Neben Chiquita soll auch Coca-Cola Paramilitärs in Kolumbien finanziert haben
Bogotá. Nach dem Urteil gegen den Bananenkonzern Chiquita wegen der Finanzierung der ehemaligen paramilitärischen Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens (AUC) (amerika21 berichtete) hat ein Ex-Kommandant der AUC weitere Großunternehmen des gleichen Verbrechens beschuldigt. Darunter auch Coca-Cola.
Es handelt sich um den Ex-Chef des Bananenblocks der AUC, Éverth Veloza, auch bekannt als "HH". In einem Interview mit dem Radiosender La W sagte der inhaftierte Ex-Paramilitär, die AUC seien vor allem gegründet worden, um die Geschäfte legaler Großunternehmen zu fördern. Dies widerspricht der in Kolumbien verbreiteten Darstellung, die AUC seien in erster Linie zur Guerillabekämpfung entstanden.
Im Fall von Coca-Cola hatte die Gewerkschaft der Lebensmittelindustrie (Sinaltrainal) bereits in den Nullerjahren angedeutet, dass die AUC den Interessen des Getränkekonzerns dienten, indem sie Gewerkschafter der Coca-Cola-Abfüllanlage verfolgten und ermordeten. Diese "mörderische Gewalt" habe es Coca-Cola ermöglicht, "die Löhne in ihren kolumbianischen Betrieben auf ein Drittel zu senken und die Arbeitsverhältnisse insgesamt zu prekarisieren", hieß es in einer Solidaritätskampagne mit Sinaltrainal in Deutschland.
"Ich wurde zu Gunsten einiger weniger benutzt", sagte "HH" gegenüber La W. Zudem sei es ein Fehler der "journalistischen Perspektive" darzustellen, dass Gruppen wie die AUC nur auf der Ebene der illegalen Wirtschaft aufgebaut seien. Die meisten von ihnen hätten "ein legales Ziel in der legalen Wirtschaft", betonte Veloza. Er ist für tausende Morde in Urabá und Cauca verantwortlich.
Im Interview nannte er mehrere Beispiele. Im Auftrag der AUC-Bosse habe er den Calima-Block im Departemento Cauca eingesetzt, um "die lokalen Gemeinschaften auszulöschen". Es ging darum, "die Zone für die Unternehmer zu säubern". Diese hätten ein besonderes Interesse daran gehabt, sich das Land für ihre Unternehmen anzueignen, um von dem dort geltenden Sondergesetz mit der Steuerbefreiung zu profitieren.
Veloza erwähnte auch den Landraub in Urabá durch die AUC für Unternehmer:innen, für die die gewaltsam angeeigneten Ländereien in der Zone von Chigorodó ein gutes Geschäft im Hinblick auf den damals geplanten Bau einer Autobahn darstellten.
Der Ex-Paramilitär erzählte auch, wie die Bananenfirmen der Region wirtschaftlich von den Morden der AUC profitierten. Darunter auch Chiquita. Veloza widersprach der Behauptung des Unternehmens, die AUC habe es zur Zahlung von Schutzgeldern gezwungen. Dies hat die US-Justiz mit ihrem Urteil inzwischen auch widerlegt.
Laut "HH" haben die Bananenunternehmen von Urabá den paramilitärischen Bananenblock gerufen, um "die Gewerkschaften am Streiken zu hindern". Der Anführer des Bananenblocks sei mit dem Befehl gekommen, die Gewerkschaften und die linke Partei Unión Patriótica (UP) zu vernichten.
Laut dem Urteil der US-Justiz gegen Chiquita habe der Bananenkonzern die AUC zwischen 1997 und 2004 mitfinanziert. Dies sei nicht richtig, sagt Veloza. Der Bananenblock startete 1995 die Verfolgung gegen die Gewerkschaften in Urabá im Auftrag der Bananenunternehmen der Region. Bis 1997 habe die Finanzierung auf illegalen Wegen funktioniert. Danach benutzten die AUC die Strukturen der legalen ländlichen Bürgerwehren Convivir, um die Finanzierung "zu legalisieren".
"Ich ging in allen Gemeinden von Finca zu Finca, um die Arbeiter zu versammeln und ihnen mitzuteilen, dass von nun an Streiks in der Region verboten seien und dass jeder, der streike, ein militärisches Ziel sei", gestand Veloza.
Das Ziel war es, den Produktionsstillstand zu verhindern, wenn die Schiffe im Hafen auf ihre Bananenladung warteten, denn das kostete die Unternehmen viel Geld. Eben deshalb streikten die Arbeiter:innen gerade dann, wenn die Schiffe vor Anker lagen. "All diese Probleme haben wir gelöst. Zu wessen Gunsten? Zu Gunsten der Bananenunternehmen", so Veloza.
Bevor der Bananenblock in Urabá aktiv wurde, hatten die Bananenunternehmen ihre eigenen "Sicherheitsstrukturen" mit Vorarbeitern auf den Fincas aufgebaut. Später gehörten sie zur AUC, wurden aber weiter von den Unternehmen bezahlt, erklärte "HH".
Die AUC funktionierten eng mit den Streitkräften zusammen. "Ohne die Unterstützung der Streitkräfte und der Polizei wäre alles für uns unmöglich gewesen", äußerte Veloza.
Weitere Unternehmen, die mit diesem Gewaltmodell in Urabá arbeiteten und die "HH" im Interview namentlich nennt, sind der kolumbianische Getränkekonzern Postobón und der US-Bananenkonzern Dole.
Es sei wichtig, dass Leute wie er die Wahrheit über die Finanzierung der Paramilitärs sagten, damit sich die Geschichte nicht wiederhole, betonte er. Sonst werden die Friedensprozesse einige Gruppen verschwinden lassen, aber andere werden weiter bestehen, solange diejenigen, die sie finanzieren, unangetastet bleiben.