Venezuela: Manipulation nebenbei

Mittwoch, 14. Juni 2017



(zas, 14.6.17) So geht’s:
wjm. · Die von Präsident Maduro angeordnete Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung führt weiterhin zu Gewaltausbrüchen auf Venezuelas Strassen. Demonstranten haben am Montag ein Gebäude mit Molotowcocktails beworfen, in dem sich Büros des Obersten Gerichts befinden. Dutzende von Demonstranten drangen anschliessend in das vierstöckige Gebäude ein und plünderten die Räume einer Bank. Sie holten Computer und andere Elektrogeräte aus der Filiale und zündeten sie auf der Strasse an. Nach einem Bericht des Portals «El Nacional» gab es drei Verletzte. Soldaten und Polizisten setzten Tränengas und Schrotkugeln ein, um die Demonstranten zu vertreiben.
NZZ, 14.6.17: Verfassungsfrage entzweit Venezuela.
Der Autor, Werner Marti, unterlässt den Hinweis, dass es sich bei seiner Quelle (El Nacional) um ein fürchterliches Hetzmedium handelt. Vielleicht ist ihm dies noch nie aufgefallen (Gleichgesinntes erscheint normal).
Der Rest des kurzen Beitrags «erklärt» das Vorgehen der Rechten mit der Weigerung des Obersten Gerichts, der Klage der Generalstaatsanwältin nachzukommen und die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung zu blockieren. Der Vorwand wird so zum Motiv. Marti verschweigt wie das Gros seiner MainstreamkollegInnen, dass in Venezuela eine bewaffnete Offensive gegen den Chavismus eingesetzt hat, die ihren eigenen Kriterien folgt, unabhängig vom tagespolitischen Geschehen (s. den vorausgegangenen Beitrag). Er unterlässt die Mitteilung, dass sich im gleichen Gebäude auch eine ebenfalls angegriffene Zweigstelle des Wohnungsministeriums befand, dass hunderte Angestellte in der Falle sassen, dass 45 Kinder in einer Krippe des Wohnungsministeriums Angst und Rauchvergiftungen erlitten. Er bringt ein Bild jubelnder «Demonstranten», nicht eines ihrer Opfer. Er unterschlägt, dass gleichentags vier Mitglieder der Guardia beim Versuch einer Barrikadenräumung verletzt wurden, als auf sie u. a. geschossen wurde. Und warum sollte ihm und seinesgleichen auch mitteilenswert sein, dass die Rechte seit einer Weile darauf bedacht ist, nicht-sympathisierende Medienleute an ihren Aktionen («Demos») anzugreifen, um so eine rechte Deutungshoheit zuhanden der globalen Kapitalmedien zu garantieren? Auch dass am 5. Juni die Telesur-Journalistin Adriana Sivori ihr Leben nur dank einer Schussweste und einem Helm, auf denen in grossen Lettern «Presse» stand, retten konnte, ist ein no event. Sivori hatte über eine andere «Demo» der Rechten im gleichen Oberschichtsviertel El Paraiso berichtet, in dem die «von Präsident Maduro angeordnete Einberufung...» autonom aktiv «zu Gewaltausbrüchen führt». Ein Schuss traf die Journalistin im Rücken. Mit anderen Medienleuten hatte sie sich einer Barrikade genähert, die die Polizei zu räumen suchte. Sie berichtete danach: «Die Polizei begann, die Zone zu räumen, und von einem Gebäude aus wurde das Feuer eröffnet» (eine gewohnte Taktik der paramilitarisierten Rechten). «Es waren Salven und sie warfen Molotowcocktails.» 
Das Bild, das die NZZ brachte
Bilder, die die NZZ nicht bringt:
Aus dem Gebäude evakuiert. Weitere Bilder.