Venezuela: Was man über das «Wahlblackout» wissen muss, das Venezuela ins Chaos stürzen sollte

Samstag, 3. August 2024

 

Zum Hintergrund des folgenden Artikel aus Sputnik:

(zas, 3.8.24) Keine Frage: In Venezuela tobt erneut in US-gesteuerter Putschversuch. Auslöser: Die Wahlen vom vergangenen Sonntag, dem 27. Juli. Im globalen Westen läuft eine irre Desinformationskampagne: Brandanschläge, Zerstörungen an Schulen, medizinischen Kliniken, Nahrungsverteilungszentren oder Angriffe auf Passanten werden darin zu «friedlichen Bürgerprotesten gegen die Diktatur». Chavistische Grosskundgebungen gegen den internationalen Putschversuch werden dagegen konsequent ignoriert. Angaben der Behörden zu den Strukturen der comanditos, der militanten Angriffsgruppen der Rechten verdienen keine Erwähnung. Dagegen wird die Repression besagter friedlicher Meinungsäusserungen beklagt. Denn sie hat offenbar zu einem markanten Rückgang der Gewaltangriffe in den letzten Tagen beigetragen. 

Friedliche Proteste aufgebrachter Bürger...

 

Diese Desinformation begleitet jene vom Wahlbetrug. Sie versteckt sich hinter dem Fakt, dass die Wahlbehörde CNE in der Nachwahlnacht auf der Basis von 80 Prozent der pro Wahllokal zusammengefassten Resultate zwar die für Maduro positiven Resultate bekannt gab, jedoch ohne diese bis heute mit den detaillierten Daten zu jedem einzelnen Wahllokal zu untermauern. Die Erfahrung zeigt, dass solche Dynamiken oft auf einen Wahlbetrug verweisen. Doch dieses Mal hätte eine unvoreingenommene Stellungnahme den vom CNE beim gleichen Anlass bekanntgemachten Cyberangriff auf due Übermittlung der elektronischen Daten von den Wahllokalen zum Zentralrechner des CNE angemessen berücksichtigen müssen.

Das war aber nicht der Fall. Das von Washington propagierte Betrugsnarrativ wurde von fast allen westlichen Mächten und Medien bis zum «Chäsblatt» in der Provinz nachgeplappert. Deshalb hier die Übersetzung eines Artikels aus Sputnik zum Thema Cyberangriff. (Natürlich ist Sputnik generell so ungeniessbar wie die Medien des westlichen Regimes. Das kann nicht daran hindern, gelegentlich relevante Inhalte von der einen oder anderen Seite zu beachten.) Auch dieser Artikel liefert keine Beweise für einen Cyberangriff, legt aber plausibel dar, warum die Übermittlung und Veröffentlichung der detaillierten Daten pro Wahllokal auf der ebenfalls blockierten Homepage des Wahlrates so lange auf sich warten lässt.

Gestern Freitag gab der Wahlrat neue Resultate auf der Basis von über 96 Prozent der Akten bekannt, wonach sich die Position Maduros leicht verbessert und jene von González etwas verschlechtert hat (51.95 : 43.18). Ein Ende des Wartens auf die elektronischen Übermittlungen lässt sich also erkennen. Vor allem hatte Maduro zuvor eine Untersuchung der Wahlen durch die laut Gesetz höchste Wahlinstanz, die Wahlkammer des Obersten Gerichts, erbeten. Gestern hat diese Wahlkammer nach Anhörung von Maduro und weiteren sieben Kandidaten (González stellte sich trotz vorausgegangener Zusage nicht ein) dem Wahlrat befohlen, ihr binnen drei Tagen sämtliche Akten und Wahlunterlagen einschliesslich Belege für den Cyberangriff und seine Auswirkungen zu übergeben.

Dass González sich nicht zum Termin beim Gericht einfand, entspricht der bisherigen Taktik des rechten Bündnisses um María Corina Machado. Es hatte sich vor der Wahl als einzige Kraft geweigert, sich auf die Anerkennung des Wahlresultats zu verpflichten. Stattdessen veröffentlichte es diese Woche auf einer Homepage fast 9’500 angebliche Akten von rund 36'000 aus den Wahllokalen, die seinen 7:3-Sieg gegen Maduro belegen sollen. Laut dem chavistischen Wahlkampagnenleiter Jorge Rodríguez enthalten diese etwa von US-Aussenminister Blinken als Beweise für den Sieg des rechten Kandidaten betrachteten Dokumente frühmorgendliche Eröffnungsakten, andere ohne Unterschriften der WahltischfunktionärInnen oder der ParteibeobachterInnen oder den Identifizierungscode. Dafür Ausweise von Verstorbenen. So etwa jenen des 2016 von den Rechten umgebrachten Journalisten Ricardo Durán. Seither ist das WählerInnenregister mehrmals bereinigt worden. Rodríguez verwies auch auf den Umstand hin, dass laut diesen Dokumenten der Rechten die WählerInnen in allen Gliedstaaten das 7:3-Schema genau befolgt haben.

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Was man über das «Wahlblackout» wissen muss, das Venezuela ins Chaos stürzen sollte

José Negrón Valera*

(30.7.24, aktualisiert am 1. 8.24) Anlässlich seiner Proklamation als gewählter Präsident berichtete Nicolás Maduro, dass der Nationale Wahlrat (CNE, Consejo Nacional Electoral) Opfer einer Cyber-Attacke geworden sei. Diese sollte als Vorwand dienen, um eine Eskalation der Gewalt zu starten und einen Regierungswechsel unabhängig vom Wahlergebnis herbeizuführen.

"Es gab einen massiven Angriff auf das Übertragungssystem des Nationalen Wahlrats (CNE), wie es ihn in unserer Geschichte noch nie gegeben hat. Der Angriff dauert an. Hunderte von Angriffen auf die Website des CNE", berichtete der Staatschef und fügte hinzu, dass sie in das System eingedrungen seien, um "die Übertragung von Daten[1] zu verhindern, um einen Wahlstopp zu provozieren".

"Wenn sie keinen Stromausfall provozieren konnten[2], dann halt ein Wahlblackout keine Wahlresultate. Und wenn es zu dieser Stunde keine Wahlergebnisse gäbe, hätten sie Venezuela in Brand gesetzt (...) Das war der Plan", erklärte er.

Aufgrund der Schwere der Ereignisse forderte Maduro unverzüglich die Einberufung des Staatsrats, um alle Angriffe auf das venezolanische Wahlsystem zu auszuwerten und gründlich zu untersuchen.

 

Zum «Wahlblackout»

Victor Theoktisto, promovierter Informatiker und externer Prüfer des Nationalen Wahlrats (CNE) für die Überwachung und Untersuchung des Wahlsystems in den Bereichen Systemsoftware, digitale Sicherheit, Kryptographie und sichere Datenübertragung zwischen Juni und Juli 2021, erklärte gegenüber Sputnik, dass es sich bei dem von Maduro erwähnten Angriff um einen DOS-Angriff (Denial of Service) handelte, der von der Republik Nordmazedonien aus durchgeführt wurde[3]. Er besteht, die Netze mit einer riesigen Menge an Falschdaten zu sättigen, um die Übertragung von Informationen zu verhindern.

"Obwohl es unmöglich ist, den Inhalt der übertragenen Daten zu ändern, konnte die Anzahl der Verbindungen reduziert werden. So dass sie nur selten erfolgreich abgeschlossen werden konnten, was den gesamten Prozess der Zählung verlangsamte. Diese Situation war von den Nachrichtendiensten mit Hilfe der Betreiber vorhergesehen worden und wurde schliesslich gelöst, führte aber zu einer erheblichen Verzögerung. Der Angriff bestand [und besteht] auch in einem permanenten Angriff auf die Website des CNE, die staatlichen Medien und allgemein auf die Dienste der öffentlichen Verwaltung, als ein globaler und multifaktorieller Angriff auf den venezolanischen Staat", fügte er hinzu.

 

Systeme zur Unterstützung der Stimmabgabe

Laut Theoktisto basiert die Kommunikation zwischen den Wahlcomputer im Wahllokal und dem Rechenzentrum auf einem Wide Area Network (WAN), das von der nationalen Telefongesellschaft über das Telekommunikationsnetz aufgebaut wird und Daten über Einwahl, Metro-Ethernet und GSM-Dienst oder Satellit (in abgelegenen Gebieten) überträgt.

Dieses Übertragungsnetz, fügt er hinzu, ist ausschliesslich für den Wahlprozess bestimmt und nutzt nicht das Internet. "All dies ist extrem sicher und verschlüsselt, so dass die übertragenen Daten nicht verändert werden können. In Zukunft müssen wir vielleicht sogar den Zugang zu den Netzen aus dem Ausland einschränken, was uns wirklich Kopfzerbrechen bereitet, und uns für einige Stunden isolieren, bis alle Daten übertragen sind", überlegt er.

"Es liegt auf der Hand, dass es notwendig sein wird, alternative Geräte und Protokolle mit grösseren Redundanzen[4] zu verwenden, um nicht wieder in diese Lage zu geraten, einschliesslich drastischerer Massnahmen, um die Sicherheit der Übertragungen zu gewährleisten. Das war zwar nicht das Ziel des Angriffs, denn wie ich bereits sagte, ist es unmöglich, den in den Wahlmaschinen ausgedrückten Willen zu ändern, aber wie man gesehen hat, war es möglich, die Übertragung irgendwie zu behindern", betonte er.

 

"All das hat nichts Dunkles an sich. Die Dunkelheit kommt von woanders her."

Angesichts der zunehmenden und sehr gut orchestrierten internationalen Desinformationskampagne, die darauf abzielt, Zweifel an den Wahlergebnissen zu säen, macht Theoktisto als Experte in einem solch kritischen Bereich einige Beobachtungen, die unbedingt erwähnt werden müssen.

"María Corina Machado sagt, dass sie 100 % der Auszählungsbögen hat; das ist eine Binsenweisheit. Alle grossen politischen Parteien haben sie ebenfalls, Tisch für Tisch, aus dem ganzen Land", erklärte er. Und fügte hinzu, dass die Maschine nach Abschluss des Wahlvorgangs im Wahllokal automatisch alle für jeden Kandidaten erhaltenen Stimmen zusammenzählt und die so hergestellte Wahlakte an das Nationale Rechenzentrum des CNE übermittelt. Diese Daten sind so verschlüsselt, dass sie nicht verändert, manipuliert oder gelöscht werden können.

Sofort, so Theoktisto, generiert der Wahlcomputer diese ausgedruckten Wahlakte, den «chorizo» (Wurst)[5]. "Auf diesem Papier werden die Daten des Wahllokals, Tag und Uhrzeit seiner Erstellung, verschiedene Sicherheitscodes [um zu verhindern, dass sie durch falsche Kopien ersetzt werden, und die für jedes Wahllokal einmalig sind], die Stimmen für jeden Kandidaten, nach politischer Organisation, die Gesamtzahl der Stimmen, die ungültigen Stimmen, usw. gedruckt", erklärte er. Diese Informationen, fügte er hinzu, werden "an alle ordnungsgemäss akkreditierten Zeugen[6] der politischen Parteien" weitergegeben.

Darüber hinaus werden 50 % der Wahllokale nach dem Zufallsprinzip im Rahmen eines Verfahrens überprüft, das die Übereinstimmung zwischen den gedruckten und den elektronisch gespeicherten Wahlergebnissen bestätigt.

"Kurz gesagt, alle politischen Organisationen, die ihre Zeugen akkreditiert haben, haben zu diesem Zeitpunkt alle in jedem einzelnen der mehr als 30.000 Wahllokale ausgedruckten Wahlakten", sagte er.

"Das Wichtigste an dem robusten Wahlsystem ist, dass den politischen Akteuren mindestens 30’000 exakte, auf Papier gedruckte Kopien der Ergebnisse jedes Wahltisches und der Ergebnisse der zufallsgenerierten Audits (die in einem separaten Format dokumentiert und den entsprechenden Zeugen ausgehändigt werden) von etwa der Hälfte derselben Wahllokale vorliegen. All das hat nichts Dunkles an sich. Die Dunkelheit kommt von woanders her." Es gibt also nichts Unklares an all dem. Die Unklarheit kommt von woanders her", schloss er.

 ·        https://latamnews.lat/20240730/lo-que-se-sabe-del-apagon-electoral-que-pretendia-sumir-en-el-caos-a-venezuela-1156490419.html



[1] Gemeint ist die Übermittlung der Wahldaten aus den Wahllokalen an den zentralen Computer des CNE. Diese waren zwar in den Wahllokalen im Wahlcomputer und auf externen Speichern gespeichert, konnten aber nicht übermittelt werden.

[2] Mehrere Anschläge auf das regionale und nationale Stromnetz konnten vor und am Wahltag vereitelt werden.

[3] Am 2. August machte der CNE-Präsident anlässlich der Pressekonferenz zu 96.87 % der nun übermittelten Akten aus den Wahllokalen (Nicolás Maduro 51.95 %, Edmundo González 43.18 %, der Rest an weitere 9 Kandidaten, Wahlbeteiligung von nicht ganz 60 % oder über 12 Millionen gültigen und 50'000 ungültigen Stimmen) bekannt, dass die DoS-Attacke aus verschiedenen Regionen erfolgte.

[4] IT-Systeme, die kritische Datensätzen und technische Komponenten intern replizieren, dass der Ausfall eines Teils weder ihre Daten noch ihr Funktionieren gefährdet.

[5] So genannt wegen seiner Länge, da die Resultate jeder Kandidatur aufgelistet werden.

[6] Begriff die BeobachterInnen der Parteien.