Venezuela: "Die Menschen radikalisieren die Bolivarische Revolution"

Dienstag, 19. September 2017


https://amerika21.de/analyse/184840/venezuela-bolivarische-revolution
19.09.2017 Venezuela / Politik / Soziales

Gespräch mit Christina Schiavoni über die Ernährungs- und Gesundheitssituation, die aktuelle politische Entwicklung und die Beteiligung der Bevölkerung an der Politik
Monatsmarkt in Caracas, Venezuela. Dort werden handwerklich hergestellte Alternativen zu den im Supermarkt fehlenden Produkten angeboten
Monatsmarkt in Caracas, Venezuela. Dort werden handwerklich hergestellte Alternativen zu den im Supermarkt fehlenden Produkten angeboten
Inmitten der imperialistischen Einmischung führen die Menschen in Venezuela die Aufgabe weiter, ihre Gesellschaft neu zu organisieren. Das reale Leben in Venezuela ist weit entfernt von den Berichten, die regelmäßig in den Mainstream-Medien verbreitet werden. Das folgende Interview mit Christina Schiavoni, einer Forscherin und Aktivistin für Nahrungsmittelsouveränität, bietet eine andere Sicht des Lebens der venezolanischen Bevölkerung, als die, die wir üblicherweise von den Medien bekommen. Es geht sowohl um die Ernährungs- und Gesundheitssituation als auch um die aktuelle politische Entwicklung und die Einbeziehung der Menschen in die Politik. Das Interview führten Farooque Chowdhury und Fred Magdoff im August 2017
In den großen Medien kommen derzeit täglich Nachrichten zu Venezuela. Würden Sie bitte Ihre aktuellen Erfahrungen indem Land schildern?
Gewiss. Ich bin Aktivistin für Ernährungssouveränität und Doktorandin. Ich komme aus den USA und mein Forschungsinstitut ist in den Niederlanden, aber ich lebe seit eineinhalb Jahren in Venezuela und forsche über die Ernährungspolitik. Es ist ein dynamischer Moment, um hier zu sein und diese Untersuchung durchzuführen! Zum besten Teil gehört, dass ich mit einer befreundeten Familie im Arbeiterviertel El Valle von Caracas lebe. Das gab mir einen direkten Einblick in die alltäglichen Realitäten, mit denen die Mehrheit der Bevölkerung konfrontiert ist, die städtisch und aus der Arbeiterklasse ist. Zugleich hatte ich Gelegenheit, andere Teile der Stadt zu besuchen und in mehr als die Hälfte der 23 Teilstaaten zu reisen, um andere Realitäten mitzuerleben.
Das Wichtigste, was ich über das tägliche Leben in Caracas hervorheben möchte, ist, dass die Menschen tatsächlich weitermachen. Märkte sind belebt, Kinder spielen auf den Straßen, es gibt kulturelle Aktivitäten etc. Es gibt eine große Diskrepanz zwischen dieser Realität und dem, was in den Nachrichten präsentiert wird und so aussieht, als sei Caracas ein Kriegsgebiet. Zum Beispiel stammten die Bilder von maskierten Demonstranten in direkter Konfrontation mit Polizeikräften von Demonstrationen, die sich weitgehend auf die wohlhabenderen Teile der Stadt beschränkten. Für Comunidades 1 wie El Valle ist das Alltagsleben mehr oder weniger so wie immer. Wenn Demonstranten allerdings Straßen blockierten, selbst in anderen Teilen der Stadt, hatte dies allgemein Auswirkungen auf den Verkehr, was es den Menschen erschwerte, zur Arbeit, zur Schule, zu den Terminen usw. zu kommen. Und dann gab es natürlich die Auswirkungen anhaltender Aktivitäten wirtschaftlicher Destabilisierung. Darauf komme ich gleich zurück.
Was ich zudem betonen möchte – und ich hoffe, wir sprechen darüber noch genauer – ist, dass die organisierenden und mobilisierenden Basisbewegungen, für die die Bolivarische Revolution in all den Jahren bekannt gewesen ist, gerade jetzt sehr lebendig und präsent sind. Das hat die Mainstream-Medien nie interessiert, aber selbst die Alternativmedien waren in ihrer Berichterstattung eher nachlässig und viel zu oft ist es so, als wären die Menschen, Gemeinden und Bewegungen, die eine enorme Menge an inspirierender Arbeit vor Ort leisten, unsichtbar.
Wie ist die Ernährungssituation - Verfügbarkeit und Zugang - in dem Gebiet, in dem Sie sich aufhalten?

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