Von Exxon zu Guaidó: Komplexe Angriffe auf Venezuela

Freitag, 11. Januar 2019


von Misión Verdad*

(9.1.19) am 8. Januar veröffentlichte Vizepräsidentin Delcy Rodríguez die Aufnahme der Gespräche zwischen der venezolanischen Marine und dem Forschungsschiff von ExxonMobil in Territorialgewässern der bolivarischen Republik.[1] Mit der Audioaufnahme bestätigt sich, dass dem Kapitän des Exxon-Schiffs klar war, dass er sich in venezolanischem Territoriums befand, mit dem Segen der Regierung von Guyana. Diese nimmt ihre Funktion als Proxy beim Aufbau von geopolitischem Druck im energetisch-territorialen Krieg zugunsten eines der grossen US-Ölunternehmens wahr.
Dies stellt eine Eskalation im Versuch von Exxon-Guyana dar, sich einen grossen Happen des venezolanischen Esequibo ergattern. Diplomatisch steht dafür die Berufung der ehemaligen britischen Kolonie auf den Pariser Schiedsspruch von 1899. Das entspräche einem grossen Teil des guyanischen Vorkommens, mit Unmengen von Erdöl, Gas, Mineralien und einer weltweit einzigartigen Biodiversität.
Einmal mehr kam es zu einem Eindringen in venezolanisches Gewässer, und die Marine reagierte entsprechend dem Protokoll. Das „Sie verteidigen Ihr Territorium“ des US-Kapitäns widerspiegelt klar seine Bereitschaft, sich in fremdem Gebiet wie zuhause aufzuführen, in Vertretung eines Ölunternehmen, für das Venezuela eine strategische Rolle im Szenario der US-Geopolitik zukommt.
An der inneren Front hat die politische Elite des Antichavismus alle ihre Kampfterrains vermint; sie stützt sich auf ein Parlament, das aufgrund von Urteilen des Obersten Gerichts keine legalen Kompetenzen hat.[2] Das bewirkte eine Destabilisierung des venezolanischen Staates via Parlament, dessen Chefs das Ziel, die Regierung Maduro zu stürzen, öffentlich beratschlagen.

Auftritt von Juan Guaidó
Juan Guaidó ist ein Kader der Partei Voluntad Popular. Am 5. Januar übernahm er aufgrund eines Pakts zwischen den vier stärksten Oppositionsparteien bzgl. rotierender Leitungsposten den Vorsitz des Parlaments. Guaidó wurde 2015 von José Rafael Pérez Venta als einer der Organisatoren und intellektuellen Autoren des Plans „La Salida“[3] genannt. Pérez Venta hatte einen Prozess wegen der skandalösen Zerstückelung einer oppositionellen Aktivistin aus kommerziellen Motiven.
OAS-Generalsekretär Luis Almagro hat Guaidó angerufen und das letzte Communiqué der Limagruppe gegen die Souveränität Venezuelas unterstützt, das Guaidó mit Support des State Departments der Trump-Administration dazu aufruft, das Staatspräsidium zu übernehmen. In einem Interview mit Guaidó in der spanischen Zeitung El Mundo meinte der Journalist:  „Radikale Oppositionsfaktoren und sogar der kolumbianische Ex-Präsident Andrés Pastrana verlangen von Ihnen mit Verweis auf die Machtvakanz, dass Sie sich selber als Präsident der Republik vereidigen.“ Der Abgeordnete antwortete: „Wir haben klar gesagt: Am 10. Januar beginnt eine neue Verfassungsetappe ohne gewählten Präsident in Venezuela. Wir sind in einer Situation der Macht, nicht des Rechts. In meinem Land gibt es keinen Rechtsstaat, sie haben ihn sukzessiv abgeschafft. Das anerkennen die Gruppe von Lima, die USA, Kanada und die europäische Union. Ich glaube, die Parlamentsarbeit besteht darin, die Kraft und die Bedingungen für eine Transition in Venezuela zu erschaffen.“
Guaidó schlägt vor, neue Gewaltproteste im Stil von 2014 und 2017 auszuschlachten, was seiner Partei Voluntad Popular zufolge in Kombination mit institutionellen und internationalen Pressionen einen Staatsstreich gegen Maduro auslösen sollte. Aufstand als Kampfform ist die Devise dieses schon gesetzesflüchtigen Teils der venezolanischen Opposition, die sich an den strategischen Interessen der USA ausrichtet. Dies zeigte sich in der vehementen Stellungnahme von Freddy Guevara, dem ehemaligen Parlamentsvizepräsidenten, heute im chilenischen Botschaftsasyl, der 2016 eine Entschädigung von ExxonMobil durch den venezolanischen Staat verlangte. Dieser antichavistische Sektor hatte sich öffentlich zum Sprecher für die Interessen des Ölmultis gemacht.
Einerseits wurde das Parlament vom Antichavismus als Proxy für die US-Interessen seit Anfang 2016 als politisches Instrument, um einen politischen Zusammenstoss zu erzwingen, der dann zum ersehnten Putsch führen würde, unterbenutzt. Andererseits diente es als Basis, um eine Art Parallelregierung einzurichten und einen militärischen Aufstand und eine Finanzblockade gegen Venezuela zu fördern. Guaidó würde also die bisher gescheiterte Gangsterstrategie fortsetzen, der es allerdings gelungen ist, auf venezolanischem Boden einiges Geschirr zu zerschlagen – auf wirtschaftlichem, sozialem, familiären und kulturellen Gebiet.
Es ist folglich eine internationale Eskalation mit einer von den US-Unternehmensinteressen in Geiselhaft genommenen Legislative zu erwarten. Vom Versuch des Präsidentenmordes bis zu den Grenzprovokationen der Nachbarländer führen alle Wege in ein geopolitisches Szenario, in dem sich die Administration Trump und China um die Ressourcen und die politische Einflussnahme in der westlichen Hemisphäre streiten, mit Venezuela in einer Schlüsselposition als Freund oder Feind.
·                  Misión Verdad, 9.1.19: De ExxonMobil a Guaidó: el mapa de complicidades de las agresiones a Venezuela




[1] Am 23. Dezember letzten Jahres zwang die venezolanische Marine Forschungsschiffe von ExxonMobil aus Guyana, sich aus laut Vizepräsidentin Rodríguez eindeutig venezolanischem Hoheitsgebiet zu entfernen. Hintergrund: Ein Schiedsspruch von 1899 sprach das rund 160‘000 km2 grosse Gebiet der damals britischen Kolonie Guyana zu. Venezuela weigerte sich später, das Urteil anzuerkennen, nachdem Mauscheleien in den Geheimverhandlungen bekannt wurden. Als das UK 1966 Guyana in die Unabhängigkeit entlassen musste, anerkannte es im Vertrag von Genf, dass das Esequibo-Gebiet umstritten sei. Die Frage ist mittlerweile beim Internationalen Gerichtshof hängig. Laut Delcy Rodríguez befanden sich die Exxon-Schiffe allerdings in eindeutig venezolanischem Hoheitsgebiet ausserhalb der Esequibozone.
[2] S. dazu Parlament = Putschstruktur, Correos 188, September 2017. Das von der Rechten dominierte neue Parlament hatte eine Reihe verfassungswidriger Amtsanmassungen beschlossen, von denen es wusste, dass das Oberste Gericht sie zurückweisen musste. Schliesslich vereidigte die Parlamentsmehrheit Ende 2016 drei Abgeordnete aus Amazonas, bei deren Sieg ein von der Rechten mit grösster Wahrscheinlichkeit ein Wahlbetrug im Spiel war. Das Oberste Gericht hatte eine Weile zuvor eine Wiederholung der Wahl angeordnet und angekündigt, bei einer allfälligen Vereidigung der drei Personen würden sämtliche folgenden Parlamentsbeschlüsse als unter illegalen Umständen zustande gekommen jegliche Rechtskraft verlieren. Die Rechte foutierte sich zwecks Aufbau internationaler „Massnahmen gegen die Diktatur“ darum.
[3] Gewalttätige Unruhen im Jahr 2014 gegen den ersten Wahlsieg von Maduro.