In Honduras tritt Präsidentin Xiomara Castro ihr Amt an

Sonntag, 30. Januar 2022

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Feiernde Menschen prägen die Amtseinführung. Castro spricht in ihrer Antrittsrede unverblümt die katastrophale Lage des Landes an. Volksbefragungen gegen parlamentarisches Patt?

Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro
Die Präsidentin von Honduras, Xiomara Castro

Tegucigalpa. Mit Xiomara Castro hat zum ersten Mal eine Frau die Präsidentschaft von Honduras übernommen. Die Vereidigung fand am Donnerstag im Nationalen Stadion in der Hauptstadt Tegucigalpa statt. Der Zeremonie wohnten unzählige Honduraner:innen und 57 internationale Delegationen bei.

Die Liveübertragung des digitalen Fernsehsenders Une TV zeigte eine im Stadion und auf den Straßen der Hauptstadt ausgelassen feiernde Bevölkerung. Zu den geladenen Gästen gehörten unter anderen die beiden Vizepräsidentinnen Christina Fernández aus Argentinien und Kamala Harris aus den USA. Neben hohen Vertreter:innen weiterer Staaten waren auch die ehemaligen Präsident:innen Dilma Rousseff aus Brasilien, Fernando Lugo aus Paraguay und der spanische König Felipe VI anwesend.

Castros Antrittsrede begann mit dem finanziellen und sozialen Zustand des Staates, den sie nach den drei vorangegangenen Regierungen seit dem Militärputsch im Jahr 2009 übernimmt. Honduras stünde einer Tragödie gegenüber und sei ein bankrotter Staat, der eine Inlandsverschuldung von 700 Prozent und eine Auslandsverschuldung von 319 Prozent des Bruttoinlandprodukts aufweise. Die Hälfte des Staatshaushalts würde derzeit für die Schuldenzahlungen aufgebracht. 74 Prozent der Bevölkerung lebten in Armut und Tausende Honduraner:innen würden in den Norden fliehen, so die Bestandsaufnahme der neuen Präsidentin.

In den letzten 12 Jahren sei die Gesetzgebung für Interessengruppen genutzt worden, ungeachtet dessen, dass sie dadurch der Bevölkerung Schaden zugefügt haben. Castro bezeichnet diese Periode als das korrupte Jahrzehnt von Honduras. Als Beispiel für Korruption und Bereicherung einzelner Interessengruppen hob sie die Zerstörung des nationalen Energieunternehmens (ENEE) hervor. Es seien Dutzende Verträge mit Stromerzeugern zu "ungünstigen Preisen" geschlossen worden. Als erste Konsequenz ordnet sie an, dass die mehr als eine Millionen Haushalte, die in Armut leben und weniger als 150 Kilowatt pro Monat verbrauchen, ihre Energierechnung ab sofort nicht mehr bezahlen müssen. Um die kostenlose Energie für die Ärmsten abzudecken, werden Großverbraucher zukünftig einen zusätzlichen Betrag in ihrer Rechnung übernehmen.

Darüber hinaus kündigte Castro an, dass ihre Regierung einen Gesetzentwurf in den Kongress einbringen wird, der das Gesetz über die Sonderarbeits- und Wirtschaftszonen (Zedes) außer Kraft setzen soll. Zedes käme einer Veräußerung honduranischen Territoriums an nationale und internationale Investor:innen gleich, so die Kritik. Des weiteren werde sie in ihren ersten Amtshandlungen den Fokus auf Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Arbeit legen. Die öffentlichen Schulen müssten sofort geöffnet werden und gratis sein.

Castro bekannte sich in ihrer Antrittsrede zu dem Vorschlag eines demokratischen Sozialismus. Sie wandte sich an die honduranische Bevölkerung und forderte den Nationalkongress auf, ein Gesetz zur bürgerlichen Beteiligung zu verabschieden. Die Präsidentin machte deutlich, dass Regierungsvorhaben mit Volksbefragungen nicht mehr an die 86 notwendigen Abgeordnetenstimmen gebunden seien und die Bevölkerung direkt entscheiden würde.

Sie wolle sich auch für die Freilassung der politischen Gefangenen von Guapinol und für Gerechtigkeit im Fall der ermordeten indigenen Menschenrechtsverteidigerin Berta Cáceres einsetzen, so die Präsidentin.

Zum Abschluss der Amtseinführung überreichte Bertha Zuniga Cáceres, Koordinatorin des Zivilen Rates der indigenen und Volksorganisationen (COPINH) und Tochter der ermordeten Berta Cáceres, die Vara Alta Lenca (den "Hohen Stab" der indigenen Lenca) als heiliges Symbol der Lenca-Autoritäten und weiterer indigener Völker von Honduras. Zuniga erklärt gegenüber amerika21: "Wir sind froh über das Ende der 12 Jahre anhaltenden Putschverhältnisse, die viele Tote, Entbehrungen und Leiden gebracht haben. Wir werden über die historischen Forderungen der indigenen Völker genau wachen, besonders bei Themen der Konzessionierung unserer Territorien, der Bildung, Gesundheit und auch bei der Einbeziehung unserer Strukturen in die Entscheidungsfindung.“

Castro schloss ihre Antrittsrede mit den Worten: "Honduranische Frauen, ich werde Euch nicht enttäuschen, ich werde Eure Rechte verteidigen, zählt auf mich."

Die institutionelle Krise, die durch die Wahl zweier konkurrierender Kongresspäsidenten letztes Wochenende sichtbar wurde (amerika21 berichtete), spiegelte sich auch im Moment des Amtseids von Castro wieder. Luis Redondo, der das von Castro unterstützte Kongresspräsidium führt, fügte kaum hörbar während des Eids "... und in Anwesenheit des Präsidenten des Kongresses" hinzu, woraufhin Richterin Romero entgegnete, dass ein Verfassungsartikel dies verbiete.

Diese institutionelle Krise dürfte bald in eine weitere Runde gehen. Nach Aussage einiger honduranischer Beobachter:innen ist es wahrscheinlich, dass Abgeordnete unter Vorsitz des konkurrierenden Kongresspräsidenten und ehemaligen Libre-Abgeordneten Jorge Calix eine Klage bei der Verfassungskammer einbringen werden. Das juristische Personal, das noch von Castros Amtsvorgänger im Gerichtshof eingesetzt wurde, wird diese Institution noch bis zum Jahr 2023 dominieren. Eine Entscheidung über die mögliche Klage würde frühestens in einem Jahr gefällt werden.