Venezuela: Unhaltbare Vorwürfe

Freitag, 11. Januar 2019

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Venezuelas Präsident Maduro wird für neue Amtszeit vereidigt. Kritik an Wahlen unbegründet
Tibisay Lucena
Die Regierung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro wird attackiert. Vor allem die USA wollen seinen Sturz und sagen mit Blick auf die Vereidigung des Staatschefs zu einer neuen Amtszeit am heutigen Donnerstag, die Präsidentschaftswahl vom 20. Mai 2018 wurde gefälscht.
Wenn in Venezuela abgestimmt wird, eröffnen in- und ausländische Medien und politische Akteure eine Kampagne, um das Wahlsystem des Landes zu delegitimieren und die Ergebnisse in Zweifel zu ziehen. Diesmal geht es konkret um die Umstände der Ausrufung der Wahl, eine fehlende Beteiligung der Oppositionsparteien, qualifizierter und zuverlässiger internationaler Wahlbeobachter sowie um Garantien für die Transparenz des venezolanischen Wahlsystems.
Die Wahl vom 20. Mai 2018 wurde von der Nationalen Verfassunggebenden Versammlung (ANC, Asamblea Nacional Constituyente) ausgerufen. Kritiker meinen, das wäre illegitim, weil schon das Zustandekommen der ANC und deren Wahl vom 30. Juli 2017 verfassungswidrig gewesen sei. Dabei ging die Initiative dazu vom Präsidenten der Republik aus, und nach Artikel 348 der Verfassung ist er dazu befugt.
Die Frage, ob eine Aktivierung der Constituyente nur nach einer vorhergehenden Volksabstimmung möglich sein sollte, wurde bereits in der Verfassunggebenden Versammlung von 1999 diskutiert. Bereits damals wurde abgelehnt, ein nationales Referendum als Vorstufe für eine Verfassunggebenden Versammlung vorzuschreiben. Hugo Chávez schlug den Abgeordneten damals vor, die Einberufung einer ANC direkt möglich zu machen. Die verfassunggebende Staatsgewalt müsse »wachgehalten« werden, um aktiviert werden zu können, wenn die Umstände es erforderten.
Eben solche Umstände führten Maduro im Mai 2017 dazu, einen neuen ANC einzuberufen. Das Land wurde damals durch schreckliche Gewalt erschüttert, die 131 Menschenleben kostete. Mit der Wahl der Verfassunggebenden Versammlung am 30. Juli 2017 kehrte der Frieden nach Venezuela zurück, und dabei ist es seither geblieben.
Kritisiert wird auch, dass die Präsidentschaftswahl 2018 vorgezogen wurde. Ignoriert wird aber, dass Regierungsgegner 2017 selbst wiederholt sofortige Wahlen gefordert hatten. Unter Vermittlung des früheren spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero und verschiedener Außenminister der Region wurde in Santo Domingo Ende 2017 ein Abkommen ausgearbeitet, dass Regierung und Opposition zusammenbringen wollte. Maduro unterschrieb, die Opposition verweigerte sich.
Ein zweites Abkommen wurde von den Parteien und Kandidaten in der venezolanischen Hauptstadt unterzeichnet, die an der Präsidentschaftswahl teilnahmen. In beiden Texten wurde eine vorgezogene Präsidentschaftswahl vereinbart. In Santo Domingo war der 22. April festgelegt worden, im Vertrag von Caracas wurde daraus der 20. Mai 2018.
Auch dass es keine Beteiligung der Oppositionsparteien gegeben habe, ist falsch. Vier Kandidaten hatten sich eingeschrieben, die von 15 landesweit existierenden Parteien unterstützt wurden.
Es wurde auch viel darüber gesprochen, dass die Wahlen internationalen Standards nicht entsprochen hätten. Doch Venezuela verfügt über ein weltweit einzigartiges System von Garantien des automatisierten Wahlprozesses. Vor, während und nach den Wahlen werden die Software der Wahlmaschinen und anderer Infrastruktur, die Wählerverzeichnisse und der Wege zur Übermittlung der Ergebnisse überprüft. An jeder Kontrolle sind Techniker des Nationalen Wahlrats und von jeder Partei sowie externe Prüfer beteiligt. Zusätzlich nehmen nationale Beobachter und internationale Begleiter teil. Am Ende müssen sie ein entsprechendes Protokoll unterschreiben, das sofort auf der Webseite des Nationalen Wahlrats veröffentlicht wird. Für die Wahlen vom 20. Mai 2018 wurden 16 solche Überprüfungen durchgeführt.
Im Jahr 2006 wurde ein Programm zur Internationalen Wahlbegleitung eingeführt. Es ist technisch sehr weitgehend und umfasst alle Etappen und Aktivitäten im Zusammenhang mit den Wahlen. An dem Programm beteiligten sich 2018 rund 200 Vertreter von politischen und Wahlbehörden, Institutionen sowie akademische und journalistische Persönlichkeiten aus zahlreichen Ländern. Es beinhaltete die Beteiligung an den technischen Etappen und Aktivitäten im Vorfeld auf den Wahltag, während seines Verlaufs sowie im unmittelbaren Anschluss. Sie bietet den akkreditierten Teilnehmern umfangreiche Garantien für ihre Arbeit, damit sie wirklich die Zuverlässigkeit und Transparenz der Wahlen und ihrer Ergebnisse feststellen können. Sie liegen durch den hohen Stand der wahltechnischen Entwicklung in Venezuela in allen Fällen über den sogenannten internationalen Standards.
Es überrascht übrigens, dass die schärfsten Kritiken und die Verkündung einer Nichtanerkennung der Ergebnisse der Wahl vom 20. Mai 2018 oft aus Ländern kommen, deren eigene Wahlsysteme zerbrechlich und ohne die Garantien und Sicherheiten sind, die das venezolanische Wahlsystem bietet. Die Wahlen dort und ihre Ergebnisse können weder durch die teilnehmenden Parteien noch durch die ihr Wahlrecht ausübenden Bürgerinnen und Bürger überprüft werden.
Es ist offensichtlich, dass die Angriffe einen Zusammenbruch der venezolanischen Demokratie zum Ziel haben, weil die hinter ihnen stehenden Kräfte daran interessiert sind, sich die großen Naturreichtümer des Landes anzueignen. Die Angriffe auf das Wahlsystem und seine Ergebnisse sind dabei nichts anderes als eine politische Strategie. Sie stehen in keinem Verhältnis zur Stärke, die der Nationale Wahlrat über Jahre gewonnen hat, um die Integrität, Transparenz und Zuverlässigkeit der Stimmabgabe in Venezuela zu garantieren.
Übersetzung: André Scheer
Tibisay Lucena ist Präsidentin des Nationalen Wahlrats (CNE) Venezuelas. Diesen Beitrag verfasste sie exklusiv für junge Welt