(zas, 8.11.20) Sie hatten vor ein paar Tagen einen Mordanschlag mit Dynamit auf den gewählten Präsidenten gemacht. In Santa Cruz, der Metropole von Kapital und Faschismus im Land, hatten sie einen Generalstreik ausgerufen. Forderung: die Armee muss die «Regierungsusurpation» des MAS verhindern. Sie mussten ihn gestern abblasen. Bekannterweise gibt es in Lateinamerika und der Karibik keinen Putsch, wenn die USA nicht dabei sind. Das MAS hatte mit 55.1 Prozent doppelt so viele Stimmen gemacht wie der mit Abstand bestplatzierte Kandidat der Rechten. Weshalb Washington beschloss, erst mal auf Demokratie zu machen.
Heute traten Luis Arce als Präsident und David Choquehuanca als Vize ihr Amt an.
Die Präsidialgarde des neuen Präsidenten stellten bei der Zeremonie des Antritts (keine Zeremonie der Amtsübergabe: Die Putschpräsidentin Áñez hatte sich am Vortag verzogen) bestand nicht aus Militärs, sondern aus AktivistInnen der Bewegungen. Gegen allfällige Sabotageaktionen hatten die sozialen Organisationen ihre Mitglieder auf die Plaza mobilisiert.
Die Antrittsrede von Arce beinhaltete wichtige Momente, auch ergreifende. Er begann sie mit der Aussage, dass er hier für jene stehe, die von den rassistischen Putschisten ermordet worden waren, und für jene, die heroisch für die Wiederherstellung der Demokratie gekämpft haben.
Demokratie, beeilte er sich klarzustellen, beinhaltet mehr als Stimmabgabe. Sie bedingt soziale Gerechtigkeit, Gesundheitsversorgung, Teilhabe am Reichtum. Im Land gebe es Kräfte, die eine ausschliessende Demokratie wollen (keine Indígenas, keine Plebs, die mitredet). Das MAS aber wolle eine Demokratie für alle. Grosser Applaus bricht aus. Die Leute im Publikum - es sind Frauen in der traditionellen Pollera, Büetzer – wissen, wovon Arce redet. Dass sie zählen, Menschen sind, mit den gleichen Rechten wie sonst wer, ihr Schicksal selber bestimmen.
Den anwesenden «Brüdern und Schwestern» der internationalen Gemeinschaft - den Regierungsdelegationen - teilte er mit: «Wir sind eine souveräne Nation». Bolivien insistiere auf der vollen Souveränität, wie sie jeder Nation zustehe. Keine Ausbeutung via Bodenschätze. Dafür: Wiederaufnahme des Projekts der lateinamerikanischen Einheit, der Staatenbündnisse UNASUR (Südamerika) und der CELAG (Karibik und Lateinamerika). Keine Musik in den Ohren der imperialen Mächte – wo man doch die OAS hat.
Und ergreifend, zum Schluss, die Worte: «Ich vergesse nie» die Opfer der Putschdiktatur, die Begegnungen mit den Leuten im Land, die Geschichten, die sie erzählten – dabei kamen ihm die Tränen. Jallala, Bolivia.
Freude auf der Plaza während der Antrittszeremonie.