13.06.2019
/ Medien / Seite 15
Holzhammer hat ausgedient
Neue Taktik im medialen Anti-Kuba-Kampf gefordert:
Washington unzufrieden mit Wirkung von Radio und TV Martí
Volker
Hermsdorf
Washington
fällt gegenüber Kuba zunehmend in die hilflosen Drohgebärden des Kalten Krieges
zurück. Parallel zur Ausweitung der Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade
verschärft die Regierung Donald Trumps auch den propagandistischen Feldzug
gegen den sozialistischen Inselstaat. Neben der Rekrutierung und Schulung
»unabhängiger Journalisten« in Kuba und der Förderung antikommunistischer
Onlineplattformen in aller Welt setzt das Weiße Haus dabei vor allem auf den
staatlichen US-Sender Radio und TV Martí. Der kostet die US-Steuerzahler
jährlich rund 30 Millionen Dollar (ca. 26 Millionen Euro). Doch dieses Geld
wird einem Bericht der »United States Agency for Global Media« (USAGM) zufolge
zum Fenster hinausgeworfen. Die Bundesbehörde bescheinigte dem Sender
»schlechten Journalismus« und »ineffektive Propaganda« ohne jeden Einfluss in
Kuba. Als Abhilfe fordert die USAGM eine »neue, alternative Strategie der
redaktionellen Ausrichtung«.
Anlass
für die Untersuchung war ein Beitrag von Radio und TV Martí über den
Finanzspekulanten George Soros, der angeblich antisemitische Kommentare
enthielt. Die Behörde hatte daraufhin fünf Kommunikationsexperten beauftragt,
die Programme unter die Lupe zu nehmen. Diese kamen zu dem Schluss, dass die
Beiträge über Kuba häufig nur einen Teil der dargestellten Ereignisse
beleuchten und einseitig sowie in unangemessen scharfer Form die Angriffe des
»harten Teils« der Systemgegner wiedergäben. Die Berichterstattung erfolge
zudem in einem »altmodischen, überholten Propagandastil des permanenten
Einhämmerns«, bemängelte Edward Schumacher-Matos, Professor an der Fletcher
School of Law and Diplomacy der Tufts University Medford/Massachusetts und
Vorsitzender der Kommission. Jede Kritik an der kubanischen Regierung sei
erlaubt und werde unabhängig von deren Wahrheitsgehalt verbreitet. »Die
etablierten journalistischen Normen werden routinemäßig zugunsten von
propagandistischen Kommunikationstaktiken ignoriert«, lautete das Fazit des
Berichts.
Die am
21. Mai veröffentlichten Ergebnisse sind angesichts der Geschichte des Senders
nicht überraschend. Nach dem Vorbild von Radio Free Europe und Radio
Liberty hatte US-Präsident Ronald Reagan 1985 zunächst nur Radio Martí
ins Leben gerufen, der später um TV Martí und das Nachrichtenportal Martínoticias
erweitert wurde. Als Aufsichtsbehörde fungiert das Office of Cuba Broadcasting
(OCB) in Miami, das wiederum der Bundesbehörde USAGM untersteht (bis August
2018 Broadcasting Board of Governors, BBG). Deren offizieller Auftrag besteht
in der »Förderung von Freiheit und Demokratie auf der Welt«. Das soll nach
Ansicht von Hardlinern notfalls mit dem Holzhammer geschehen.
Nach
Amtsantritt von Trump forderten rechte Politiker in Miami die Ablösung der als
»liberal« geltenden OCB-Direktorin Maria González. Die aus Puerto Rico
stammende Journalistin, die bei Radio und TV Martí einen seriöseren
Journalismus etablieren wollte, wurde aus dem Amt gemobbt und im Juni 2018
durch Tomás Regalado, den Wunschkandidaten reaktionärer Exilkubaner ersetzt.
Unter ihm würden die Programme »mutiger und aggressiver« werden, kündigte der
frühere Bürgermeister von Miami an. Mario Díaz-Balart, ultrarechter Vertreter
Floridas im Kongress, feierte die Wahl seines alten Kampfgefährten mit dem
Satz: »Ich freue mich darauf, mit ihm (…) dem kubanischen Volk die Wahrheit zu
bringen.«
Regalados
Rhetorik verfehlt indes die erhoffte Wirkung. Da 40 Prozent der kubanischen
Bevölkerung nach dem Untergang der Sowjetunion geboren wurden, sollten die
Themen aus der Zeit des Kalten Krieges durch aktuellere Bezüge ersetzt werden,
heißt es in dem am 21. Mai auf der Homepage von Voice of America
veröffentlichten USAGM-Bericht (https://kurzlink.de/Anti-Kuba-Propaganda). Die
Verfasser empfehlen dem OCB deshalb, die »offene Form der Opposition und der
Feindseligkeit gegenüber der gesamten Kubanischen Revolution in all ihren
sozialen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Aspekten« zu
überdenken. Sie fordern einen »neuen redaktionellen Ansatz«, der sich an
»modernen Methoden zur Vermittlung politischer Botschaften« orientiert. Um die
Bevölkerung zu beeinflussen, müssten die Berichte den Menschen in Kuba vor
allem Empathie vermitteln, erklären die Experten. »Du musst zeigen, dass du
ihre Situation verstehst, dass du mit ihnen sympathisierst, dass du sowohl das
Gute als auch das Schlechte in ihrem Leben und die Probleme, denen sie
gegenüberstehen, schätzt«, raten sie. Der kubanische Journalist Manuel
Henríquez Lagarde hält diese Art Strategie der subversiven politischen
Beeinflussung indes weder für neu noch originell. Sie entspräche exakt dem
Konzept »unabhängiger« Webseiten über Kuba, die reichlich im Internet vorhanden
seien, schreibt er in seinem Blog Cambios en Cuba. Einen eventuellen
Relaunch des US-Propagandasenders kommentiert er mit Ironie: »Müssen wir jetzt
damit rechnen, dass der Sender, der seit 34 Jahren den Namen José Martís
beschmutzt, uns künftig als ›revolutionär und sozialistisch‹ verkauft werden
soll?«
Den
Artikel finden Sie unter: https://www.jungewelt.de/artikel/356611.geldverschwendung-holzhammer-hat-ausgedient.html
(c) Junge
Welt 2019