematik auf seiner Seite, wie wir der
Zeitung El
Telégrafo entnehmen können: «Er
erklärte seinen AktivistInnen, dass jeder Mathematikstudent beweisen kann, dass
eine Variation zwischen exit poll und Resultat bis zu einem oder anderthalb
Punkten gehen kann, aber nicht zu einer Abweichung von acht Punkten.» Doch
Lasso wusste ohnehin, dass er die Stichwahl gewinnen würde. Weshalb er im März,
wie AP weiter dokumentiert, seine Basis so auf den 2. April einstimmte: «Wir gehen alle auf die Strassen, um den
Volkswillen zu verteidigen, bis der Sieg des Wandels proklamiert wird»,
also sein eigener. Damit dieser Volkswillen auch allen klar werde, hatte Lassos
Partei CREO, wie AP ausführt, Polizei- und Armeeoffiziere für eine gemeinsame
Aberkennung eines falschen Resultats kontaktiert.
Lasso weiss seinen Widerstand flexibel an veränderte
Umstände anzupassen. Noch in der Nacht auf Montag rief er dazu auf, alle Akten
beim CNE anzufechten (id.). Ein etwas eigentümliches Vorhaben: Normalerweise
werden fehlerhafte oder gefälschte Wahlakten beanstandet, nicht, wie es das
Wahlgesetz denn auch nicht vorsieht, einfach mal alle. Honi soit qui mal y
pense. Natürlich wissen wir, dass dies edle Bestreben einzig dem Wahrheitsdurst
geschuldet war, nicht etwa einer generellen Stimmungsmache. Dass die zahlreichen
Betrugsbelege denn auch bis dato dem CNE nicht vorgelegt wurden, erklärt
uns Lasso einen Tag später in subtiler Weise: «Ecuador ist in politischer und institutioneller Hinsicht kein normales
Land, wir müssen uns an ein internationales wenden, damit unsere Wahrheit
gehört wird.» Dass nämlich, wie die
rechten Wahrheitsmedien des Landes seine erschütternde Botschaft wiederholen,
in der Wahlnacht das Computersystem nach Verarbeitung von 20 % der Akten abstürzte und danach beim Stand von 90 %
wieder einsetzte. Juan Pablo Pozo, CNE-Chef, erklärte
gestern, dass zwar der Internetzugriff auf die Homepage des CNE wegen
Massenandrangs 18 Minuten lang nicht geklappt, aber der Prozess der
Übermittlung und der Verarbeitung der Wahldaten problemlos weiter funktioniert
habe. Ungeschickterweise bestätigen
die Wahlbeobachtungsmissionen der Unasur und der Uniore (Wahlorganismen
Lateinamerikas) die Sauberkeit der Wahlen. Die OAS-Mission ihrerseits hob
hervor, die von ihr festgehaltenen Resultate entsprächen exakt den vom CNE
veröffentlichten. (Pozo forderte überdies die Lasso-Equipe auf, an einer
Überprüfung der Datenprozessierung teilzunehmen. Den Quellcode der Software
haben die beiden Parteien eh schon.) Auch in anderem zeigt sich das Duo Lasso
/Páez flexibel.
Gestern früh wusste das Rechtsblatt El Universo von einem
anderen oft wiederholten Beweis für Wahlbetrug dieses mitzuteilen:
«Laut dem Kandidaten Páez ist eine der
wichtigsten Erklärungen, die der CNE dem Land schuldet, die, warum es bei 12.6
Millionen registrierten Wahlberechtigten zu einer Stimmabgabe von über 13
Millionen gekommen ist.» Der CNE hat zwischenzeitlich, nach Auszählung von
99.61 % der Akten die darin festgehaltenen Stimmen von nicht ganz 10 Millionen
Wählenden ausgewiesen. Sang- und klanglos verschwand jetzt dieser Betrugsbeweis
aus dem Diskurs von Lasso et al.
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Ihre Destabilisierung
– und unser Erfolg
Was noch nicht verschwindet, sind hingegen die Proteste von
rechten AktivistInnen seit Sonntagnacht auf den Strassen von Quito und anderen
Städten, die zunehmend gewalttätiger gegen den «Wahlbetrug» des Obersten
Wahlrats CNE angehen. In Quito sollen es
gestern Abend etwa 2000 Leute gewesen sein. Die Strategie ist klar:
«venezolanische» Verhältnisse herzustellen als Vorbedingung für einen
«demokratischen Regimewechsel».
In Quito zwangen Lasso-Aktivsten Angestellte der städtischen Müllabfuhr,die Ladung ihrer Wagen vor dem CNE zu entleeren. |
Der würde angesichts der parlamentarischen
Mehrheit der AP andere Formen als etwa in Brasilien annehmen, vermutlich in
Anlehnung an Honduras 2009 und den gescheiterten Polizei-/Armeeputsch von 2010
in Ecuador selbst mit markanter Beteiligung aus den Sicherheitskräften. Doch
ein zentrales Moment für den Erfolg eines solchen Unternehmens scheint im
Moment zu fehlen: der internationale Support. Regierungen wie jene von
Argentinien, Spanien und Kolumbien haben Lenín Moreno bereits zu seinem Wahlsieg
gratuliert (neben den linken Regierungskräften im Kontinent, versteht sich).
Selbst OAS-Generalsekretär Luis Almagro schloss sich dem Gratulationsreigen an;
er will möglichst schnell eine kaum mehr verdeckte internationale Intervention
gegen Venezuela und «unnötige» Mehrfrontenkämpfe vermeiden. Von den USA scheint
noch nichts zu hören zu sein. Wir werden sehen, wie die
Destabilisierungsstrategie sich entwickelt. Doch Lasso & Co. scheinen sich
mit ihrer Variante «venezolanische» Gewalt als Trigger für eine internationale,
wie auch immer geartete Intervention für den Moment verheddert zu haben. Ein
Anzeichen dafür dürfte der Aufruf des Bürgermeisters von Guayaquil, Jaime
Nebot, ein politisches Schwergewicht der Rechten, sein, der von Lasso forderte,
Beweise für einen Wahlbetrug vorzulegen, bevor es zu Strassenmobilisierungen
komme. Doch eines ist gewiss: Der «Zweifel an der Legitimation» der neuen
Regierung wird eine wiederkehrende Argumentationshilfe für die Rechte (und ihre
«linken»
MitläufferInnen) abgeben. Der auch in hieisigen Medien gerne zitierte
rechte Politanalyst Andrés Léon gab
schon die entsprechende Sprachregelung vor.
Für uns ist der parlamentarische und
Präsidentschaftswahlsieg der AP natürlich erst mal eine grosse Erleichterung.
Abgesehen vom Wahlsieg in Nicaragua 2016 konnte sich im Kontinent in der
letzten Zeit die Rechte durchsetzen. In Ecuador wurde dieser Trend wenn nicht stellvertretend
für den Kontinent gebrochen, so doch stark relativiert.
Anspielung auf die These vm "Ende des progressiven Zyklus" in Lateinamerika. |
Die Gründe für diesen
Erfolg liegen eindeutig in der Qualität der Politik der AP im Land, die zwar
alles andere als widerspruchsfrei war, aber sich von den Angriffsorgien etwa in
Kolumbien, Argentinien oder Brasilien mehr als nur abhob. Das ist genau der
Punkt, den jetzt die «sachverständigen» ExpertInnen in Medien und Stiftungen in
unseren Breitengraden negieren. Ob sich die Regierung Moreno an diesem
Sachverhalt orientieren oder letztlich den Pressionen und Schalmeienklängen der
Transnationalen erst sukzessive, dann rasend schnell – wie Tabaré Vázquez in
Uruguay und Michelle Bachelet in Chile - nachgeben wird, wird sich weisen. Auf
jeden Fall haben die Bewegungen in Ecuador einen wichtigen Zwischenerfolg
errungen. Und beflügeln so ihre GenossInnen auch in anderen Teilen
Lateinamerikas.
Siegesfeier der AP mit Lenín Moreno. Quelle: andes.info.ec |