Gestern Nacht in Rio

Montag, 31. Oktober 2022

 


Fimtipp: Midterm-Wahlen in den USA

Sonntag, 30. Oktober 2022

(zas, 30.10.22) Das Interesse am Wahlausgang vom 8. November liegt nicht daran, eine der beiden Machtparteien zu bevorzugen. Natürlich, die White-Power-Partei ist eh indiskutabel. Die andere Partei positioniert sich, entgegen grosser Teile ihrer eigenen Basis, als Kraft der kriegstreibenden liberalen «Mässigung».

Aber es gibt andere Gründe, genauer hinzuschauen. Selbst in Mainstreammedien hat sich, bei aller Verschönerungsakrobatik, rumgesprochen, dass in den USA Wahlen vielleicht nicht ganz koscher sind. 2000 hatte der Supreme Court eine Nachzählung der Stimmen in Florida mit dem eindrücklichen Argument verboten, diese könnte Bushs Recht auf die Präsidentschaft gefährden. 2013 hob der Supreme Court den alten Schutz für afroamerikanische Wahlberechtigte in den traditionell rassistischen Südstaaten auf, wonach das gliedstaatliche Wahlgesetz einer Antidiskriminierungsüberwachung der Bundesbehörden unterzogen wird. Seither grassieren viele neue Techniken der voter suppression, also des Wahlrechtsentzugs für bestimmte Segmente der Unterklassen, zusätzlich zu traditionellen, aber massiv ausgeweiteten Methoden des Stimmentzugs wie gerrymandering. Dazu gehören in republikanisch regierten Staaten etwa die massive Einschränkung der Briefwahl, die Schliessung Wahllokale gezielt in «Minority»-Wahlkreisen oder der Einsatz bewaffneter «poll watchers». Diese Militanten des Trumpismus lungern jetzt schon vor den (noch nicht in allen Staaten verbotenen) Spezialsammelstellen von Wahlzetteln von FrühwählerInnen herum, um zu «beobachten», ob jemand einen Wahlbetrug begehe. Ein von Trump ernannter US-Bezirksrichter schmetterte am 28. Oktober eine diesbezügliche Klage wegen Einschüchterung von Wählenden von zwei Wahlrechtsgruppen in Arizona ab. Beziehungsweise von einer, denn die hispanische Mitklägerin Voto Latino sei nicht klageberechtigt, da sie keine «finanzielle Beeinträchtigung» durch die Klagepunkte habe nachweisen können. Urteilbegründung: Einschüchterung? Nun, ja, wer weiss? Aber die Bewaffneten (aus der Qanon-verbandelten Gruppe) haben das Versammlungsrecht auf ihrer Seite (die Waffen wären in dieser Logik wohl so eine Art Brillenersatz). 

Masskierte poll watchers in Arizona. Bild: New York Times.

 Nun, diese vigilantes werden am 8. November ihr Recht auf bewaffnete Versammlungsfreiheit vor den Wahllokalen in vielen «Minority»-Bezirken wahrnehmen. Zusammen mit beziehungsweise als sogenannte vote challengers. Allein in Georgia hatten bei den letzten Präsidentschaftswahlen 88 solcher challengers präventiv die Wahlberechtigung von 250'000 Wahlberechtigten mit der falschen Begründung angefochten, sie lebten nicht mehr in Georgia. Der massgeblich an der Aufdeckung dieses Wahlrechtsklaus beteiligte Investigativjournalist Greg Palast meinte zu den Angegriffenen: Es sind «im Allgemeinen African Americans, Hispanics, Asians und junge Leute».

Diese wenigen Beispiele zeigen: Es geht um viel mehr als die nicht immer unwichtige Frage, wer Wahlen gewinnt. Es geht darum, dass bei den kommenden Wahlen Terror salonfähig wird. Und zwar Terror gegen jene, die in der Geschichte ohnehin kein Wahl-, also Mitspracherecht hatten. Wie das die rechtsextreme Mehrheit des Supreme Courts zur Begründung ihrer Einführung des Abtreibungsverbots erneut betont hat: von der Verfassung geschützte Rechte sind nur jene, die die Autoren der Verfassung nach dem Bürgerkrieg im Auge hatten. Dazu gehörte nicht das Recht der Frauen auf Selbstbestimmung. Und wie die folgenden hundert Jahre im Süden der USA zeigten, eigentlich auch nicht das Recht von Ex-SklavInnen mitzureden.

Zu diesem Thema gibt es für kurze Zeit einen Film gratis online zu sehen, «Vigilante» von Greg Palast. Der Streifen dauert eine Stunde und 10 Minuten, die aufzuwenden sich lohnt. Du siehst «challengers», die auf der Basis von mit Wahlausschlussabsichten zusammengestellten Listen Unmengen von ihnen völlig unbekannten Menschen vom Wahlrecht auszuschliessen; du siehst sie, zur Rede gestellt, ausflippen oder Ausflüchte stottern; du siehst auf der anderen Seite Opfer dieser Angriffe Menschen, wie sie bei der Schilderung ihrer Erlebnisse mit den Tränen ringen, den Oberst, dessen Vater ein enger Mitstreiter von Martin Luther King war, die Cousine von Martin Luther King, der bei den Midterms 2018 das Wahlrecht verneint wurde. Du siehst, wie lebendig die Erinnerung an die Civil Rights-Kämpfe bei diesen Leuten ist. Der Film handelt in Georgia, einem der Avantgarde-Labore für die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts. Ein berüchtigter Promotor der voter suppression, Brian Kemp, ist da Gouverneur. Wie einer seiner Vorfahren schon. Jener hatte die Sklaverei in Georgia, wo sie zuvor verboten war, eingeführt für seine riesigen Plantagen. Du siehst Kemp, umringt von anderen weissen Herren, bei einem Amtsgeschäft – vor dem Gemälde einer Plantage.

Kemp wurde in den Mainstreammedien als aufrechter Demokrat gefeiert, weil er Trump gesagt hatte, er können ihm die nötigen 11'000 Stimmen für ein Kippen des Resultats im Swing-State nicht besorgen. Real wollte sich der Mann seine Karriere nicht mit einem Knastaufenthalt verderben. 11'000 Stimmen? Er hatte während Jahren für die Wahlausschaltung von viel grösseren Bevölkerungssegmenten gesorgt. Und das mit Trump würde ihm nicht nochmals passieren. Er hat sich jetzt (auch für seine Wiederwahl) das Recht gezimmert, gewählte Mitglieder der Wahlbezirksorgane mit eigenem Personal zu ersetzen. Es wären diese Organe in entscheidenden Bezirken gewesen, die die Resultate hätten ablehnen sollen, damit Trump an seine 11'000 Stimmen gekommen wäre.

Im Film hörst du auch AktivistInnen davon reden, wie sie in den Communities Widerstand gegen die voter suppression organisieren. Ähnlich motiviert dürfte auch die massiv angestiegene Zahl von Frauenwahlregistrierungen sein. Denkbar dennoch, dass der neue Faschismus made in USA diese Wahlen gewinnt, nicht (nur) wegen seines gesteigerten Terrors, sondern auch wegen der militant antisozialen Praxis von Biden & Co. So oder so, der Angriff wird stärker werden.  Der Widerstand auch, weit über Wahlurnen hinaus.

Jenseits der medialen Propaganda: ein anderer Blick auf den Volksaufstand im Iran

Freitag, 28. Oktober 2022

 https://lowerclassmag.com/2022/10/28/jenseits-der-medialen-propaganda-ein-anderer-blick-auf-den-volksaufstand-im-iran/

Wichtige Informationen und Einschätzungen von links von Bahram Ghadimi und Shekoufeh Mohammadi.

Mexiko: Staat entschuldigt sich für Versagen bei Verfolgung des Mordes an Digna Ochoa

Montag, 24. Oktober 2022

 

Digna Ochoa im März 2000 bei einer Veranstaltung in Hamburg
Digna Ochoa im März 2000 bei einer Veranstaltung in Hamburg

Mexiko-Stadt. 21 Jahre hat es gedauert, bis der mexikanische Staat anerkannt hat, dass die Menschenrechtsanwältin Digna Ochoa y Plácido ermordet wurde und keinen Selbstmord begangen hat, wie die Behörden in Mexiko-Stadt damals entschieden.

Trotz vorangegangener Morddrohungen, unter anderem aus Militärkreisen, sowie Kampfspuren am Tatort kamen die Ermittlungsbehörden zu dem Schluss, dass es sich um einen Selbstmord gehandelt habe. Die Generalstaatsanwaltschaft, die wiederholt von einer Strafverfolgung absah, bestätigte dies dreimal.

Der Staatssekretär für Menscherechte des Innenministeriums, Alejandro Encinas, entschuldigte sich im Namen des Staates öffentlich bei der Familie der Anwältin, die genau 21 Jahre vor diesem Akt, am 19. Oktober 2001, in ihrem Büro in Mexiko-Stadt durch einen Kopfschuss getötet wurde.

Encinas begründete die Entschuldigung mit den Worten "weil der mexikanische Staat nicht in der Lage war, ihre Sicherheit und persönliche Unversehrtheit zu garantieren, und weil er ihr keinen uneingeschränkten Zugang zur Justiz gewährte". Zudem gab er die mangelhafte Anwendung von Fachprotokollen und das Fehlen eines ordnungsgemäßen Verfahrens zu.

Die öffentliche Entschuldigung ist eine der 15 Punkte des Urteils des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (IACHR) vom November 2021, nach zwölf Jahren Dauer dieses internationalen Verfahrens (amerika21 berichtete).

Die Anwält:innen Karla Micheel Salas y David Peña von der "Aktionsgruppe für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit" erinnerten daran, dass das Urteil des Gerichtshofs im Fall Ochoa, die soziale Aktivist:innen in Chiapas und Guerrero vertrat, auch die Wiederaufnahme der strafrechtlichen Untersuchung in Mexiko beinhaltet.

Pikant an dem symbolischen Fall ist, dass die Exponenten der damaligen Untersuchungsbehörden von Mexiko Stadt, welche die Selbstmordthese stützten, heute weiterhin als Vertreter:innen der Mitte-links Partei Morena amtieren.

Der investigative Journalist Diego Enrique Osorno benennt die Aktivitäten von Ochoa in Guerrero als mögliche Motive. Wenige Tage vor ihrer Ermordung war sie in Bergen von Petatlán unterwegs, wo sie Waldverteidiger vertrat, die von der mexikanischen Armee gefoltert wurden. Zudem beschuldigte sie lokale Kaziken des Raubbaus an den Wäldern.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens sollte jetzt zwei Jahrzehnte nach dem Mord endlich Aufklärung bringen. "Digna Ochoa ist nicht tot, sie ist lebendiger denn je und fordert Gerechtigkeit", sagte ihr Bruder Jesús Ochoa anlässlich der Zeremonie der öffentlichen Entschuldigung des Staates.

Senat in Chile stimmt für transpazifisches Freihandelsabkommen

Mittwoch, 19. Oktober 2022

 https://amerika21.de/2022/10/260564/chile-ratifiziert-transpazif-freihandel

 

Chile / Politik / Wirtschaft

Senat in Chile stimmt für transpazifisches Freihandelsabkommen

Präsident Gabriel Boric, früher ein entschiedener TPP-11-Gegner, kündigt Ratifizierung an und rechtfertigt Sinneswandel mit Staatsräson

Santiago. Das umstrittene transpazifische Freihandelsabkommen TPP-11 (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership) ist am 11. Oktober vom chilenischen Senat mit den Stimmen der oppositionellen Mehrheit angenommen worden. Zuvor war die Abstimmung aufgrund des starken Widerstands der Bevölkerung während der Revolte im Oktober 2019 und des anschließenden Verfassungsprozesses jahrelang verschoben worden.

Damit hat Chiles Parlament als letztes der elf Vertragsstaaten (Australien, Brunei, Chile, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam), das TPP-11 beschlossen. Dieses soll nach Aussagen des chilenischen Wirtschaftsministeriums die wirtschaftliche Integration durch einen gemeinsamen Rechtsrahmen erleichtern und ein "nachhaltiges Wachstum" fördern. Es gilt als das drittgrößte Handelsabkommen der Welt.

Präsident Gabriel Boric ‒ früher ein vehementer Gegner des Freihandelsabkommens ‒ betonte in einem Radiointerview die Bedeutung dieses Vertrages für die Zukunft des Handels, da der Pazifikraum heute "das Zentrum der Welt" sei.

Nachdem die Abgeordnetenkammer des Nationalkongresses bereits im April 2019 für das von Ex-Präsidentin Michelle Bachelet 2018 abgeschlossene Abkommen gestimmt hatte, wurde nun entgegen den Erwartungen Vieler die Abstimmung im Senat angesetzt. Zahlreiche Sozial- und Umweltorganisationen hatten Boric zuvor aufgefordert, die ihm durch die Geschäftsordnung des Senats eingeräumten Befugnisse zu nutzen, um das Abkommen zurückzuziehen.

Gegner:innen wie der Vorsitzende der Gewerkschaft Industrial Chile, Horacio Fuentes, kritisieren den Freihandelsvertrag als "sehr gefährlich, weil er die Entwicklung des Landes gefährdet, die Souveränität aufgibt und dazu verdammt, das neoliberale, extraktivistische und rentenorientierte Modell beizubehalten". Mit Blick auf die zu erwartenden Folgen für die Arbeitsbedingungen und die Umwelt befürchtet Senatorin Yasna Provoste zudem, dass sich Chile damit "dem Fortschritt verschließt und den transnationalen Konzernen garantiert, dass sich in Zukunft nichts ändern wird."

Nach der Zustimmung der Abgeordnetenkammer 2019 gab es starke Proteste, bei Demonstrationen kam es in mehreren Städten zur Errichtung von Barrikaden, Polizeirepression und zahlreichen Festnahmen.

Der Großteil der Inhalte des Abkommens war für die Öffentlichkeit unzugänglich, das änderte sich erst durch Veröffentlichungen von Wikileaks (2013 und 2015). Zu den geplanten Maßnahmen zählen demnach die Flexibilisierung von Arbeits- und Umweltregulierungen, der ungehinderte Finanzfluss und die Einschränkung der Subventionierung von Staatsunternehmen. Außerdem sollen internationale Konzerne Klagen gegen chilenische Unternehmen vor einem Schiedsgericht einreichen und damit die nationale Justiz umgehen können.

Lokale und indigene Organisation sprechen sich ebenfalls gegen das Abkommen aus. Die Vereinbarung würde im Bereich der Landwirtschaft die Privatisierung des nationalen Saatguts fördern und die bäuerliche Produktion schwächen, um großen transnationalen Agrarproduzenten Vorteile zu verschaffen.

Auch wenn die Ratifizierung durch den Präsidenten für das endgültige Inkrafttreten noch aussteht, deuten die Äußerungen von Seiten der Regierung trotz zahlreicher Kritik nicht darauf hin, dass diese verweigert wird.

Obwohl Außenministerin Antonia Urrejola betont, dass sich der Präsident "die nötige Zeit nehmen wird", um Zusatzvereinbarungen abzuschließen, erklärte Boric bereits, seine Regierung werde "die Souveränität des Kongresses respektieren und den Auftrag, den wir von dort erhalten haben, erfüllen." Er wolle nicht "in einen Krieg" mit dem Senat eintreten, denn seine Regierung brauche ihn, um die Steuerreform und die Rentenreform zu verabschieden. Seine Regierungskoalition ist weit entfernt von einer Mehrheit in den beiden Parlamentskammern.

Boric, der 2019 als Abgeordneter im Parlament selbst gegen das Freihandelsabkommen stimmte, verteidigte seine Entscheidung und rief dazu auf, "aus der Karikatur herauszukommen". Er betonte, dass seine "Pflicht als Präsident" darin bestehe, "die Interessen Chiles zu schützen, und genau das tun wir". Man müsse sich der wirtschaftlichen Bedeutung von TPP-11 bewusst werden.

Des Weiteren erklärt er seinen Richtungswechsel mit dem Ausstieg der USA aus dem Abkommen und dem Beitritts Kanadas, welches einige Aspekte verändert hätte, "die am kritischsten waren und gegen die damals mobilisiert wurde". Allerdings hatten sich die USA bereits 2017 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem Freihandelsabkommen zurückgezogen.

Es gebe weiterhin "kritische Punkte", räumte Boric ein, etwa der Streitbeilegungsmechanismus. Die vorgesehenen Schiedsgerichte, die für Konflikte zwischen Investoren und Staaten geschaffen werden, "schränken aus unserer Sicht die Souveränität der Staaten bei der Entwicklung strategischer Maßnahmen ein".

Seine Regierung bemühe sich indes um entsprechende Zusatzvereinbarungen. Mit Mexiko und Neuseeland, habe man sich bereits geeinigt, mit Peru gebe es Fortschritte und "wir hatten ein interessantes Gespräch mit Australien und Vietnam", so der Staatschef.

[rojavaagenda] Newsletter Nr. 40: Veranstaltung FR 28.10. in Zürich Die Festung Europa, der Aggressor Türkei und die Hoffnung Rojava

 Liebe Freund_innen und Genoss_innen

Unsere nächste Veranstaltung im Rahmen unserer 10 Jahre Rojava Veranstaltungsreihe steht an. Diesmal mit Kerem Schamberg.
Auf der Veranstaltung wird beleuchtet, wie die Türkei als «Türsteher» von Europa dafür bezahlt wird, Menschen daran zu hindern nach Europa zu fliehen. Und sie gleichzeitig durch ihre Kriegspolitik gegen Rojava eine Vielzahl von Menschen überhaupt erst zur Flucht zwingt – ein lukratives Geschäft. Menschen, die es dennoch Richtung Europa schaffen, sind an der griechisch-türkischen Grenze von Pushbacks, Gewalt und Kriminalisierung betroffen. Die Brutalisierung des Status Quo lässt sich in der Türkei als auch in der Europäischen Union beobachten. Die EU schottet sich ab, um ihre kapitalistische Produktionsweise und die damit verbundene imperiale Lebensweise so lange wie möglich aufrechtzuerhalten.
Kerem Schamberger ist Aktivist und Referent für Flucht und Migration bei medico international.
Wir freuen uns auf euch!
Freitag, 28.10.22, 19:00 Uhr, Universität Zürich, Raum: KOL-E-18, Rämistr. 71, Zürich

DEMO am Welt Kobanê Tag
Der 1. November ist der internationale Welt Kobanê Tag - ein Tag des Widerstands. Die Stadt Kobanê in Rojava wurde 2014 dank des Widerstandes Tausender kurdischer Kämpfer:innen und der internationalen Solidarität vom grausamen IS befreit. Der grosse Kampf gegen den IS ging bis 2017 weiter, bis die weiteren Teile von Rojava und Syrien befreit wurden. 2018 und 2019 hat der Unterstützer des IS, das faschistische Erdogan-Regime Städte in Rojava besetzt. Die Angriffe der Türkei dauern ununterbrochen an. Es reicht. Jetzt ist die Zeit der Befreiung Rojavas von türkischer Besatzung! Lasst uns gemeinsam unserer Solidarität mit den kämpfenden Menschen Rojavas Ausdruck verleihen und am 1. November, dem Welt Kobanê Tag auf die Strassen gehen!
Dienstag, 01.11.2022, 18:30 Uhr, Werdmühleplatz, Zürich

Derweil häufen sich die Angriffe mit Chemiewaffen durch die Türkei, insbesonder in Südkurdistan – und die Schweiz sowie die Nato-Staaten schweigen beharrlich dazu. Das Volksverteidigungszentrum (Navenda Parastina Gel – NPG) veröffentlichte heute die Namen von 17 bei Chemiewaffenangriffen gefallenen Guerillakämpfer:innen in Südkurdistan und wirft der internationalen Gemeinschaft vor, Verantwortung für die Ausweitung der Chemiewaffeneinsätze der Türkei zu tragen: https://anfdeutsch.com/aktuelles/npg-veroffentlichen-namen-von-17-durch-chemiewaffen-gefallenen-34495. Eine Delegation der ärztlichen Friedensorganisation IPPNW war Ende September vor Ort und hat einen Bericht veröffentlicht. Sie fordert eine sofortige, unabhängige internationale Untersuchung, um dem Verdacht weiter nachzugehen und künftige Verletzungen des Chemiewaffenverbotes durch die Türkei mit Massnahmen im Rahmen der Vereinten Nationen zu verhindern (https://anfdeutsch.com/aktuelles/ippnw-veroffentlicht-bericht-zu-chemiewaffeneinsatzen-im-nordirak-34403 - und der Bericht auf Englisch befindet sich hier: https://www.ippnw.de/commonFiles/bilder/Frieden/2022_IPPNW_Report_on_possible_Turkish_CWC_violations_in_Northern_Iraq.pdf).
Die Kampagne Defend Kurdistan ruft zu weltweiten Aktionen zwischen dem 30. November – der UN-Gedenktag für alle Opfer chemischer Kriegsführung – und dem 3. Dezember auf: https://defend-kurdistan.com/deutsch-wir-sehen-eure-verbrechen/

Nach dem Mord an der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini (Jîna Emînî) durch die iranische Polizei breiten sich in Rojhelat (Ostkurdistan) und in ganz Iran Proteste aus, der Aufstand dauert mittlerweile vier Wochen an. Der Journalist und Aktivist Pedram Zarei fragt sich, was das Besondere am kurdischen Aufstand im Iran ist und was man aus den Erfahrungen der mutigen Frauen und Männer in einem faschistoid-theokratischen System für die hiesigen Kämpfe lernen kann? «Die kurdische und derweil auch die iranische Bewegung lehrt die ganze Welt, dass die Befreiung nur durch das Zusammendenken von Geschlecht, Ethnie und Klasse zu erreichen ist. Sie praktizieren das berühmte Gedicht von Nazim Hikmet, dem kurdisch-türkischen Dichter, Leben wie ein Baum, einzeln und frei, und geschwisterlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht» (https://lowerclassmag.com/2022/10/14/iran-massenaufstaende-gegen-patriarchat-und-klassenherrschaft/)
Die Rote Welle führte am 27. September ein Interview mit zwei Aktivist:innen der iranischen Widerstandsbewegung: Ida und Meytham sprechen und einen Überblick über den Hintergrund und die Bedeutung der aktuellen Aufstände gewinnen. Das Interview (Englisch und Persisch) kann hier gehört werden: https://soundcloud.com/rotewellezuerich/iran-die-frauen-an-vorderster-front-eines-gemeinsamen-kampfes?utm_source=clipboard&utm_campaign=wtshare&utm_medium=widget&utm_content=https%253A%252F%252Fsoundcloud.com%252Frotewellezuerich%252Firan-die-frauen-an-vorderster-front-eines-gemeinsamen-kampfes – die Inhalte wurden in einem Artikel auf Deutsch aufbereitet: https://www.aufbau.org/2022/10/03/iran-die-frauen-an-vorderster-front-eines-gemeinsamen-kampfes/
In der Sendung Çira Fokus vom 22. September analysierte die politische Soziologin und Aktivistin Dilar Dirik ebenfalls die Situation im Iran, sowie die aktuellen Entwicklungen in der Türkei und in Nordostsyrien. Sie stellt ausserdem ihr Buch (auf Englisch erschienen) zur kurdischen Frauenbewegung vor: https://www.youtube.com/watch?v=7TVyopS9Pj4&list=PL6P1E13_gg5kmaL3iSN_xQcANh0xZT6RV&index=2  

Wer übrigens die spannende Veranstaltung von letztem Monat verpasst hat, kann hier immerhin ein Interview dazu hören: https://soundcloud.com/radio_lora/interview-uber-das-buch-briefwechsel-mit-gisela-dutzi-von-info-lora. Das Buch «Briefwechsel», in welchem der Austausch zwischen Christa Eckes von der RAF und Hüseyin Çelebi der PKK dokumentiert ist, ist momentan vergriffen aber wir nehmen gerne Bestellungen auf.

Und zum Schluss noch ein erfreuliches Update zu einer leidigen Sache: Andi wurde am. 10. Oktober freigesprochen. Juristisch ging es um den Angriff gegen das türkische Generalkonsulat in Zürich 2017: https://www.aufbau.org/2022/10/17/zur-berufung-im-prozess-gegen-andi/

Mit solidarischen und kämpferischen Grüssen
Rojava Komitee Zürich

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Modern Times

Dienstag, 18. Oktober 2022

 «Die Entdämonisierung der Atomwaffen» (NZZ)

(zas, 18.10.22) Die NZZ brachte es gestern fertig, eine Seite ihres Armeeschreibers, Häsler, mit dem Titel «Die Entdämonisierung der Atomwaffen» zu publizieren. Seiner vielen Sätze kurzer Sinn: Die real lauernde Gefahr im Zusammenhang mit der Ukraine besteht darin, nicht alles für den Sieg über Russland einzusetzen. Denn dann würden alle anderen von Moskau bedrohten Länder nolens volens auf eine eigene atomare Bewaffnung setzen. Viel produktiver also, den Krieg aufzuheizen. Und eingebunden in die westliche Beruhigungskampagne angesichts der Angst vor einem Atomkrieg lesen wir, dass der technisch und militärisch dem Westen unterlegene Kreml zwar im Mafiastil mit der Atomwaffe drohen, aber sie faktisch kaum einsetzen kann. Allerdings gilt: «Gefährlich in allen Fällen wäre eine Uneinigkeit unter den NATO-Staaten». Da ist etwa Macron, der die Force de Frappe «nicht für einen Gegenschlag gegen Russland zur Verfügung» stellen will. Wir kapieren: Genau solch unverantwortliches Tun – nein zum Atomwaffeneinsatz - würde die Nonproliferation der Atomwaffen gefährden.

Lassen wir, dass die einen Schurken nur die anderen an den Pranger stellen, um jeweils die «eigene» Bevölkerungen auf Krieg zu dressieren. Natürlich ist es unerträglich, dass die russische Seite wiederholt mit ihren Atomwaffen droht. Plump spricht sie aus, von Putin runter, was bei allen Atommächten selbstverständlich ist: Die Bomben werden eingesetzt zur Vergeltung eines erlittenen Atomwaffenangriffs oder bei existentieller Gefährdung des Staates. (Und lassen wir, dass Washington mehrmals ernsthaft, wie zum Beispiel im Vietnamkrieg, atomare First-Strike-Szenarien durchspielte.)

Doch was bringt das helvetisch Leibblatt von Kapital und Armee dazu, von «Entdämonisierung der Atomwaffen» zu sprechen? Diese waren also «dämonisiert», sprich, ihr Einsatz galt als undenkbar. Damit waren sie, klagt die neue, der «Naivität entwachsene Vernunft», unnütz. So sehr man sich hinter Putin versteckt, so sehr man in alter bellizistischer Tradition versichert, die eigene atomare Schärfe diene einzig dem Zweck, sie nicht einsetzen zu «müssen», die Wortwahl ist verbrecherisch.

Es gibt viele Putins.

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Europa der Garten, vom Dschungel bedroht (EU)

Anlässlich der Einweihung einer neuen EU-DiplomatInnenschule im belgischen Brügge am letzten Donnerstag vermittelte der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell dem künftigen Corps europäische Grundwerte:

«Brügge ist ein gutes Beispiel für den europäischen Garten. Ja, Europa ist ein Garten. Alles funktioniert. Er stellt die beste Kombination von politischer Freiheit, wirtschaftlichem Wohlstand und sozialem Zusammenhalt dar, die die Menschheit erzielen konnte (…) Der Rest der Welt ist nicht gerade ein Garten. Der Grossteil des Rests der Welt ist ein Dschungel, und der Dschungel könnte in den Garten eindringen. Die GärtnerInnen sollten diesbezüglich Sorge tragen, aber sie werden den Garten nicht mit dem Bau von Mauern schützen (…) Denn der Dschungel kann schnell wachsen und die Mauer wird nie hoch genug sein, um den Garten zu schützen.»

Das geht an die Adresse der VulgärrassistInnen (schliesslich haben wir Arbeitskräftemangel in Europa). Die Lösung:

«Die GärtnerInnen müssen zum Dschungel gehen. EuropäerInnen müssen sich sehr viel stärker in der Welt engagieren. Sonst wird uns der Rest der Welt in der einen oder anderen Form invadieren.»

Dann kommt er auf ein ihm besonders am Herzen liegendes Anliegen:

«Ich möchte Ihnen sagen, dass ich glücklich bin, bei etwas, was man ein «Moment der Schöpfung» nennen kann, dabei zu sein. Die Worte, «an einer Schöpfung dabei zu sein», hat vor vielen Jahren einer der bedeutendsten Diplomaten gesagt. George Kennan – in seinen Memoiren. Und diese Memoiren gelten gelten weiter als der beste Insiderbericht über das Framing der Nachkriegpolitik der USA nach dem 2. Weltkrieg. Jetzt sind der Kalte Krieg und der Post-Kaltekrieg definitiv vorbei. Der Postkaltekrieg hat mit dem Ukrainekrieg geendet, mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Und wir erleben definitiv auch ein «Moment der Schöpfung». Dieser Krieg wird eine neue Europäische Union schaffen. »

Zur Drohung eines Atomschlags:

«Putin sagt, er bluffe nicht. Nun, er kann es sich nicht leisten zu bluffen (…) Jeder Atomschlag gegen die Ukraine wird eine Antwort erzeugen, keine atomare, aber eine militärisch so starke, dass die russische Armee vernichtet wird. Putin sollte nicht bluffen.»

En passant benörgelt er auch die zeitraubende Kontrolle der Schiffe mit Exportnahrungsmitteln aus der Ukraine, die Menschenleben koste. Dann kommt er auf den grossen Unterschied:

«Es gibt einen grossen Unterschied zwischen Europa und dem Rest der Welt – Rest der Welt, Sie verstehen, was ich meine? – wir haben starke Institutionen. Institutionen sind das Wichtigste für die Lebensqualität der Leute. Der grosse Unterscheid zwischen entwickelt und nicht entwickelt liegt nicht in der Wirtschaft. Er liegt in den Institutionen. Hier haben wir ein neutrales, unabhängiges Justizsystem. Hier haben wir ein System zur Einkommensverteilung. Hier haben wir freie Wahlen. Hier haben wir Verkehrsampeln zur Regelung des Verkehrs und Leute, die den Müll wegräumen.»

Institutionen aber müssen die «aufstrebenden Länder» selber entwickeln, das kann nicht er machen, sonst wäre es Neo-Kolonialismus. Den Begriff verwendet Borrell tatsächlich.

Identität:

«Identität ist heute das wirkliche Schlachtfeld. Identität wird wieder zum mächtigen Thema. Erinnern Sie sich, was mal einer gesagt hat: ‘It’s the economy, stupid’? Jetzt gilt ‘it’s the identity, stupid’. Identität kann manipuliert werden als etwas, das verschlossen ist: ‘Meine Identität ist unvereinbar mit deiner. Entweder du oder ich’. Dieses ‘entweder du oder ich’ führt zu Krieg. Die Schönheit der europäischen Erfahrung liegt im ‘du und ich’, das das Erbe der Vergangenheit überwindet und der Welt das Rezept für eine friedliche Koexistenz, Kooperation, Integration und Entwicklung gibt (...) Meine Erfahrung beim Herumkommen in der Welt ist, dass die Menschen auf uns als einen Leuchtturm blicken.»

 Also:

«Schauen Sie dem Garten, seien Sie gute GärtnerInnen. Aber Ihre Pflicht wird nicht sein, für den Garten selbst zu sorgen, sondern für den Dschungel ausserhalb»

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Solche Figuren transportieren den Marschtakt. Der Militarist in der Zeitung, der modern geliftete Conquistador in Brüssel.Und wir sollen's schlucken?

Haiti: Die neue Invasion gibt sich erneut humanitär

Samstag, 15. Oktober 2022

 amerika21-Artikel und Nachtrag

 
US-Delegation in Haiti, massive landesweite Proteste gegen ausländische Intervention
Explosive Situation im Land. Regierung wartet auf Militärhilfe, die von einer großen Mehrheit abgelehnt wird. Cholera breitet sich weiter aus
Zu großen Protesten im ganzen Land hat die Forderung Henrys nach ausländischer Militärintervention geführt
Zu großen Protesten im ganzen Land hat die Forderung Henrys nach ausländischer Militärintervention geführt

Port-au-Prince. Nach der Forderung der amtierenden, aber nicht gewählten Regierung von Haiti nach einer ausländischen Militärintervention hat eine hochrangige US-Delegation das krisengeschüttelte Land besucht.

Unter Leitung des Staatssekretärs für die westliche Hemisphäre, Brian A. Nichols, sprachen die Gesandten mit dem amtierenden Präsidenten Ariel Henry und Geschäftsleuten.

Zudem fanden Treffen mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Organisationen statt, laut Nichols "um die dringende Notwendigkeit zu erörtern, den Ausbruch der Cholera und die Treibstoffblockade zu bekämpfen, die die humanitäre Hilfe behindern." Alle Beteiligten müssten dringend "einen Konsens über ein Abkommen finden, das zu mehr Sicherheit, Wahlen und Wohlstand für alle Haitianer führt", schrieb er auf Twitter.

Der Delegation gehörte neben Funktionären aus dem Weißen Haus und dem Pentagon auch der stellvertretende Kommandant des United States Southern Command Andrew Croft an. Das Southcom ist das für Lateinamerika und die Karibik zuständige Regionalkommandozentrum der US-Streitkräfte und verantwortlich für die Koordination und Führung aller militärischen Operationen der USA in der Region.

Unmittelbar nach dem Kabinettsbeschluss, der Henry autorisierte, die internationale Gemeinschaft um Militärhilfe zu ersuchen, kam es in mehreren Städten Haitis zu massiven Demonstrationen, die seinen Rücktritt forderten und sich gegen jegliche Militärintervention von außen richteten. Unter Parolen wie "Weg mit Ariel, weg mit den Verrätern, keine Besatzung, keine Intervention" und "Haltet die Waffen bereit, die Revolution beginnt", füllten die Menschen die Straßen.

Die Polizei setzte laut Medienberichten Tränengas und scharfe Munition ein. In Cap Haitien eröffnete die Polizei das Feuer auf den Demonstrationszug. Dabei kam der 29-jährige Straßenhändler Frantz Jacques ums Leben, vier Menschen erlitten Schussverletzungen. Protestierende griffen daraufhin Unternehmenssitze an und verwüsteten die Filiale der Unibank.

Nichols mit zwei Mitgliedern der Monatana-Gruppe, die "Militärhilfe" strikt ablehnt
Nichols mit zwei Mitgliedern der Monatana-Gruppe, die "Militärhilfe" strikt ablehnt

Vertreter der Montana-Gruppe ‒ ein seit über einem Jahr bestehendes breites Bündnis vieler zivilgesellschaftlicher Akteure und Akteurinnen ‒ machten den US-Delegierten ebenfalls ihre Ablehnung weiterer Militär- und Polizeieinsätze in Haiti deutlich. Sie verwiesen auf die katastrophalen Folgen früherer Einsätze und erklärten, die chaotische Situation in Haiti hänge sehr stark "mit der internationalen Bevormundung des Staates und der Einführung eines Wirtschaftssystems, das auf Renten, Korruption und der kriminellen Gewalt der Korruption beruht" zusammen.

Um das "Klima des Terrors, das von bewaffneten Gruppen ungestraft verbreitet wird", dauerhaft zu beenden, müssten die Sicherheits- und nationalen Institutionen gestärkt werden. Das Bündnis befürwortet daher technische und logistische Hilfe, um die Nationale Polizei zu stärken. Zwingend erforderlich sei jedoch "eine politische Lösung, die auf einen radikalen Bruch der Verbindungen zwischen den politischen Mächten, dem mafiösen Wirtschaftssektor und den bewaffneten Banden abzielt."

Die Montana-Gruppe hatte Anfang August beschlossen, nach wochenlangen Gesprächen die Verhandlungen mit der amtierenden Regierung auszusetzen. Als Grund nannten sie deren fehlenden "echten Willen", einen breiten Konsens zur Lösung der sozialen und politischen Krise zu erzielen.

Auch mehrere Gewerkschaften und Interessensverbände, etwa von ehemaligen Soldaten, erklärten ihre strikte Ablehnung einer Intervention. "Wir fordern das Volk auf, wachsam zu bleiben und die Mobilisierungen gegen jede Form der Besetzung fortzusetzen", heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Gewerkschaften.

In Haiti breitet sich unterdessen die Cholera weiter aus. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums vom Donnerstag sind 18 Menschen in Kliniken daran gestorben, während 32 weitere positiv getestet wurden. 215 Personen, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden, wiesen Symptome der Krankheit auf. Zudem gibt es 266 Verdachtsfälle, ein Viertel davon betrifft laut WHO Kinder unter fünf Jahren. Neun Todesfälle, zwei bestätigte Cholerainfektionen und 39 weitere Verdachtsfälle wurden im Gefängnis von Port-au-Prince gezählt.

USCG Cutter Northland der US-Küstenwache patrouilliert mit in der Nähe von Port-au-Prince
USCG Cutter Northland der US-Küstenwache patrouilliert mit in der Nähe von Port-au-Prince

Auch begründet mit dem Cholera-Ausbruch hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, die Internationale Gemeinschaft und den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, die "sofortige Entsendung einer internationalen Spezialtruppe zur Bewältigung der humanitären Krise" in Haiti in Betracht zu ziehen. Die haitianische Regierung hatte ihr Gesuch auch direkt an ihn gerichtet.

Außenminister Antony Blinken kündigte am Mittwoch Sanktionen in Form von Visabeschränkungen gegen Mitglieder bewaffneter Gruppen an. Als "zusätzliches Zeichen der Entschlossenheit und Unterstützung des haitianischen Volkes" wurde eines der größten Schiffe der US-Küstenwache entsandt, um auf Ersuchen Henrys vor der Küste von Port-au-Prince zu patrouillieren, so eine Pressemitteilung des Außenministeriums.

Unterdessen verhandelt die Regierung Henry weiter mit der Föderation der G-9-Gruppen, die seit dem 12. September das zentrale Treibstoffdepot des Landes blockiert. Wie Jean Rebel Dorcénat, Präsident der Nationalen Kommission für Entwaffnung und Wiedereingliederung, am Donnerstag informierte, fordern sie die Rücknahme der Preiserhöhung für Kraftstoffe, eine Amnestie und die Beteiligung an der Regierungsbildung. Dorcénat erklärte, er verhandle mit ihnen, um die Einrichtung eines humanitären Korridors zur Versorgung von Krankenhäusern und anderen wichtigen Einrichtungen zu ermöglichen. Sie ließen sich offenbar nicht von der Forderung der Regierung nach internationalen Truppen zu ihrer Bekämpfung beeindrucken, so der Funktionär.

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(zas, 15.10.22) Nachtrag: USA wollen Schnelle Eingreiftruppe

Gestern informierte der Miami Herald:

Die USA entwarfen eine Resolution des UNO-Sicherheitsrates, die die «sofortige Entsendung einer multinationalen schnellen Eingreiftruppe» nach Haiti postuliert. (…) Eine mit dem Entwerfen der Resolution vertraute US-Quelle sagte, die multilaterale Truppe wurde nicht unter Aufsicht der UNO stehen oder nach Kapitel VII der UNO-Charta zusammengestellt werden, welches den Einsatz von Gewalt zur Friedenserhaltung erlaubt. (…)

Letzte Woche schlug [UNO-Generalsekretär António] Guterres vor, dass Haiti und andere Nationen oder transnationale Organisationen eine schnelle Eingreiftruppe aufstellen sollen, die mittelfristig von einer UN-Truppe ersetzt werden solle. Es bleibt unklar, wer die multilaterale Truppe leiten solle, aber die USA, Kanada und Frankreich – drei Länder mit einer langen Geschichte von Engagement in Haiti – haben in den letzten Tagen ihre Skepsis ausgedrückt.