(zas, 2.3.22) Für die Reichen ist das Land eine Einladung zum Steuerbetrug, für Arme und Indígenas eine Marter.
Zwangssterilisierungen von indigenen Frauen
Am 22. Februar dieses Jahres beendete die Präsidentin der Frauen- und Familienkommission des von der Regierungspartei PRD dominierten Parlaments abrupt eine Anhörung der Vizegesundheitsministerin zum Thema der Infektionskrankheit Leishmaniasis. Denn die unabhängige Abgeordnete Walkiria Chandler hatte die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, die Vize zur Zwangssterilisierungen von Frauen in der indigenen Zone Ngäbe-Buglé[i] zu befragen. Im Oktober des Vorjahres hatte Chandler zusammen mit anderen Kommissionsmitgliedern einen mehrhundertseitigen Bericht zum Thema der Zwangssterilisierungen vorgelegt, worauf der Gesundheitsminister zur Aufklärung vorgeladen worden war. Doch der Mann fand dafür nie Zeit. Also wollte sich die Feministin bei seiner Vertreterin kundig machen, zum Missfallen der PRD-Mehrheit.
Angefangen hatte die Dynamik, als sich letzten Oktober der angesagte Besuch von Chandler und anderen ParlamentarierInnen in Charco la Pava in der indigenen Sonderprovinz Ngäbe-Buglé in Sachen Leishmaniasis herumsprach. Als die Parlamentarierinnen eintrafen, waren viele Leute, teilweise nach einem dreitägigen Fussmarsch, anwesend. Ihr Thema war nicht die Leishmanisais. Die Comunidades hatten sich organisiert, um die Anwesenheit der Prominenz und der Medien zu nutzen. Die Besucherinnen hörten die Zeugnisse von Frauen, die berichteten, wie sie im öffentlichen Spital bei der Kindsgeburt ohne Einwilligung sterilisiert worden waren. Eine Frau erzählte etwa: Sie war vor einer Operation – sie litt starke Schmerzen – am Arm ergriffen worden und so zu einer Unterschrift unter ein Dokument gezwungen wurde, von dessen Inhalt sie nichts wusste (ihre «Zustimmung» zur Sterilisierung). Die Besuchsdelegation hatte in ihrem Bericht Zeugnisse von zwölf Frauen wiedergegeben. Laut ihren Aussagen repräsentieren sie eine weitaus grössere Gruppe von Betroffenen.
Die «Suspendierung» der Kommissionssitzung hatte zur Folge, dass keine Untersuchungskommission organisiert wurde.
Indigene Mobilisierung gegen Stromunternehmen und Repression
Der Stausee Barro Blanco befindet sich just nicht mehr auf dem Gebiet der Sonderzone Ngäbe-Buglé, wo er verboten wäre. Aber das Unternehmen vernutzt den heiligen Fluss Tabasará, Lebensgrundlage für rund 15'000 betroffenen Familien, und verursacht zum Beispiel grosse Überschwemmungen. Seit Jahren haben die Leute deshalb ein Protestcamp vor dem Eingang zum Stauwerk am Laufen. Letzten Oktober, ungefähr gleichzeitig wie die Vorlage des Zwangssterilisierungsberichts vor der zuständigen Kommission, räumte die Polizei das Lager mit Tränengas, Gummischrot und anderen Waffen - erneut. Rund ein Dutzend Kinder und Erwachsene erlitten dabei schwere Verletzungen, ein Kind verlor ein Auge. Barro Blanco ist bis April 2021 von den beiden offiziellen Entwicklungsfinanzagenturen DEG (Deutschland) und FMO (Niederlande) cofinanziert worden, bis ihre je $ 25 Millionen-Investitionen zurückbezahlt worden waren. DEG und FMO unterstützten finanziell auch die Betreiberin DESA eines ähnlich gelagerten Projekts in Honduras. Die DESA ist in die Ermordung der indigenen Flussverteidigerin Berta Cáceres involviert, was die beiden europäischen Agenturen schliesslich zum Rückzug vom Projekt zwang.
Gegen das Protestcamp |
In der Zone der Ngäabe-Buglé |
Kein Zufall natürlich, trifft die Politik der Bevölkerungskontrolle per Zwangssterilisierung in Panama die gleichen indigenen Comunidades, die sich gegen die Sorte Entwicklungsprojekte wehren, wie sie von Europa aus gerne finanziert werden.
[i] Nach langen Kämpfen gegen Minen und Stauseeunternehmen auf dem Gebiet der indigenen Völker wurde diese Spezialprovinz 1997 offizialisiert. Das ausgehandelte Verbot von Bergbau wurde jedoch gleich zu Beginn von Regierung und Parlament abgeschafft.