Nicaragua: Von der „Mutter aller Demonstrationen“

Dienstag, 29. Mai 2018


(zas, 28.5.18) Der Mann, der am vergangenen Samstag sprach und den wir im Video unten sehen, heisst Carlos Rafael Avella. Er ist Priester in Nueva Guinea, einer Stadt im Osten des Landes. Er gibt den Leuten in den ersten 2, 3 Minuten Anweisungen für den weiteren Kampf gegen die Regierung. Avella ist Teil des Kartells der Soutanen, das zumindest auf dem Land nach Einschätzung von alten PartnerInnen von uns ideologisches und auch organisches Rückgrat der mittlerweile klar rechts dominierten „Proteste“ ist. 
León im April. Quelle: END
 Jeden Tag gibt es wieder Tote bei Unruhen. Die Medientransnationale und Organe wie die Interamerikanische Menschenrechtskommission der OAS, die CIDH, ordnen diese umstandslos dem Regierungslager zu. Das ist mit Bestimmtheit falsch. Die Gewalt ist keineswegs nur auf der einen Seite beheimatet. Ein kleines Beispiel, das angesichts der Morde auf beiden Seiten nebensächlich erscheinen mag, aber die gesellschaftliche Zerstörung aufzeigt: Am 10. Mai berichtete der sandinistische, aber klar regierungskritische Journalist Néstor Espinoza vom Kabelfernsehsender Extra Plus aufgewühlt,  sein Sohn sei am Mittag im Schulbus nachhause gefahren. „In diesem Moment informierte man mich, dass er einen Nervenzusammenbruch hat, nicht zu weinen aufhört, weil eine Gruppe Vermummter den Bus im Kreisel der Studenten gestoppt und Parolen gesprayt hat, in diesem Bus der Kinder mit Behinderungen, was soll diese verdammte Schweinerei, Entschuldigung, (…) Kinder mit Behinderungen für politische Motive zu missbrauchen, ist nicht korrekt … Es ist totaler und absoluter Dreck, Kinder mit Behinderungen, Down-Syndrom, Autismus, Gehirnlähmung, was soll das! (…)  Obwohl die Forderungen im Moment gerechtfertigt sind, bin ich nicht einverstanden mit dieser Barbarei.“ 
  
Hier Auszüge aus der priesterlichen Mobilisierung:

(0.40) Praktisch wurde der Entscheid gefällt, dass ab heute Nacht oder morgen Morgen die Strassensperren gestaffelt werden. Am Montag wird geöffnet, am Dienstag beginnen alle, sich zu besammeln und die Reise nach Managua vorzubereiten. Jetzt gilt es, wie die alten Krieger [nicht verstanden] vorzubereiten, denn es ist ein wichtiger Schritt, ein Schritt, den es lange zu bedenken galt, um keinen Fehler zu machen. (1.57) Alle brechen am Dienstag auf, mit allen Campesinos von Nicaragua, die sich für diesen Kampf entschieden haben, für diesen Moment, der ohne Zweifel ersehnt ist. (2.18) Diese Demonstration vom 30. wird die Mutter aller Demonstrationen genannt, zu Ehren des Muttertags, zu Ehren aller, die wegen der Repression ihr Blut vergossen haben (…) Und ich denke, der Beschluss ist, dorthin zu gehen, wo man hingehen muss. Ins Herz des Problems zu gehen.


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Die OAS-Kommission CIDH gab am 25. Mai bekannt, Schutzmassnahmen für 13 angeblich von der Regierung bedrohte StudentInnen verhängt zu haben. Wie es der Zufall will, veröffentlichte das State Department ebenfalls am 25. Mai ein Statement, in dem es „die kürzlichen Gewalttaten von von der Regierung kontrollierten Schlägern verurteilt, die zu weiteren Toten DemonstrantInnen geführt hat.“ Gemeint sind Auseinandersetzungen vom Vortag vorallem in León, zu denen absolut konträre Versionen zirkulieren. Das State Department weiter: „Wir rufen die Regierung von Nicaragua auf, die Empfehlungen der unabhänigigen Interamerikanischen Menschenrechtskommission voll umzusetzen.“  Die „unabhängige“ CIDH, mit Hauptsitz in der US-Hauptstadt, finanziert primär von Washington, deren Jurisdiktion aber für die USA nicht gilt, hatte am 21. Mai von der Regierung u. a. die Akzeptanz einer internationalen Untersuchung und den ungehinderten Zugang zum Land für Menschenrechtsgruppen der OAS und der UNO „und andere relevante Akteure der internationalen Gemeinschaft“ gefordert.
Das Timing passt zum Termin der „Mutter aller Demonstrationen“.
Wir sollten diese Dynamik nicht ausblenden, auch wenn sie durch das Regierungslager mit ermöglicht wurde.