(zas, 16.5.18) Nächsten Sonntag finden in Venezuela die
Präsidentschaftswahlen statt. Sie werden von den USA samt Anhang (EU etc.) und folglich
auch dem rechtsradikalen Teil der internen Opposition boykottiert. Glaubt man den
Umfragen etwa von Hinterlaces, sollte der Chavismus gewinnen. Klar ist, dass
nach einem chavistischen Sieg die imperialistische Offensive – darum handelt es
sich – eskalieren wird. Es zirkulieren manche Gerüchte um ein angebliches Memo von
Admiral Tidd, Kommandant des Südkommandos der US-Armee, das einen Plan für eine
offene, US-geleitete Militärintervention skizziere, ausgeführt von Truppen und
Paramilitärs aus Kolumbien, Brasilien, Panama und Argentinien, mit politischem
Flankenschutz der OAS und unter Leitung der Konferenz der Amerikanischen
Armeen. Notfalls müssten erste Schritte schon vor dem Wahltag des 20. Mai ergriffen
werden. Die bekannte argentinische Journalistin und Buchautorin Stella Calloni hatte
mit ihrem diesbezüglichen Artikel (El “Golpe Maestro” de
Estados Unidos contra Venezuela (Documento del Comando Sur))
vom 9. Mai eine Serie von weiteren, diesen Inhalt aufnehmenden
Veröffentlichungen in Lateinamerika provoziert. Das Problem dabei: Die Quelle für
den angeblichen Geheimplan ist das Réseau Voltaire, das ihn am 23. Februar 2018
publiziert hatte. Diese
von Thierry Meyssan geleitete Gruppe hat sich seit Jahren immer wieder durch verschwörungstheoretische,
manchmal auch antisemitische Publikationen einen schlechten Ruf erworben.
Leider hindert das nicht wenige «alternative» Medienorgane in Lateinamerika
nicht daran, immer wieder auf «Informationen» des Voltaire-Netzes
zurückzugreifen. Das Réseau verfolgt eine angeblich stringente antiimperialistische
Linie, die aber bezeichnenderweise nur Geopolitisches kennt, nie gesellschaftliche
Kräfte, Klassenkämpfe, Subjekte, die für Befreiung kämpfen, etc. Wie bei anderen
«brisanten Enthüllungen» schweigt sich das Réseau auch im vorliegenden Fall über
seine Quellen aus – man muss ihm einfach glauben. Seit Jahren pflege ich «Informationen»
aus dieser Quelle nicht zu beachten, im aktuellen Fall ist das leider angesichts
der verbreiteten Rezeption auch in linken lateinamerikanischen Medien nicht möglich.
Auch jetzt nimmt die Réseau-Gruppe reale Momente auf – die anlaufenden (para-) militärischen
Offensiven gegen Venezuela sind kein Geheimnis – und verdichtet sie zu einem
Verschwörungsplan, über dessen genaue Umstände sie nichts verlauten lässt.
Natürlich sind Angaben über Aufmarschpläne u. ä. sehr ernst
zu nehmen. Gerade gestern
hat Julio Chávez, Mitglied der Verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela, Aussagen
zu «ungewöhnlichen Bewegungen» kolumbianischer
Truppen an der Grenze des Gliedstaats Táchira gemacht. Seine Quelle: geheimdienstliche
Erkenntnisse des Gouverneurs von Táchira. Das deckt sich mit anderen Mitteilungen
aus diesem Gebiet, und kann sowohl auf kriegerische Absichten wie auch, nach von
venezolanischer Regierungsseite auch schon ins Spiel gebrachter Interpretation,
auf Versuche hinweisen, unkontrollierte Grenzprovokationen seitens ultrarechter
Verbände in Kolumbien zu erschweren. Zur Einschätzung solcher Dynamiken braucht
es sachliche Anhaltspunkte, möglicherweise fabrizierte, jedenfalls unvermittelt
vorgestellte «Geheimpläne» dagegen taugen oft eher zum Schüren von Paranoia.
Hingegen gar keine Paranoia ist der Fakt des
Wirtschaftskriegs. Dazu gibt es auch auf diesem Blog und in der Zeitschrift Correos
klare Belege. Aufhorchen liess in diesem Zusammenhang die Meldung
des kolumbianischen Gesundheitsministeriums vom letzten 19. April, insbesondere
in Medellín habe man Schmuggelware aus Venezuela (und Ecuador) beschlagnahmt,
nämlich 9896 Medikamentenpakete, 5537 Medizinalgeräte und 570
Diagnostikreagenzien. Den Fund spielte die kolumbianische Regierung herunter:
abgelaufene Ware, die Erwähnung Ecuadors u. ä. Und vor zwei Tagen kritisierte
der venezolanische Gesundheitsminister Luis López anlässlich der Einweihung
eines Ambulatoriums in einem Stadtteil von Caracas eine weitere «Episode» in der
Strategie der Schürung eines Notstands im Gesundheitswesen: “Heute haben wir ein grosses Problem, das
der Imperialismus, die internationalen Banken verursachen (…) die Blockade
einer Transaktion von 7 Millionen Dollars seit einer Woche. Sie lassen sie
nicht zu und blockieren damit die Mittel, die das Leben von 15'000 Patienten
garantieren und ihnen verunmöglicht, dass sie ruhig ihre Dialyse und damit eine
Lebensqualität erhalten.»
Mnuchin, US-Finanzminister und Kriegstreiber |
Momentaufnahmen aus einem andauernden Prozess der
zivil-wirtschftlich-militärischen Eskalation – und eine Art von Wahlkampf für das «richtige
Resultat». Sollte dieses sich am Sonntag nicht einstellen – die «Demokratie» also
nicht funktionieren – würde dies bloss die Notwendigkeit einer «humanitären» Intervention
unterstreichen. Die Medienpropaganda wäre weiter geölt, die Krokodilstränen werden
reichlich fliessen.