„Gaza ist ein Friedhof für Tausende von Kindern geworden“

Dienstag, 31. Oktober 2023


(zas, 31. 10. 23) Das sagte heute Unicef-Sprecher James Elder an einer Pressekonferenz im Genfer Palais des Nations:

„Unsere schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der gemeldeten Zahl der getöteten Kinder, die sich innerhalb von nur zwei Wochen auf Dutzende, dann auf Hunderte und schliesslich auf Tausende belaufen, haben sich bewahrheitet. Die Zahlen sind erschreckend: Berichten zufolge sind mehr als 3‘450 Kinder getötet worden, und diese Zahl steigt jeden Tag beträchtlich an.“

Und zur Verdeutlichung sagte er:

„„Gaza ist ein Friedhof für Tausende von Kindern geworden. Für alle anderen ist es die Hölle auf Erden.“

Der Unicef-Sprecher vermittelt eine weitere bittere Wahrheit:

"Doch die Bedrohung für Kinder geht über Bomben und Mörser hinaus. Ich möchte kurz über Wasser und Trauma sprechen.“

„Der Tod von Kindern - insbesondere von Säuglingen - durch Dehydrierung ist eine wachsende Bedrohung.“

"Und dann ist da noch das Trauma. Wenn die Kämpfe aufhören, werden die Kosten für die Kinder und ihre Gemeinschaften noch über Generationen hinweg zu tragen sein.  Vor der jüngsten Eskalation wurde festgestellt, dass mehr als 800’000 Kinder im Gazastreifen - drei Viertel der gesamten Kinderbevölkerung - psychische und psychosoziale Unterstützung benötigen. Das war vor diesem jüngsten Albtraum.“

Elder beschreibt, wie sich Talia, Tochter einer Unicef-Mitarbeiterin, verhält:

„Die vierjährige Talia zeigt schwere Stress- und Angstsymptome und verletzt sich selbst, indem sie sich beispielsweise die Haare ausreisst und sich die Oberschenkel aufkratzt, bis sie bluten.“

Die Unicef-Mitteilung schliesst mit dieser Aussage Elders:

"Im Namen von Talia und [ihrer Schwester] Zain und den anderen 1,1 Millionen Kindern in Gaza, die einen Albtraum durchleben, sagen wir noch einmal: Wir brauchen einen sofortigen humanitären Waffenstillstand. Und alle Grenzübergänge zum Gazastreifen müssen geöffnet werden, damit humanitäre Hilfe, einschliesslich Wasser, Lebensmittel, medizinische Versorgung und Treibstoff, sicher, dauerhaft und ungehindert fliessen kann.

"Und wenn es keinen Waffenstillstand, kein Wasser, keine Medikamente und keine Freilassung der entführten Kinder gibt? Dann steuern wir auf noch grössere Schrecken zu, die unschuldige Kinder heimsuchen."

24. Oktober: Drei Kinder, verletzt in Luftangriffen, im Al-Agsa-Spital. Bild: Al Jazeera.

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Davon wie von vielen anderen solchen Meldungen war in den Abendnachrichten von SRF nichts zu hören. Dafür eine „Einschätzung“, dass das Vorrücken der israelischen Streitkräfte unter „Dutzenden von Todesopfern“ erfolgen könnte. In den erwähnten zwei Wochen sind pro Tag über 420 Kinder umgebracht worden (nicht mitgezählt jene, die unter Trümmern liegen, und die später an Folgen von Krankheiten sterben können).

Eine weitere Meinungsumfrage in Israel hat ergeben, so SRF, dass immer mehr Israelis ein Ende dieses unsäglichen Kriegs verlangen. Immerhin kam diese Info. Leider ging es im Bericht dann nicht darum, sondern um die zunehmende Ablehnung des Premiers Netanyahu, gegen dessen Vorgehen jetzt die Angehörigen von Geiseln der Hamas wendeten. Im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit also die bewegende Frag: Bleibt Bibi oder muss er gehen? Nicht die vielleicht doch nicht völlig verurteilte Hoffnung, dass Menschlichkeit die tägliche Eskalation des Terrors mit seinen unendlich lang wirkenden Folgen behindern und dann stoppen könnte.

Aber das widerspräche dem westlichen Kriegskommando, das seine Raketen hinter «humanitären Lastwagen» versteckt.

Würde die Unicef-Bestürzung doch mal erwähnt, dann nicht ohne die Angabe, dass diese Zahlen von der Hamas, gemeint das Gesundheitsministerium von Gaza, kommen. Also für Joe Biden und die aufgeklärte Welt «höchst zweifelhaft» wären. Ein Mechanismus, der vorzüglich dazu taugt, Erschrecken über die Dimension des Massenmords in die Sphäre der Ungewissheit zu entsorgen. Wer wollte sich denn schon von einer Hamas manipulieren lassen! Da spielt auch keine Rolle, dass Medien wie etwa die New York Times, später sogar die NZZ, mitgeteilt haben, dass Human Rights Watch, Médecins sans Frontières, UN-Organisationen und andere wiederholt die Todesangaben des Gesundheitsministeriums bei früheren Massakern überprüft und dabei zu ziemlich gleichen Ergebnissen gekommen sind.