Kuba: Twitter spielt seine Macht aus

Dienstag, 25. September 2018


US-Kurznachrichtendienst blockierte erneut Nutzerkonto des Onlineportals Cubadebate
Volker Hermsdorf
Twitter-Nutzer in Kuba erfuhren im September zum zweiten Mal in diesem Jahr, was die westliche Wertegemeinschaft unter Meinungs- und Pressefreiheit versteht. Der US-Internetkonzern »Twitter« sperrte den Account des meistgelesenen Onlineportals Cubadebate.cu – ohne Angabe von Gründen – vom 6. bis zum 11. September. Nach massenhaften Protesten wurde der Informationsfluss erst am Dienstag vergangener Woche – ebenfalls ohne jeden Kommentar – wieder freigegeben.
Bereits im Mai hatte das Unternehmen mit Sitz in San Francisco die Nachrichten von Cubadebate für rund 24 Stunden blockiert. Damals hatte die Redaktion nach dem Absturz eines Flugzeuges beim Start in Havanna extra einen Sonderservice eingerichtet, um Angehörige und Bürger über die Rettungsarbeiten, sowie die Namen von Opfern und Überlebenden informieren zu können. Durch die Sperrung wurde dies ausgerechnet in der kritischsten Phase verhindert. Die von US-Diensten unterstützte Bloggerin Yoani Sánchez nutzte die Blockade durch Twitter für einen Generalangriff auf die »offiziellen« kubanischen Medien, denen sie »Geheimniskrämerei«, »fehlende Seriosität« und »fehlerhafte Darstellung von Informationen« vorwarf.

Verhaftungen im Fall des verschwundenen Aktivisten Sergio Rivera in Mexiko

Samstag, 22. September 2018

Der mexikanische Menschenrechtsaktivist Sergio Rivera Hernández ist seit dem 23. August verschwunden
Der mexikanische Menschenrechtsaktivist Sergio Rivera Hernández ist seit dem 23. August verschwunden
Quelle: educaoaxaca
Puebla, Mexiko. Knapp vier Wochen nach dem Verschwinden des Menschenrechtsaktivisten Sergio Rivera Hernández haben die Behörden die Verhaftung von drei Verdächtigen vermeldet. Der Aktivist, der sich zusammen mit der Organisation Zapatistische Indigene Agrarbewegung (Movimiento Agrario Indígena Zapatista, Maiz) gegen das Wasserkraftwerk Coyolapa-Atlzala der Bergbaufirma Autlán in der Sierra Negra einsetzt, wurde am 23. August im Bezirk Zoquitlán von Personen in einem Pickup verfolgt und gilt seither als verschwunden.
Alle drei am 18. September in Coyolapa festgenommenen Verdächtigen sind aktive Mitglieder der sozialdemokratischen Partei PRD, die den lokalen Bürgermeister stellt. Einer von ihnen arbeitete als Leibwächter für den Bürgermeister, ein anderer soll Mitarbeiter der Bergbaufirma Autlán sein, vermeldet die Lokalpresse. Das Unternehmen, welches das Metall Mangan fördert und für die Autoindustrie weiterverarbeitet, hatte sich zuvor öffentlich vom Vorwurf distanziert, mit den Tätern des gewaltsamen Verschwindenlassens von Rivera in Verbindung zu stehen.

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Nicaragua: Hetze, Desinformation – und Fragen

Freitag, 21. September 2018


(zas, 21.9.18) Die sandinistische Regierung scheint nicht im Stand zu sein, eine andere Antwort als Repression auf die Ereignisse der letzten Monate zu geben. Zumindest nicht so, dass wir hier etwas davon mitbekämen. Fast täglich gibt die Polizei bekannt, dass sie die und die «Terroristen» der Justiz überstelle. Abgesehen von der inflationären Verwendung des Begriffs «terrorista» wäre dagegen erst mal wenig einzuwenden. Schliesslich gab es in Nicaragua eine Reihe extrem brutaler Gewalttaten, die auf keinen Fall in die Rubrik Einzelfälle entsorgt werden können – auch wenn genau dies ein Teil der früheren Solidaritätsbewegung mit Nicaragua in Europa tut. Er folgt damit einer fast nur gehauchten Diskursanpassung jener sich selbst als links verstehender Kräfte in Nicaragua, die nach Nachhaken von einzelnen Übergriffen von AktivistInnen reden, die in der repressiven Not …ähm… etwas zu weit gegangen seien. Wie weit und wie systematisch, haben wir in diesem Blog versucht, etwas zu vermitteln.
Die Polizei informiert zwar über Verhaftungen und Anschuldigungen, allerdings ohne diese zu begründen. Man kann einwenden, dies sei nicht ihre Sache, sondern die der Gerichte. Das stimmt, doch dann sollte auch eine in einigen Fällen damit einhergehende üble Stimmungsmache unterlassen werden. Viele von uns haben den Eindruck, dass politische Oppositionelle, aber keine Killer, und tatsächliche TäterInnen in den gleichen Sack geschmissen werden. Um nicht missverstanden zu werden: Die Forderung nach Gerechtigkeit ist überhaupt kein Privileg der Opposition, sondern wird auch von extrem vielen Menschen leidenschaftlich erhoben, die unter dem rechten Terror gelitten haben.
Doch die Untersuchungen verlieren schlicht an Glaubwürdigkeit, wenn bis heute nicht ein Mitglied der Sicherheitskräfte, nicht ein Pro-Regierungsaktivist irgendeines Delikts – geschweige denn eines Mordes – angeschuldigt ist. Es gibt zwar Gerüchte über Untersuchungen etwa im entsetzlichen Fall der sechsköpfigen Familie, die im Juni in Managua in ihrem in Brand gesteckten Haus erstickt ist. Aber offizielle Aussagen zu diesem oder zu anderen Fällen gibt es schlicht keine. Dafür hat die Regierung der Imperiumsfraktion ein «Argumentationsmuster» abgeguckt. Sind für diese schlicht alle Ermordeten Opfer der orteguistischen Diktatur, so hat sich mittlerweile auf prosandinistischer Seite die Darstellung eingebürgert, dass die Opposition mit ihrer Entfesselung schlimmer Gewalkt die Verantwortung für alle Toten trage. Hinter dieser Floskel versteckt sich das erwähnte Schweigen über Taten, deren AutorInnen zu Recht oder zu Unrecht im sandinistischen Lager vermutet werden.
In diesem Kontext ist die o. e. «Stimmungsmache» oder schmutzige Propaganda besonders unerträglich. Ein Beispiel der letzten Tage: Ricardo Baltodano, Bruder der bekannten oppositionellen Ex-Comandante Mónica Baltodano ist von der Polizei der Justiz wegen Entführung, Folter und anderen Delikten der Justiz überstellt worden.  Der Mann hat in der privaten Universität Upoli unterrichtet. Die Upoli war eine Weile ein Zentrum der «Protestbewegung», vieles deutet daraufhin, dass sie tatsächlich ein Zentrum auch bewaffneter Kräfte um die US-finanzierte Partei MRS und kriminelle Bandenstrukturen war. Baltodano, in seiner Jugend ein sandinistischer studentischer Kader gegen die Diktatur von Somoza, hat nie ein Geheimnis aus seiner Beteiligung an den oppositionellen Demos gemacht.
Und jetzt zirkuliert in regierungsfreundlichen Social Media diese Fotocollage:




Wir wissen nicht, ob an den Anschuldigungen etwas dran ist. Aber wir sehen eine hetzerische Collage: Bilder, auf denen man Baltodano mit erregt gestikulierenden, nicht gerade an junge Streetfighters gemahnenden Männer sieht – vielleicht protestieren sie gerade gegen eine Sauerei der Bullen? - neben Fotos von sandinistischen Ermordeten, etwa von Keller Pérez Duarte. Der Student wurde mutmasslich von in der Upoli operierenden Gruppen ermordet. (Die Rechte hatte auch ihn zum Opfer der Polizei erklärt, was der Vater scharf dementiert hatte.) Es wird so suggeriert: Der Mann ist eine Bestie.
Diese Art von «Aufklärung» ist eine Schweinerei.
Erst mal viel überzeugender in diesem Fall ist ein ruhiger, trauriger Facebook-Auftritt der Frau von Ricardo Baltodano und seiner zwei Schwestern. Sie betonen, dass Ricardo ein solidarischer Mensch sei, ein aktiver Demonstrant, aber völlig fremd jeder brutalen Gewaltanwendung. Mónica Baltodano situiert die Verhaftung ihres Bruders im Kontext einer korrupten Justiz.
In einer privaten Mitteilung charakterisiert Mónica Baltodano ihren Bruder als Pazifist. Wie gesagt, wir wissen nicht, was an den Anschuldigungen stimmt, was nicht. Wir wissen dagegen, dass die propagandistische «Begleitmusik» den Verdacht nährt, dass der Mann in Sippenhaft genommen wurde, um an seine Schwester, eine bekannte Exponentin eines Teils der Regime-Change-Bewegung, heranzukommen.
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All dies auch stellvertretend für weitere empörende Momente gesagt, sollte es nicht als Geständnis missverstanden werden, die Imperiumsfraktion und ihre Mobilisierten hätten letztlich eben doch recht mit ihren Anschuldigungen von sandinistischer Gewaltherrschaft und Terror. Seit Wochen etwa lesen oder hören wir fast täglich von gefolterten politischen Gefangenen, die unter unzumutbaren Haftumständen darben müssten. Die Gefängnisbehörde hat jetzt als Antwort auf Anschuldigungen wegen Folter, verweigerter medizinischer Hilfe, 24-Stunden-Isolation im dunklen Loch u. ä. Fotos von Besuchen, medizinischen Checks etc. veröffentlicht, die einige dieser Fälle betreffen (hier und hier). Dass die Fotos gefälscht sein könnten, dürfte so gut wie ausgeschlossen sein. Denn ein allfälliger diesbezüglicher Nachweis wäre ein veritabler GAU für die Regierung. Für genauere Informationen dazu siehe das transskribierte Interview mit dem stellvertretenden Innenminister Luis Cañas und dem sandinistischen Abgeordneten Carlos Emilio López.

Ausser der Reihe: In Memoriam Eva Weil-Kroch (1929-2018)

Dienstag, 18. September 2018

In Memoriam Eva Weil-Kroch (1929-2018)
Am Freitag ist unsere Freundin Eva Weil-Kroch, genannt Feva, gestorben. Sie wurde 1929 in Mühlhausen in Thüringen geboren. Von den Nazis mit ihren Eltern 1938 aus Deutschland vertrieben, fand sie Exil in Uruguay, der neuen Heimat in Lateinamerika. Während der Militärdiktatur 1973-85 arbeitete sie für amnesty international und engagierte sich für die politischen Gefangenen. So lernte sie 1979 Ernesto Kroch kennen, ebenfalls als Jude von den Nazis verfolgt, Kommunist, Antifaschist und Widerstandskämpfer (siehe seine Autobiografie: http://www.assoziation-a.de/buch/Heimat_im_Exil). Die beiden waren fortan ein unzertrennliches Paar. Zwischen Deutschland und Uruguay pendelnd, waren sie als Kosmopoliten in der Welt zu Hause. Während Ernesto in dem Linksbündnis Frente Amplio aktiv war, kämpfte Feva parallel auf ihre eigene Art für eine humane Welt und die Rechte der Kinder. Stets fand man sie an der Seite der Migranten, Flüchtlinge und Schutzbedürftigen - in Deutschland wie in Urugua
y.
In unserem Buch "Uruguay. Ein Land in Bewegung" (http://www.assoziation-a.de/buch/Uruguay ) verfasste sie unter dem Titel "Zuflucht für die Kinder der Verfolgten" gemeinsam mit Ernesto ein Porträt Annemarie Rübens, einer evangelischen Theologin, die gleichfalls vor den Nazis fliehen musste und außerhalb Montevideos in Colonia Valdense ein kleines Paradies erst für die Kinder der von den Nazis Vertriebenen, später für die von der Militärdiktatur Verfolgten schuf. Hier verlebte die junge Eva glückliche Tage. Eine Zeit, die sie wohl für immer prägte.
Feva, wir haben wundervolle Stunden mit dir verbracht, in Montevideo, Hamburg und Frankfurt. Du warst so ein verrückter Irrwisch und Poltergeist mit großem Herzen, einer anarchischen Ader und einer verschmitzten Art, mit der du alle verblüfft und die Herzen erobert hast. Wir werden dich vermissen und gern an dich zurückdenken.
In einem Radiofeature von Erika Harzer aus dem Jahr 2013 erzählst du in so typisch erfrischender Art deine Geschichte. Wie schön, Feva, deine jugendliche Stimme zu hören!
https://www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/erlebtegeschichten/evaweil102.html
Con amor, Theo Bruns & Angela Habersetzer

CORREOS 191 Inhaltsverzeichnis

Mittwoch, 12. September 2018

Das ganze Heft vom 22. August 2018
oder die einzelnen Artikel:

Nicaragua S. 3-16

Dieter Drüssel

Seit 1986 gibt es eine Städtepartnerschaft zwischen La Trinidad und Delémont mit starker Beteiligung des Groupe Nicaragua von Delémont. Die folgenden Tatsachen haben wir via Skype, Telefon etc. von verschiedenen Personen erfahren, die in La Trinidad leben. Die Chronologie zeigt, dass die Feinde der Demokratie und die Mörder nicht immer jene sind, die uns gezeigt werden.
Jean Parrat, Delémont


«Wir an der Basis sagen: mehr Solidarität, mehr Einheit, mehr Organisation … mal sehen, was die Leitung sagt.»
Gérald Fioretta interviewt Juana Pérez

Beispiele aus Berichten im ZAS-Blog

Scarlett Cuadra Waters

Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit. Tote werden für politische Kalküle missbraucht. Unterwürfiges Nachbeten macht die Sache nicht besser.
Dieter Drüssel

Dieter Drüssel
und
Ein Blick auf soziale Elemente der Revolte über den Diskurs der ausschliesslich von Strassenbanden und Narcos dominierten Gewalt hinaus.
Gérald Fioretta


Argentinien S. 17-18
Ein argentinisches Gericht hat zwei Gefängnisdirektoren wegen schwerer Folter zur Zeit der Militärdiktatur zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Der in Bern lebende Sergio Ferrari hat als Zeuge ausgesagt.
Bernhard Ott
und
Aus einem Bericht von Sergio Ferrari


Mexiko S. 19-21
Die lateinamerikanische Linke bejubelte in ihrer grossen Mehrheit den Sieg von AMLO in Mexiko, einem der mächtigsten Länder des Südkontinents. Sie erhofft sich eine Schwächung der neokonservativen Allianz unter US-Kommando. Wie schwierig aber jeder kleine Schritt nach links werden wird, macht dieser Artikel deutlich.
Philipp Gerber


Kolumbien S. 22-23
Gewalt gegen soziale AktivistInnen nimmt in erschreckendem Ausmass zu.
Yvonne Zimmermann


El Salvador S. 24-28
Dieter Drüssel

Ein Gespräch über die Notwendigkeit einer klaren linken Linie des FMLN. Lorena Peña war Comandante der FMLN-Guerilla, Mitglied der Verhandlungsdelegation in den Friedensabkommen (1992) und später Parlamentspräsidentin. Sie hat die feministische Organisation Movimiento Mélida Anaya Montes (MAM) mitgegründet und präsidiert heute die Internationale Demokratische Frauenföderation FDIM mit Organisationen in Afrika, Asien, Arabien, Europa und Lateinamerika.
Iñaki Markiegi interviewt Lorena Peña

Puerto Rico S. 29-31
5000 starben nach dem Sturm vom letzten September, nicht 64, wie die Regierung behauptet. Diese zählt Profite, nicht Menschen. Im Dienst von topmodernen Kapitalfraktionen.
Democracy Now