Kolumbien: Das IKRK im Zwielicht

Sonntag, 20. März 2022

 
 
(zas, 20.3.22) Die kolumbianische ELN-Guerilla veröffentlichte am 16. März d. J. schwerwiegendeVorwürfe gegen das IKRK Kolumbien. Hier ihr Schreiben an das IKRK:

 

 

März 2022

Freundlichen Gruss.

Wir dachten, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sei definiert als «eine unparteiische, neutrale und unabhängige Organisation mit der ausschliesslich humanitären Mission, Leben und Würde der Opfer von Krieg und interner Gewalt zu schützen».  Aber leider ändern sein Handeln und die neuen Definitionen, die es angenommen hat, seine Natur und damit seine Rolle in internen Konflikten wie im Fall von Kolumbien substantiell.

Seit über zwei Jahrzehnten gab es eine Koordination mit dem IKRK, um humanitäre Aktionen wie die Freilassung von Festgehaltenen und Kriegsgefangenen voranzubringen. In diesem Sinn schrieben wir Ihnen am 16. Januar:

«Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass Guerillaeinheiten der Kriegsfront Darío Ramírez Castro die Sergeantin Dariana del Carmen Mora Beleño vom kolumbianischen Heer mit der ID-Nummer 3'091'350'078 aus Cúcuta, geboren am 12. Juli 1998, gefangen genommen haben. Sie gibt an, für geheimdienstliche Erkundigungen in unsere Operationszone geschickt worden zu sein. Um ihre formelle Übergabe via IKRK zu bewerkstelligen, müssen Sie uns über die Armeeeinheit dieser Person und ihre direkte Befehlskette informieren, so dass anschliessend die Schritte zu ihrer Freilassung als humanitäre Geste in Gang gebracht werden können. Wir verbleiben in Erwartung Ihrer Antwort. Leitung der Kriegsfront Darío Castro.»

Erst Mitte Februar erhielten wir von Ihnen eine verbale Antwort, die in der Sie Ihre sehr speziellen Ansichten zur Charakterisierung des kolumbianischen Konflikts darlegten, anders als es mit dem IKRK unter früheren Führungen der Fall war.

Mit der neuen Charakterisierung des kolumbianischen Konflikts anerkennt das IKRK politisch den Clan del Golfo[1], negiert die Existenz politischer Gefangener in Kolumbien und modifiziert sein Prozedere bei Gefangenendienstleistungen.

Das IKRK sagt, nicht über Dispositive für medizinische Hilfe zu verfügen, wurde aber bei der Pflege von verletzten Paramilitärs im Chocó ertappt; es weigert sich, Schritte zur Identifizierung der Kriegsgefangenen zu machen, zu verifizieren, ob sie bei Polizei oder Armee Mitglied sind, um, wie es das Internationale Humanitäre  Recht vorsieht, so ihre verantwortliche Befehlskette zu festzustellen; es weigert sich, diese stipulierte Funktion zu erfüllen und gibt sich dazu her, freigelassene Kriegsgefangene als «Entführte» darzustellen. Es spielt so das Spiel in die Hände der kolumbianischen Regierung, also unserer Gegenseite im Konflikt.  

Über das IKRK haben wir weiter mehrere Minderjährige freigelassen, die von der kolumbianischen Armee zwecks Spionage in unsere Guerillaeinheiten eingeschleust worden waren, aber das IKRK hat sich geweigert, öffentlich den humanitären Charakter dieser Freilassungen und der Rolle der Freigelassenen darzustellen. Es hat sich dafür hergegeben, diese als «von der Guerilla rekrutiere Minderjährige» erscheinen zu lassen, während diese Minderjährigen ab 8 oder 9 Jahren in Tat und Wahrheit von Regierungsstreitkräften für Geheimdienstaufgaben rekrutiert worden waren. Am schwerwiegendsten ist jedoch, dass das IKRK nichts zu dieser Praxis sagt, als ob sie normal wäre oder das IKRK sie deckte.

Das Vorgängige bedeutet, dass das IKRK aufgehört hat, eine neutrale und unabhängige Instanz zu sein, und Partei für eine Seite ergreift. Es hat sich so für eine humanitäre Rolle disqualifiziert.

Dirección Nacional

Ejército de Liberación Nacional



[1] A. d. Ü.: Paramilitärische Narcoformation, auch bekannt als Los Urabeños oder Autodefensas Gaitanistas de Colombia.