Mexiko-Stadt. 21 Jahre hat es gedauert, bis der mexikanische Staat anerkannt hat, dass die Menschenrechtsanwältin Digna Ochoa y Plácido ermordet wurde und keinen Selbstmord begangen hat, wie die Behörden in Mexiko-Stadt damals entschieden.
Trotz vorangegangener Morddrohungen, unter anderem aus Militärkreisen, sowie Kampfspuren am Tatort kamen die Ermittlungsbehörden zu dem Schluss, dass es sich um einen Selbstmord gehandelt habe. Die Generalstaatsanwaltschaft, die wiederholt von einer Strafverfolgung absah, bestätigte dies dreimal.
Der Staatssekretär für Menscherechte des Innenministeriums, Alejandro Encinas, entschuldigte sich im Namen des Staates öffentlich bei der Familie der Anwältin, die genau 21 Jahre vor diesem Akt, am 19. Oktober 2001, in ihrem Büro in Mexiko-Stadt durch einen Kopfschuss getötet wurde.
Encinas begründete die Entschuldigung mit den Worten "weil der mexikanische Staat nicht in der Lage war, ihre Sicherheit und persönliche Unversehrtheit zu garantieren, und weil er ihr keinen uneingeschränkten Zugang zur Justiz gewährte". Zudem gab er die mangelhafte Anwendung von Fachprotokollen und das Fehlen eines ordnungsgemäßen Verfahrens zu.
Die öffentliche Entschuldigung ist eine der 15 Punkte des Urteils des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte (IACHR) vom November 2021, nach zwölf Jahren Dauer dieses internationalen Verfahrens (amerika21 berichtete).
Die Anwält:innen Karla Micheel Salas y David Peña von der "Aktionsgruppe für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit" erinnerten daran, dass das Urteil des Gerichtshofs im Fall Ochoa, die soziale Aktivist:innen in Chiapas und Guerrero vertrat, auch die Wiederaufnahme der strafrechtlichen Untersuchung in Mexiko beinhaltet.
Pikant an dem symbolischen Fall ist, dass die Exponenten der damaligen Untersuchungsbehörden von Mexiko Stadt, welche die Selbstmordthese stützten, heute weiterhin als Vertreter:innen der Mitte-links Partei Morena amtieren.
Der investigative Journalist Diego Enrique Osorno benennt die Aktivitäten von Ochoa in Guerrero als mögliche Motive. Wenige Tage vor ihrer Ermordung war sie in Bergen von Petatlán unterwegs, wo sie Waldverteidiger vertrat, die von der mexikanischen Armee gefoltert wurden. Zudem beschuldigte sie lokale Kaziken des Raubbaus an den Wäldern.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens sollte jetzt zwei Jahrzehnte nach dem Mord endlich Aufklärung bringen. "Digna Ochoa ist nicht tot, sie ist lebendiger denn je und fordert Gerechtigkeit", sagte ihr Bruder Jesús Ochoa anlässlich der Zeremonie der öffentlichen Entschuldigung des Staates.