(zas, 9.5.21) In Kolumbien brennt: Es geht nicht um eine «Steuerreform», es geht um Hunger und Würde erinnert uns der bekannte, in Frankreich exilierte Journalist Hernando Calvo Ospina, dass sich Proteste gegen die enorme Unterdrückungswelle dieser Tage in Kolumbien weniger gegen die dort Regierenden als vielmehr gegen den eigentlichen Boss im Land, den US-Präsidenten, richten sollten. Dazu ein paar Informationen.
«Ich bin der Typ, der Plan Colombia zusammengesetzt hat.» Der das sagte, sitzt nicht wegen Massenmords, sondern ist heute Präsident der USA. Und einer seiner damaligen Gehilfen, Juan González, ist jetzt im Nationalen Sicherheitsrat der Chef in Sachen Lateinamerika. Plan Colombia: Im Jahr 2000 verlogen als Drogenbekämpfungsprogramm gestartet, diente diese US-Strategie real einem weiteren staatsterroristischen Schub gegen den «inneren Feind». Uribe, der alte Pate der Paramilitärs, war der politische Exekutor dieses Plans.
Hernando Calvo Ospina betonte nicht vergeblich, wie John F. Kennedy von der Entwicklung des Paramilitarismus in Kolumbien angetan war. Vor sechs Jahren schrieben wir in diesem Blog:
«Angefangen hatte der Paramilitarismus vor der Gründung überhaupt der Guerillaorganisationen. 1962 examinierte der US-General William P. Yarborough die kommunistischen Tendenzen in Kolumbien und verschrieb dem Land die special warfare. Der General war ein Vertrauter des damaligen US-Präsidenten Kennedy und leitete das Special Warfare Center der US-Streitkräfte. Kennedy wollte keinen Krieg mit der Sowjetunion wegen Kuba, dafür verschrieb er sich ganz der „unkonventionellen Kriegsführung“ überall im Trikont. Zu seinem Vermächtnis gehören etwa die Zwangsumsiedlungen in Südvietnam von 5 bis 10 Millionen Bäuerinnen und Bauern, einem Viertel bis die Hälfte der Bevölkerung, in die fürchterlichen Wehrdörfer. Yarborough, damals einer der einflussreichsten Militärs in den USA, schrieb Kolumbien als dringende Kur gegen die sozialen, kommunistischen Bewegungen den Einsatz von paramilitärischen Organisationen vor.»
«Das ist keine paranoide Behauptung. Es lohnt sich sehr, z. B. das Buch Instruments of Statecraft (1992) von Michael McClintock, der für Organisationen wie Amnesty, Human Rights Watch und später Human Rights First geforscht hat, zu lesen. Ein Werk über die Entwicklung der US-Doktrin und Praxis des „irregulären Kriegs“ im globalen Süden. Für Kolumbien s. dazu das Kapitel The Heart of Doctrine.»
Das chavistische Portal Misión Verdad zitierte am 4. Mai folgende Passage aus dem letztes Jahr erschienenen Buch «Geopolítica imperial»:
«Die unheilvolle Mission Yarborough (1962) führte in Kolumbien die Ideologie des «inneren Feinds» ein, die «Methode, dem Fisch das Wasser zu entziehen», die Techniken der Beschattung, Repression und Folter von Oppositionellen, die Operationen des psychologischen Kriegs und die Begleitung der staatlichen Aufstandsbekämpfung mit dem paramilitärischen Söldnertum. Eine geheime nordamerikanische Mission (1960) berät die Schaffung des zivilen Geheimdienstes mit der konsequenten Einmischung in die Definition der Methoden, Ziele und Pläne, sowie dem offensichtlichen Zugang zu der Information betreffend nationale Sicherheit. Beim Entstehen der sogenannten Antidrogenpolizei in den 1980-er Jahren ist die ausdrückliche Beteiligung der USA manifest, ebenso bei der Entstehung des Escuadrón Móvil Antidisturbio (ESMAD, 2000) und der mit Ressourcen aus dem Plan Colombia finanzierten Schule der Berufsssoldaten (2000)».
ESMAD ist eine berüchtigte Spezialeinheit der Polizei; sie steht heute an vorderster Front im Versuch, die Bewegung niederzuschlagen.
Im erwähnten Bericht von Misión Verdad findet sich ein Hinweis auf den Artikel «Do U.S. policing programs help boost the militarization of foreign polive forces?» in der Washington Post vom letzten Juli. Darin beschreibt Benjamin Kenzer, der an der University of Ohio forscht, wie die US-Polizeibehörden gegen die Black Lives Matter-Mobilisierungen vermehrt militärische Mittel einsetzen, Ergebnis einer enger werden Kooperation der Streitkräfte und der Polizei. Er interpretiert das als Re-Import einer US-Strategie, die genau diese Kooperation in vielen Ländern der Welt über Ausbildungsprogramme etc. vorantreibt. Wir lesen:
«Der Jahresbericht Foreign Military Training Report
des Pentagons und des State Departments stellt alle öffentlich zugänglichen Angaben zu diesen Ausbildungsprogrammen für die Sicherheitskräfte zusammen. Während einige Informationen über ausländische Polizeihilfe der Geheimhaltung unterliegen, vor allem Angaben zu Ausbildung in NATO-Ländern und anderen amerikanischen Verbündeten, zeigen die verfügbaren Daten, dass die US-Finanzierung von ausländischer Polizeiausbildung von $ 4.3 Millionen im Jahr 2001 (…) auf $ 146 Millionen im Jahr 2018 gestiegen sind.»
Kenzer erwähnt, dass «beispielsweise die kolumbianische Polizei gemeinsames Operationstraining mit Mitgliedern des kolumbianischen Heeres und der Marine erhalten hat.»