zas, 23.4.17) Seit
den 90er Jahren hat der US-Journalist Allan Nairn wiederholt fundierte
Informationen und Analysen zu US-geleiteten Strukturen von Todesschwadronen in
Guatemala, El Salvador, Haiti und Indonesien verfasst. Zusammen mit Amy Goodman
von Democracy Now wurde er 1991 Augenzeuge des Santa-Curz-Massakers der
indonesischen Armee in Osttimor. Seine Öffentlichkeitsarbeit war mit ein
Faktor, dass der US-Kongress 1993 die US-Militärhilfe an das indonesische
Militär (vorübergehend) einstellen musste.
Wenn Nairn nun einen Bericht über eine indonesische Struktur von
faschistischer Massenmobilisierung/Todesschwadron berichtet, die dem IS-Führer
die Treue schwört und in der der indonesische Rechtsvertreter des Trump-nahen
Minengiganten Freeport eine führende Rolle spielt, dann könnte doch, so die
naive Annahme, irgendein Mainstreammedium etwas dazu bringen. Zumal diese
Struktur gerade dabei ist, einen nicht-völkermörderischen Präsidenten zu
stürzen. Bis dato totale Fehlanzeige. Bemerkenswert, da dies theoretisch für
die US-Dems ein gefundenes Fressen sein könnte, Trump und dessen Financier,
Carl Icahn, Hauptaktionär von Freeport, tüchtig eines auszuwischen.
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FPI-Demo. Alle Bilder aus The Intercept. |
Hauptmotiv: Verhindern, dass unter dem reformerisch eingestellten
Präsidenten Militärs wegen Kriegsverbrechen blossgestellt oder gar verurteilt
werden können. (1965 unterstützte Henry Kissinger die indonesische Armee im
Putsch gegen die Regierung des sozialreformerischen Generals Sukarno, der sich
auch gegen den eskalierenden Vietnamkrieg gewendet hatte. Zwischen 400’000 und
einer Million realer oder angeblicher KommunistInnen wurden in der Folge
umgebracht. Die Armee beging später weitere horrende Verbrechen, z. B. in
West-Papua, Ost-Timor oder Aceh. Folter gehörte zum Courant Normal.) Nachdem 1998 US-Günstling und Diktator Suharto
nach einem Massaker an der chinesischen Minderheit und um sich greifenden
studentischen Portesten zurücktreten musste, setzte ganz zaghaft eine
Reformtendenz ein, die sich mit der Wahl von Jokowi 2014 verstärkt hatte.
Die Miliz
Um die aktuellen Putschbestrebungen, gestärkt durch den islamistischen
Sieg in den Gouverneurswahlen von Jakarta vom vergangenen 19. April zu
verstehen, sollte man wissen, dass die Sicherheitskräfte 1998, nach dem Abgang
von Suharto, die Islamische Verteidigerfront (FPI, Front Pembela Islam) gegründet
haben. Die FPI diente zu Beginn als «islamistische
Frontgruppe gegen DissidentInnen», wie Nairn schreibt. Im Interview fügt er
an: «Die FPI ist involviert gewesen in
Angriffe auf Moscheen – sie greifen oft islamische Strömungen an, mit denen sie
nicht einiggehen – in Angriffe auf Kirchen, in Morde (…). Sie leben von Tag zu
Tag von Erpressung, zusätzlich zu den Mitteln, die sie von Armee und Polizei
erhalten. Sie geben an, die Religionsvorschriften zu befolgen, aber über die
Jahre bestand eine ihrer Kerntaktiken darin, Strip-Lokale und Bars aufzusuchen;
zahlen die Eigentümer nicht rasch ihre wöchentlichen Gelder, knüppeln sie das
Lokal nieder und trinken anschliessend den Schnaps oder verkaufen ihn weiter.
Das pfeifen in Jakarta die Spatzen von den Dächern. Eine andere ihrer wichtigen
Aktivitäten besteht darin, Arme zu räumen. Sie lassen sich von der Armee,
Polizei oder von Immobilienmogulen mieten und räumen gewaltsam arme Leute,
deren Häuser danach für andere Zwecke abgerissen werden.»
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FPI-Zentrale mit Wandschmuck. |
Trumps Kumpels im «Jihad»
Nairn beschreibt in The Intercept, gestützt auf ihm vorliegende
indonesische Geheimdienstunterlagen und Aussagen von in die Putschumtriebe
involvierten Ex-Generälen, indoneische FPI-Finanzquellen. Ein
Geheimdienstdokument weist auch «Donald
Trumps milliardenschweren Businesspartner Hary Tanoe» als FP-Financier aus,
wie Nairn schreibt. «Schlüsselfiguren der
Bewegung haben mir Tanoe als einen ihrer wichtigsten Unterstützer beschrieben.
Letzten Freitagnacht, als ich mit solchen Figuren zusammensass, äusserten sie
Freude über Tanoes Nähe und persönliche und finanzielle Beziehung zu Präsident
Trump, der mit seinem Sohn Eric zusammen Hary im Trump Tower und für seine
Inauguration begrüsste. Sie sagten sie hofften, dass Hary, der in Indonesien
zwei Trump Resorts baut, eine Brücke zwischen Trump und General Prabowo
schlagen würde.»
Zu den Trump-Spezis gehört ferner auch Fadli Zon, Vizesprecher des indonesischen
Abgeordnetenhauses, den Nairn als «wichtigsten
politischen Propagandist Trumps im Land» einstuft. Er trat «mit dem [damaligen] Kandidaten zu Beginn
der Kampagne an einer Pressekonferenz auf (…) Fadli Zon fungiert als die rechte
Hand des berüchtigtsten massenmordenden General Prabowo Subianto, der Jokowi in
den Wahlen von 2014 unterlag.» Fadli Zon pflegt an den Mobmobilisierungen
der FPI, die den Tod von politischen Gegnern fordern, auf der Redetribüne zu
erscheinen. Eine spezielle Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang FPI-Sprecher
und Milizenchef Munarman, «der an einer
Zeremonie, in der eine Gruppe junger Männer dem IS und dessen Führer, Abu Bakr
al-Baghdadi, die Treue schwuren, auf Video aufgenommen wurde. Munarman ist auch
ein Unternehmensanwalt, der für die indonesische Filiale des Minenkolosses
Freeport McMoRan arbeitet, der jetzt von Carl Icahn kontrolliert wird, Freund und
Deregulierungsberater von Präsident Trump» (Intercept).
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Treuschwur für den IS;
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«Die Putschbewegung ist für Freeport von
Nutzen gewesen. Nach Jahrzehnten staatlichen Laissez-faire hat die
Jokowi-Regierung letztes Jahr versucht, den Regierungsvertrag mit Freeport neu
auszuhandeln und hat ihre Exportrechte eingeschränkt. Gleichzeitig wurde die
Regierung von einer Bewegung geschwächt, die teilweise von einem Anwalt des Unternehmens
geleitet wird. Nachdem Anfang April die Bewegung die erste Aktion von nach
Polizeiangaben vier Versuchen, das Parlament und den Regierungspalast einzunehmen,
lanciert hatte, schockierte die Jokowi-Administration die indonesische
politische Öffentlichkeit, als sie unerwartet nachgab und grünes Licht für neue
Kupferexporte gab. Das plötzliche Nachgeben beendete den Disput nicht – tiefe, langfristige
Vertragsprobleme bleiben, aber es legte, wie mir Jokowi-Offizielle später
sagten, nahe, dass die Regierung nun das Gefühl hatte, geschwächt zu sein. Am
kommenden 20. April wird Vizepräsident Mike Pence in Indonesien erwartet. Jokowi-Offizielle
sagten im Privatgespräch, dass sie davon ausgehen, dass Freeport zuoberst auf
seiner Wunschliste stehen wird. Am Treffen der Bewegungsmitglieder letzten
Freitag sagte mir jemand: ‘Pence wird
Jokowi mit Freeport bedrohen’» (id.)
«Islamistische» Darstellung
Zu den «islamistischen» Kredenzialen der FPI schreibt Nairn in seinem
Artikel: «Die FPI brachte schwarze
IS-Fahnen an die Kundgebungen von Prabowo und hat offiziell den Aufruf von Al-Kaida-Chef
Ayman-al-Zawahri an Al Kaida und den IS, im Irak, in Syrien und anderswo
gemeinsam zu kämpfen, unterstützt.» Ein von Snowden veröffentlichtes NSA-Dokument
«bringt FPI-Exponenten in Verbindung mit
einem Ableger von Jemaah Islamiyah, dem in die Bombenanschläge 2002 in Bali
verwickelten jihadistischen Netzwerk; und detailliert auch Waffentraining für
FPI-Mitglieder in Aceh durch Spezialeinheiten der indonesischen Nationalpolizei.»
Zu einem Gespräch, das er mit zwei
FPI-Führern im Zusammenhang mit den Umsturzbestrebungen geführt hat, schreibt
Nairn: «Sie erwähnten kaum religiöse
Probleme, sondern sagten, Indonesiens Problem sie ein Kommunismus neuen Stils,
Die Armee müsse einschreiten, denn Indonesien sei nicht reif für die
Demokratie. Jokowi, kritisierten sie, öffne dem Kommunismus einen Raum.»
Im Democracy-Now-Interview betont Nairn, dass FPI «in Indonesien als preman,
als Strassengangster, bekannt sind. Sie wurden von der indonesischen Armee und
Polizei kurz nach dem Fall von Suharto, gegründet, um die Morde auszuführen, die
Repression im Auftrag der Armee, ohne dass diese dafür die Verantwortung
übernehmen muss. Und sie würden das unter der Fahne des radikalen Islams tun,
ein Art Ablenkung davon, dass Armee und Polizei die Sponsoren sind.»
Putschkalküle
Nairn sprach auch mit dem Admiral a. D. und jetzigen Geheimdienstberater Soleman
Ponto über die Umsturzpläne. Ponto schliesst eine aktive Intervention der
Militärs aus, es solle einen «gesetzestreuen
Coup d’État» (Intercept) geben. «Die
FPI-Demonstranten würden, sagte er, in den Palast und das Parlament eindringen
und dann ein Lager aufschlagen, bis sie jemand zum Verlassen veranlasse (…) es
würde wie People Power aussehen, nur dass alles bezahlt ist. Die Militärs würden
nichts machen, nur schlafen gehen», bis der Präsident fällt. Die Version
eines sanften Putschs wurde Nairn von einem Dutzend weiterer, teilweise noch
aktiver hoher Offizieller bestätigt. Eine andere grosse Gruppe Offizieller
sieht allerdings auch die Möglichkeit, dass die von FPI geleiteten Unruhen in
den Städten in ein Chaos führen würden, welches dann die Armee zum aktiven
Eingreifen motiviere.
Nairn bringt noch eine dritte Variante ins Spiel: Können sie Jokowi
absetzen, haben die Militärs in Sachen Vergangenheitsaufarbeitung eh
ausgesorgt. Bleibt der Mann dank des Sukkurses eines Teils der Armeeführung im
Amt, ist er dieser zu Dankbarkeit verpflichtet und lässt die Aufarbeitung bleiben.
Democracy is.
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1965. |