Sterben für Pfizer & Co.

Samstag, 29. Mai 2021

 

 

«Es ist gut, dass die Todesfälle sich unter Alten häufen. Das wird unsere ökonomische Performance verbessern, da es das Rentendefizit vermindern wird.»

Solange Vieira, Chefin der brasilianischen Regulierungsbehörde für Privatversicherungen

(zas, 29.5.21) Reuters teilte im Mai letzten Jahres Interessantes mit[1]. Als die WHO die Welt in Sachen Covid-19-Epidemie alarmierte, stand der Epidemiologe Julio Croda der Epidemieabteilung des brasilianischen Gesundheitsministeriums vor. Das Ministerium, so lesen wir, antwortete damals mit sinnvollen Massnahmen (Quarantäne für Einreisende u. a.) auf die Warnung. Für zwei Tage. Danach übernahmen andere die Leitung der Pandemiebekämpfung, so der Superwirtschaftsminister Paulo Guedes, berüchtigt für seine Beteiligung an Milton Friedmans sozialem Kahlschlag in Chile Pinochets. Jetzt war Schluss mit wirtschaftsschädigenden Massnahmen wegen einer vorübergehenden Grippewelle. Eine seiner MitstreiterInnen war Solange Vieira, Chefin der brasilianischen Regulierungsbehörde für Privatversicherungen (Susep). Sie war 2019 zentral an der Rentenkonterreform unter Bolsonaro beteiligt, die in den gehobenen Blättern der «internationalen Gemeinschaft» als wichtiger Schritt in die richtige Richtung gefeiert worden war. Als sie im März letzten Jahres von Fachleuten des Gesundheitsministeriums auf die mutmassliche hohe Zahl von Toten bei Nicht-Eindämmung des Virus hingewiesen wurde, kommentierte sie laut dem von Reuters zitierten Epidemiologen Croda die Sache so: «Es ist gut, dass die Todesfälle sich unter Alten häufen. Das wird unsere ökonomische Performance verbessern, da es das Rentendefizit vermindern wird.»

Das Portal brasilwire.com, aus dem die Hinweise auf den erwähnten Reuters-Artikel und die nachher behandelte Recherche des Bureau of Investigative Journalism stammen, zitierte am 14. März 2021 aus dem Kapitel «Der Kampf gegen unheilvolle Einflüsse in den Amerikas» im Jahresbericht des US-Gesundheitsministeriums für 2020 zur Rolle des OGA (Office of Global Affairs):

«OGA gebrauchte diplomatische Kanäle, um die Versuche von Staaten wie Kuba, Venezuela und Russland zu mindern, die daran arbeiten, ihren Einfluss in der Region zulasten der US-Sicherheit auszuweiten. OGA koordinierte sich mit anderen US-Regierungsagenturen, um die diplomatischen Beziehungen zu stärken und technische und humanitäre Hilfe anzubieten, um Länder der Region davon abzuhalten, Hilfe dieser übel gesinnten Staaten anzunehmen. Beispiele sind etwa der Einsatz des Büros des OGA-Gesundheitsattachés, um Brasilien von der Ablehnung des russischen Covid-19-Impfstoffes zu überzeugen oder das Angebot von technischer Hilfe der CDC (Centers for Disease Control) an Panama, statt die Offerte kubanischer ÄrztInnen zu akzeptieren.»[2]

Ein weiterer Artikel auf brasilwire.com vom letzten 3. Mai beschreibt detailliert, wie das Regime von Jair Bolsonaro der «Orientierung» aus Washington nachgekommen ist. Während immer mehr Menschen im Land am Coronavirus starben, weigerte sich die Militärregierung lange, gegen die «kleine Grippe» Impfstoffe einzusetzen. Als 14 Gouverneure versuchten, auf eigene Faust Sputnik 5 zu besorgen, wollte der ferngeleitete Bolsonaro dies vergeblich per Oberstes Gericht verbieten lassen. Sein zweiter Versuch aber gelang. Die Regulierungsbehörde für den Gesundheitssektor, Anvisa, verweigerte die Zulassung von Sputnik 5. Angeführter Grund: Ihre Untersuchungen hätten ergeben, dass im Impfstoff die Gesundheit bedrohende Adenoviren vorhanden sein könnte. Es stellte sich heraus, dass Anvisa keine Untersuchungen angestellt hatte, sondern aus den vom russischen Gameleya-Institut auch nach Brasilien gelieferten Unterlagen Dinge falsch übernommen hatte. Das Institut hatte von einzelnen Dosen mit Adenoviren berichtet. Diese könnten offenbar eine leichte Erkältung auslösen.

Brasilwire.com schreibt: 

«Am Ende eines Monats, in dem schon 100'000 BrasilianerInnen gestorben waren, lehnte Anvisa einen vom britischen Medizinjournal Lancet als sicher taxierten und zu 91.6 % wirksamen Impfstoff ab.»

 

Erpressung

Das mit auch prominenten Leuten aus der US- und britischen Medienwelt bestückte Bureau of Investigative Journalism recherchierte zum Vorgehen des US-Unternehmens Pfizer in Brasilien, Argentinien und einem nicht identifizierten dritten Land in Lateinamerika. Der Multi verlangte etwa von diesen Ländern eine Immunität vor Entschädigungsklagen im Fall von medizinischen Impf-Komplikationen. Und zwar eine umfassende Immunität. Die bedeutet, erklären die Bureau-AutorInnen,

«dass das Unternehmen im Fall von seltenen negativen Wirkungen oder für eigene Handlungen der Nachlässigkeit, des Betrugs oder des bösartigen Vorsatzes nicht haftbar gemacht werden könne. Das beinhaltet Auswirkungen der von Unternehmenspraktiken wie etwa, dass Pfizer den falschen Impfstoff liefere oder bei der Herstellung Fehlern beging».

WHO-Forscher Lawrence Gostin meint:

«Pharmaunternehmen sollten ihre Macht nicht gebrauchen, um lebensrettende Impfungen in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zu limitieren. [Das] scheint genau das zu sein, was sie machen (…) «Ein gewisser Schutz vor Haftung ist gerechtfertigt, aber bestimmt nicht im Fall von Betrug, grober Nachlässigkeit, Missmanagement oder Nichtbeachtung ordentlicher Herstellungsverfahren.»

Pfizer-Partner BioNTech hatte von der deutschen Regierung schon $ 445 Milliarden für die Entwicklung des Pfizer-Impfstoffes erhalten, Pfizer von Washington im Voraus eine Abnahmegarantie im Wert von fast $ 2 Milliarden. Im Fall von Entschädigungsklagen sollten sich jetzt die Regierungen zur Bezahlung verpflichten.

In Argentinien begann Pfizer ihre erpresserischen Verhandlungen letzten Juni. Man forderte vollständigen Schutz vor Entschädigungszwängen. Das Bureau schreibt zu diesem Punkt:

«Obwohl dies zuvor nie gemacht worden war, verabschiedete das Parlament im Oktober ein zustimmendes Gesetz. Aber Pfizer war laut einer/einem Offiziellen aus dem Präsidentenstab mit dem Wortlaut unzufrieden. Die Regierung war der Meinung, Pfizer sollte die Verantwortung für alle nachlässigen oder bösartigen Handlungen tragen. Pfizer, so die/der Offizielle, war nicht einverstanden. Die Regierung bot an, das Gesetz umzuformulieren, um deutlich zu machen, dass mit «Nachlässigkeit» Probleme in der Verteilung und Lieferung der Vakzine gemeint sei. Aber Pfizer war nicht zufrieden und verlangte ein Präsidialdekret, was [Präsident Alberto} Fernández ablehnte. Argentinien könnte für Nebenwirkungen der Impfungen aufkommen, aber nicht, wenn Pfizer einen Fehler macht. Was sollte beispielsweise passieren, wenn Pfizer unabsichtlich die Kältekette des Impfstoffes (- 70 Grad Celsius bei Transport und Lagerung) unterbräche und von BürgerInnen angezeigt würde? Es wäre nicht fair, dass Argentinien für die Fehler von Pfizer zahlen müsste (…) Statt in einigen Punkten nachzugeben, verlangte Pfizer stets mehr.»

Im Dezember stellte Pfizer, so das Bureau,

«eine unerwartete Forderung: Die Regierung müsse Staatsvermögen – das zum Beispiel Zentralbankreserven, Botschaftsgebäude oder Militärbasen beinhalten könne – zur Besicherung verpfänden.»

Dazu nochmals die/der Offizielle:

«Es war eine extreme Forderung, von der ich nur im Zusammenhang mit einer Neuverhandlung internationaler Schulden gehört habe, aber in beiden Fällen haben wir sie sofort abgelehnt.»

Der damalige Gesundheitsminister Ginés González García kommentierte: Pfizers «Intoleranz uns gegenüber war enorm». Die Antwort des Unternehmens: Im Gegensatz zu den umliegenden Ländern erhält Argentinien keine Impfstoffe des Unternehmens. Wir erahnen, warum die Kontrakte der Länder mit den Impfmultis jahrelang der Geheimhaltung unterliegen.

Auch das brasilianische Gesundheitsministerium lehnte die Forderung nach Staatsvermögen als Kollateral für Pfizer ab. Ein/e Offizielle aus dem dritten Land, das wegen vertraglicher Verpflichtungen namentlich nicht  genannt werden darf, berichtete dem Bureau-Team, dass die Regierung nach dreimonatiger Verhandlung bei der Forderung nach umfassendem Schutz vor Haftbarkeit einknickte. Wir lesen:

«Einer der Gründe, warum die Regierung die Pfizer-Vakzine wollte, lag darin, dass das Unternehmen sagte, es könne rasch liefern. Aber im Vertrag wollte sich Pfizer das Recht reservieren, den Zeitplan zu ändern. Das war nicht verhandelbar. ‘Es war: take it or leave it’, sagte die/der Offizielle.»


[2] Interessanterweise führt der angegebene Link zum Bericht des Gesundheitsministeriums zur Meldung, die Seite existiere nicht (mehr). Dass der bekannte, für mehrere linke US-Medien tätige Journalist sich die Sache aus den Finger gesaugt hätte, ist höchst unwahrscheinlich. Offenbar hat die Administration Biden den Bericht der Trump-Ministeriums aus was immer für Gründen ersetzt.