Bolivien: etwas Hintergrund zu den aktuellen Wirren

Mittwoch, 28. September 2011



(zas, 28.89.11) „Bolivianische Polizei knüppelt Amazonas-Indianer nieder“ – solche Titel wie im Tagi Online sind dieser Tage keine Seltenheit. Sie scheinen zuzutreffen und doch transportieren sie eine Lüge. Dahinter steckt aber auch eine tatsächlich reaktionäre, repressive Handlung von Staatsorganen.
Für etwas Backgroundwissen zu den gefährlichen Vorkommnissen der letzten Tage in Bolivien empfehlen wir die Lektüre von zwei Artikeln von Federico Fuentes auf Englisch: Bolivia: NGOs wrong on Morales and Amazon  von letzter Woche und Bolivia: Crisis deepens over disputed highway von gestern.
Fuentes wehrt sich gegen das Bild eines indigen-ökologischen Protestes, der von einer technokratisch-repressiven Regierung angegriffen wird.

BND: Nach wie vor wird Colonia Dignidad gedeckt

Montag, 26. September 2011

(zas, 27.9.11) Die bekannte Journalistin Gaby Weber berichtet soeben in „Der BND und die für Folter und Kindesmissbrauch bekannte Colonia Dignidad“ über eine Aktenvernichtung der besonderen Art durch den deutschen Geheimdienst BND. Sie hatte den Dienst auf gerichtlichem Wege gezwungen, ihr Akten über die berüchtigte deutsche Folter- und Kindsmissbrauchsiedlung Colonia Dignidad in Chile herauszurücken. Was sie in der Folge erhielt, bestand insbesondere aus der Mitteilung, der BND habe die Akten, die über die jahrzehntelange enge Kooperation des pinochetistischen Folterzentrums mit den deutschen Behörden hätten Auskunft geben können, bei einer „Notvernichtungshandlung“ zerstört.

Seit der von den US-Diensten und dem Vatikan nach dem 2. Weltkrieg betriebenen „Rattenlinie“ – Fluchtorganisation für Nazis nach Lateinamerika - sind Verbindungen bundesdeutscher Regierungsinstitutionen, insbesondere auch des Bundesnachrichtendienstes BND (unter US-Leitung aus der nazistischen Organisation Gehlen heraus gegründet) mit den in Sicherheit gebrachten Nazis und den von diesen im US-Auftrag ausgebildeten Repressionsapparaten in Lateinamerika bekannt. Typisch und erschreckend etwa der Fall von Klaus Barbie, des Gestapo-„Schlächters von Lyon“ und nachmaligen CIA-assets in Bolivien, von dem kürzlich nachgewiesen worden ist, dass er dort (auch) vom BND bezahlt worden ist (Die Akte Klaus Barbie, taz, 9.2.11).

Nach über 60 Jahre also sollen, wie wir dem Artikel von Gaby Weber entnehmen müssen, solche Zusammenhänge mittels der Politik des Verschweigens weiter verdeckt bleiben. Dies nicht einfach aus „Nostalgie“, sondern weil die Komplizenschaft nach wie vor aktuell ist. Hier ist der Fall jenes Christian Lüth anzusiedeln, den Harald Neuber kürzlich geschildert hat (BRD/Honduras: Putsch-Verteidiger soll Entwicklungshilfe leiten). Lüth vertrat die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS) in Zentralamerika. Er outete sich in dieser Zeit als aktiver und hartnäckiger Unterstützer des Putsches in Honduras. Unter seiner Mitwirkung durfte die FNS auch die honduranische Putschpolizei „beraten“, zusammen mit deutschen PolizeivertreterInnen (Honduras: Deutschland putscht weiter). Sein Wechsel ins Entwicklungsministerium BMZ bedeutet vermutlich, dass die Repressionskooperation künftig verstärkt werden wird.

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Gerade zum gleichen Thema auf amerika21.de publiziert:

BND-Nazi Rauff beschäftigt den Bundestag

Venezuela: Unternehmerverband übt sich in „chavistischer Sprache“

Mittwoch, 21. September 2011



(zas, 21.9.11) Im Februar 2010 entliess der venezolanische Präsident Hugo Chávez überraschend den marxistischen Handelsminister Eduardo Samán. Allgemein hielt man den energischen Kampf des Ministers gegen die von einigen Grossunternehmen systematisch betriebene Hortung von Nahrungsmitteln für den Anlass der Kündigung; kurz vor den Parlamentswahlen vom folgenden September habe Chávez versucht, die Polarisierung mit den Nahrungsunternehmen zu mindern und diese so dazu zu animieren, die Lage auf dem Nahrungsmarkt nicht noch weiter zuzuspitzen (vgl. Interview mit Samán in Correos 164, Dezember 2010) .
Nun wirft ein von Wikileaks veröffentlichtes Kabel der US-Botschaft in Caracas - DRAFT INTELLECTUAL PROPERTY LEGISLATION HAS AN UNCERTAIN vom 11. Februar 2010 – ein etwas anderes Licht auf die Kündigung. Stein des Anstosses sei ein radikaler Gesetzvorschlag von Samán zum Patentrecht gewesen, versichert die Botschaft nach einem Gespräch mit Fernando Allende vom Pharmaverband Caveme (primär ausländische Multis). Statt Patenten, so die Botschaft, visiere Samán eine Art Konzession an. Doch sein Vorschlag, zitiert das Kabel Allende, habe „keine Chance“, angenommen zu werden. „Chavez“, schreibt die Botschaft, „wird Saman vermutlich vor den Parlamentswahlen … zurückrufen“ – in den Worten des Caveme-Vertreters „wie einen Hund an der Leine“.
Offenbar wusste Caveme noch vor Samán selber, schon am 25. Januar, von seiner wahrscheinlichen Entlassung … Das Kabel erwähnt weiter einen Gegenvorschlag des Pharmaverbandes für ein Patentgesetz. Dieses sei, zitiert das Kabel den Caveme-Vertreter, mit Blick auf den lukrativen venezolanischen Markt (Jahresumsatz $ 6 Mrd.), „in chavistischer Sprache geschrieben, um eine offene Konfrontation mit Chávez zu verhindern. Das Kabel weiter: „Caveme hat einen Vorschlag mithilfe von Hildegard Rondón Sanso, der gut vernetzten Schwiegermutter von Rafael Ramírez, Präsident [des staatlichen Erdölkonzerns] Pdvsa, erarbeitet, der ‚den Entwurf von Samán versenkt’“.  
Eduardo Samán

Ein Grund unter anderen, den Allende dem Botschaftspersonal gegenüber anführt, warum Chávez auf Samán Vorschlag nicht eingehen könne, ist, dass dieser „die venezolanische Kampagne für den Mercosur-Beitritt schädigen könnte“.
In einem Interview mit Samán vom 19. September 2011 auf aporrea.org erklärt der Ex-Minister, der im Übrigen an der Führungsfunktion von Hugo Chávez im Prozess in Venezuela keinen Zweifel lässt, die Hintergründe der Patentauseinandersetzung. Zwar verpflichte die WTO-Mitgliedschaft das Land zu einem Gesetz über intellektuelles Eigentum, doch nicht zu einer bestimmten Definition desselben. Grundsätzlich sei es WTO-konform, statt Patente – Besitzansprüche – einjährige Konzessionen zu bestimmten Bedingungen zu erteilen, zu denen etwa die Produktion im Land und Knowhow-Transfer gehören. Bei Bruch dieser Verpflichtungen würde die Konzession sofort hinfällig. Die Pharmakonzerne würden selbst dem seit hundert Jahren erhältlichen Aspirin eine neue Farbe und einen neuen Guss verpassen und erneut ein Patent anmelden.
Samán erläutert die Lage mit einem Beispiel: Für das Osteoporose-Medikament Fosamax (4x70 mg) verlangt die Herstellerin Merck 77.0 Bolívares oder $18.11. Die venezolanische Generikaherstellerin Genven vertreibt das gleiche Produkt für $5.37. In Chile, das ein mit dem Freihandelsvertrag mit den USA noch zugespitztes Patentrecht kennt, kostet Fosamax $80.7.
Samán musste gehen. Sein Amtsnachfolger hat bis heute jeden Anschein von „Radikalität“ vermieden. Hoffen wir, dass sich in dieser Frage jene Kräfte im Regierungslager durchsetzen, die sich nicht einfach aus Opportunitätsgründen der „chavistischen Sprache“ befleissigen, sondern das Wohl der Kranken über den Extraprofit der Pharmakonzerne stellen.

BRD/Honduras: Putsch-Verteidiger soll Entwicklungshilfe leiten

Dienstag, 20. September 2011

20. Sep 2011 |

Kritik an Berufung von Vertreter der Naumann-Stiftung in Ministerium. Mitarbeiter hatte Umsturz in Honduras 2009 befürwortet

Berlin/Tegucigalpa. Während die FDP im Superwahljahr 2011 beinahe von der politischen Bildfläche verschwunden ist, sorgt die parteinahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNSt) weiter für Konflikte im politischen Berlin. So haben mehrere Vertreter der Opposition im Bundestag die Versetzung des umstrittenen bisherigen Stiftungsvertreters in Honduras, Christian Lüth, in das Entwicklungsministerium (BMZ) kritisiert. Lüth war zum Zeitpunkt des Putsches gegen die letzte demokratisch gewählte Regierung des mittelamerikanischen Landes Ende Juni 2009 Leiter des FNSt-Büros in Honduras. Vertreter deutscher Parteien, von Nichtregierungsorganisationen und der honduranischen Demokratiebewegung warfen Lüth vor, den Sturz des damaligen Präsidenten Manuel Zelaya befürwortet und im Hintergrund mutmaßlich sogar unterstützt zu haben.
Auf eine Anfrage (siehe Anhang) des Grünen-Bundestagsabgeordneten Thilo Hoppe bestätigte nun die Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ, Gudrun Kopp, die Berufung Lüths in das Ressort unter Leitung seines FDP-Parteifreundes Dirk Niebel. Er werde dort "als Referent im Bereich der Steuerung der Durchführungsorganisationen eingesetzt" schreibt Kopp. In seiner  Anfrage hatte der Grünen-Abgeordnete darauf hingewiesen, dass Lüth als Stiftungsvertreter "den Putsch in Honduras im Juni 2009 rechtfertigte und damit in Opposition zu der Einschätzung von Organisation Amerikanischer Staaten, der Europäischen Union, der UNO und auch der deutschen Bundesregierung stand".
"Dass Christian Lüth nun in das BMZ wechselt und in dem Referat arbeitet, das mit der Steuerung der Durchführungsorganisationen befasst ist, wirft einige Fragen auf", sagte Hoppe nun im Interview mit amerika21.de. Nach dem international geächteten Putsch in Honduras habe Lüth zu den wenigen gehört, die den Umsturz rechtfertigten. "Lüth sollte klarstellen, ob er immer noch der Meinung sei, die Putschisten hätten damals gute Argumente für den Staatsstreich gehabt", forderte der Bundestagsabgeordnete: "Und auch das BMZ sollte Klarheit darüber herstellen, wie es die damalige Vorgänge beurteilt." Schließlich habe auch die damalige Bundesregierung der großen Koalition den Putsch mit deutlichen Worten verurteilt. "Nun treten Zweifel auf, ob es die Bundesregierung bei dieser Position geblieben ist oder durch den Einfluss der FDP und der Friedrich-Naumann-Stiftung die Sache jetzt anders sieht", urteilt Hoppe.
Auf Kritik stößt die Berufung auch bei der Linkspartei. Gegenüber amerika21.de wies auch die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel darauf hin, dass die Position der Naumann-Stiftung zum Putsch in Honduras im Widerspruch zum Urteil der UNO, der OAS, der EU und der damaligen deutschen Regierung stand. "Die erneute Stellenbesetzung im BMZ mit Führungspersonen aus der umstrittenen Friedrich-Naumann-Stiftung wird natürlich politische Auswirkungen haben und die Haltung gegenüber progressiven Regierungen in Lateinamerika weiter nach rechts verschieben." Dies habe man an anderer Stelle bereits bei der Ablehnung der Unterstützung des Yasuni/ITT-Projektes in Ecuador erlebt, fügte Hänsel an.

Hausaufgaben

Sonntag, 18. September 2011


Trikont-Grüsse

Der „Tagesanzeiger Online“ von gestern Samstag:


Pharmariese Roche greift in Griechenland durch

Aktualisiert am 17.09.2011
"Der Schweizer Pharmakonzern hat Medikamenten-Lieferungen an zahlungsunwillige Spitäler in Griechenland gestoppt. Ähnliches könnte auch Spitälern in andern südeuropäischen Ländern blühen."

"Allerdings würden die Basler die Lieferungen an Apotheken im hoch verschuldeten Land erhöhen, Patienten würden keine Medikamente vorenthalten. Für einige Krebs-Behandlungen müssen die Betroffenen das Mittel nun jedoch in der Apotheke holen und ins Spital zurückbringen, damit es dort gespritzt werden kann."


Und wetten, in den Apotheken ist das Medikament gratis? Und ausserdem, wer sollte sich schon nicht die bekanntlich Monopol-tiefen Preise der Krebsmittel von Roche leisten können? Erst recht in Griechenland? Am Morgen, am Mittag und am Abend hören wir in den Nachrichten, dass „Griechenland“ jetzt endlich „seine Hausaufgaben“ machen müsse. Wir bekommen dank Roche eine Vorstellung, wer „Griechenland“ ist: zum Beispiel mittellose Krebskranke. Und ihre Hausaufgabe besteht darin, der Sanierung der Bankgewinne nicht im Wege zu stehen, sondern zu sterben.
2010 machte Roche einen Jahresgewinn von Fr. 8.5 Mrd. und startete ein Programm zur Entlassung von mehreren tausend Angestellten. Sozusagen die internen Hausaufgaben.

Kolumbien: Die Familie Santos schonen

Samstag, 17. September 2011


(zas, 17.9.11) Jorge Noguera war unter Ex-Präsident Álvaro Uribe  von 2002 bis 2005 Chef des kolumbianischen Geheimdienstes DAS.  Seine Karriere erlitt einen Knick, als der damalige Informatikchef des DAS, Rafael García, über die engen Verflechtungen des paramilitärischen Terrors mit der Regierung Uribe auspackte (s. auch Kolumbien: US-zertifizierte Rechte, Drogenhandel, 13.9.09). Vorgestern Mittwoch erhielt Noguera vom Obersten Gericht 25 Jahre Gefängnis wegen der an die Paramilitärs der AUC (Autodefensas Unidas de Colombia) ausgesourcten Ermordung von Oppositionellen. Es ist das bisher höchste Strafmass für ein Mitglied des engen Kreises um Ex-Präsident Uribe, für den die Luft langsam dünn wird. Gegen weitere Führungskader aus dem engsten Umfeld von Uribe, darunter auch seine letzte, nach Panama geflüchtete Geheimdienstchefin, laufen weitere Verfahren. 
Der aktuelle Präsident, Juan Manuel Santos, war Kriegsminister in Uribes Kabinett.  Eine dritte Präsidentschaftskandidatur Uribes belegten die USA 2009 mit einem Veto – die mafiöse Quintessenz ihres bisherigen Schützlings war zur Belastung geworden. Sie setzten jetzt auf Santos, einen bewährten Gefolgsmann und Vertreter der Oligarchie. Den Schwenk vollzog der Medienmainstream unverzüglich und mit der gewohnten traumwandlerischen Sicherheit nach: Nicht mehr Uribe war jetzt Strahlemann, sondern der „Reformpolitiker“ Santos (vgl. dazu „Von den Massengräbern zur Konsolidierung des Grosskapitals“, Correos 165, April 2011).
Und so unterschlagen die Medien hier und dort die Aussagen von Salvatore Mancuso, ehemaliger Oberboss der Paramilitärs, im Noguera-Prozess, um Präsident Santos zu protegieren. Uribe hatte Mancuso 2008 zusammen mit anderen führenden Paras mit ihrer Auslieferung 2008 in die USA verraten, wo sie wegen Drogenhandels belangt wurden. Im Rahmen ihrer sogenannten Demobilisierung hatten Mancuso und andere Parachefs vor den kolumbianischen Strafverfolgungsbehörden zu freimütig über ihre Liaison mit den Sicherheitskräften und dem Uribelager geplaudert. Washington hütete sich, die Paras wegen Verbrechen gegen die Menschheit zu belangen, so dass sie, so das Kalkül, zu diesem Eckpfeiler des US-„Drogenkrieges“ kaum mehr Erhellendes beitragen würden. Die Rechnung ging eine Weile lang auf, doch schliesslich willigten die USA in Videobefragungen der Paras durch die kolumbianische Justiz ein.
So kam es, dass Mancuso im Verfahren gegen Noguera per Video zugeschaltet wurde. Er wiederholte und präzisierte Aussagen, die er teils schon vor seiner Auslieferung gemacht hatte. Er beschrieb dabei detailliert die Zusammenarbeit der AUC mit Armee und Geheimdienst und nannte Namen hochgestellter Kader dieser Kräfte. Vor allem aber bestätigte er seine frühere Aussage, wonach Santos bei einer früheren Gelegenheit „Carlos Castaño [den damaligen AUC-Chef] aufgesucht habe, um ihn um Unterstützung für eine Vereinbarung für den Sturz des [damaligen] Präsidenten Ernesto Samper Pizano zu bitten“ (La despachada de Mancuso en el juicio a Noguera in verdadabierta.com). Francisco Santos, Bruder des heutigen Präsidenten und Vizepräsident unter Uribe, war für Mancuso auch kein Unbekannter. „Verdad Abierta“, ein von der kolumbianischen Zeitschrift „Semana“ und der Soros-Stiftung gesponsortes Portal zur parapolítica, also der Verbindungen des offiziellen Politestablishments mit den Paras, führt dazu im genannten Artikel Folgendes aus: Mancuso versicherte auch, dass der Vizepräsident [Francisco Santos] sich mehrmals mit den Ex—Chefs der AUC traf. ‚Es überraschte mich, denn ich erlebte ihn als mit [unserer] Sache identifizierten Mann und ich sagte (Carlos) Castaño, dass ihm das (paramilitärische) Modell [des Departements Córdoba) gefiel und er gerne hätte, dass es ein solches in Bogotá gäbe’. Bei einer dieser Begegnungen, fügte Mancuso an, ‚hat Castaño Santos vorgeschlagen, dass er die Führung des in der Hauptstadt zu schaffenden] Bloque Capital übernehmen solle, aber [Santos] winkte ab mit der Begründung, er verstehe von solchen Dingen nichts’“.

Francisco Santos, Ex-Vizepräsident, Ex-Medienmogul, und Bruder des jetzigen Präsidenten, war durch weitere Aussagen von führenden Paras wie Rodrigo Tovar Pupo  („Jorge 40“) schon schwer belastet worden. Jorge 40 machte über enge Kontakte mit Santos Aussagen, u.a., als er im Auftrag von Castaño Santos in der Hauptstadt traf und ihm Informationen über den Aufbau einer AUC-Front in der Hauptstadt ausrichtete. Francisco Santos bestreitet die Kontakte mit Castaño und Jorge 40 nicht, aber sie seien im Rahmen seiner Präsidentschaft der von ihm gegründeten NGO Fundación País Libre erfolgt, die sich eben auch um Entführungsopfer der Paras gekümmert habe.

Wie gesagt, die Santos-Familie bzw. die sie belastenden Aussagen der AUC-Führungsriege sind aus der nationalen und internationalen Berichterstattung zum Verfahren gegen den Geheimdienstchef Noguera herausgesäubert worden. Das hat System und langsam schälen sich die realen Kräfteverhältnisse heraus: Uribe, der Drogenhändler, hat seinen Dienst getan und kann … gehen. Die das Land ökonomisch wie medial nach wie vor durchdringende Familie Santos als Ausdruck der transnationalisierten Bourgeoisie hingegen bekommt einen neuen Heiligenschein verpasst, passend zur Aufgabe des jetzigen Präsidenten, den angeblich schon längst gewonnen Krieg gegen die Guerilla wieder in den Erfolgsbereich zu führen.

„Semana“, eines der wichtigsten Medien in Kolumbien, brachte die Infos über Mancusos Aussagen im nur von Wenigen aufgesuchten Spezialportal „Verdad Abierta“, während sie in ihren Print- und Onlineausgaben dazu kein Wort veröffentlichte. Interessanterweise sind mittlerweilen die Videos mit den Aussagen von Mancuso im Noguera-Verfahren in „Verdad Abierta“ ohne Angabe von Gründen nicht mehr einsehbar.

Südmexiko-Soli-Newsletter August-September 2011

Montag, 12. September 2011

www.chiapas.ch


 
CHIAPAS
ORCAO zerstört zapatistisches Haus für internationale Beobachter in Ocosingo
Die Angriffe gegen die zapatistische Bewegung im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas haben sich wieder verschärft. Mitte August zerstörten 150 Mitglieder der regierungsnahen Organisation der Kaffeeproduzenten von Ocosingo (ORCAO) die Küche des zivilen Friedenscamps in der zapatistischen Gemeinden Patria Nueva.


OAXACA

EU-Parlamentarierinnen fordern Ermittlungen in Oaxaca

Zum vierten Mal seit Juni vergangenen Jahres hat eine Delegation des Europaparlaments den südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca besucht. Sie informierten sich über den Stand der Ermittlungen im Falle der ermordeten Aktivisten Jyri Antero Jaakkola (Finnland) und Beatriz Cariño (Mexiko). Die beiden wurden auf einer Menschenrechtskarawane zum mexikanischen Ort San Juan Copala am 27. Mai 2010 getötet, als Paramilitärs die Beobachter angriffen.

 Vielstimmiger Aufschrei gegen den „Drogenkrieg“
Der Drogenkrieg hat, mit der korrupten Regierung Mexikos im Rücken, bereits rund 50'000 Tote gefordert, und es scheint so weiterzugehen. Seit diesem Frühling verschafft sich nun der Dichter und Kolumnist Javier Sicilia, dessen Sohn ermordet wurde, mit dem Übertitel „Wir haben die Schnauze gestrichen voll“ („Estamos hasta la madre“) seiner Wut Luft. Seither hat die „Bewegung für den Frieden mit Gerechtigkeit und Würde“, die er anführt, diverse Aktionen initiiert. Nun kommt die dritte Karawane vom 9. – 19. September in den politisch bewegten Süden Mexikos. Mehr zu den Hintergründen und wie die Zapatisten zur Bewegung stehen auf:

http://www.chiapas.ch/?artikel_ID=1064



MEXIKO
Zwei Reporterinnen ermordet, die für die Zeitschrift Contralinea tätig waren, die Korruptionsfälle aufdeckte
Mexiko-Stadt/Monterrey - Gefesselt, geknebelt, nackt und mit einer Plane bedeckt - so fanden Polizisten die beiden Reporterinnen Ana Maria Yarce Riveros und Rocio Gonzalez Trapaga in einem Park im Südosten von Mexiko-Stadt. Das war am Donnerstag, die Radiosender vermeldeten die Journalistenmorde Nummer sieben und acht in diesem Jahr. Die beiden Mittvierzigerinnen arbeiteten für die für investigativen Journalismus bekannte Zeitschrift Contralinea, die in den vergangenen Jahren zahlreiche Korruptionsfälle aufgedeckt hat.


HINWEISE

Jens Kastner: Alles für alle!
Zapatismus zwischen Sozialtheorie, Pop und Pentagon, ISBN 978-3-942885-03-4
http://www.edition-assemblage.de/alles-fur-alle/

Lehrreicher Sach-Comic mit emanzipatorischem Anspruch
Findus/ Luz Kerkeling: Kleine Geschichte des Zapatismus. Ein schwarz-roter Leitfaden, ISBN 978-3-89771-041-2



VERANSTALTUNGEN

Velodemo Zürich, Do, 22. September 2011, Bürkliplatz 18 Uhr,



Gesamtschweizerische Grossdemo, Sa, 1. Oktober 2011, Bern
Besammlung: 14.30 Uhr Schützenmatte Bern, Schlusskundgebung ca. 17 Uhr | Schützenmatte Bern. Anschliessend: FESTIVAL «Grenzen sprengen!»

Die Sans-Papiers-Bewegung organisiert am 1. Oktober eine gesamtschweizerische Grossdemo für eine Regularisierung der Sans-Papiers. Die repressive Migrationspolitik der letzten zehn Jahre hat die Zahl der Sans-Papiers erhöht und ihre Lebensbedingungen verschlechtert. Es ist höchste Zeit, die Weichen umzustellen.



Und zum Schluss:
Clooney schwer getroffen: Kampagne für fairen Kaffee:
http://www.solidar.ch

Libyen: ein lesenswerter Artikel

Freitag, 2. September 2011


Der Medienmainstream hat sich seit dem 1. Weltkrieg keinen Deut vom Hurra-Patriotismus und serviler Propagandabeflissenheit für die Mächtigen emanzipiert.
Dennoch sollten Linke nicht in die Falle des „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ laufen. Das ist manchmal schwer. Die tendenziöse Aufbereitung der Ereignisse in Libyen und Syrien provoziert auf unserer Seite manchmal Reaktionen, die zwar verständlich sein mögen, aber deshalb trotzdem falsch. So verneint die Darstellung des Gadaffi-Regimes als eine eigentlich soziale Regierung etwa die entsetzliche Brutalität dieses Regimes gegen afrikanische MigrantInnen, natürlich während Jahren im Auftrag und finanziert von den Menschenrechtsbombern in London, Paris, Rom und Bruxelles. Dies wird nicht dadurch neutralisiert, dass jetzt Kräfte der „Rebellen“ Jagd auf schwarze Menschen – migrantische und libysche – machen und diese auch massakrieren. Sie wird auch nicht aufgehoben durch die vasallische Berichterstattung der Kriegsmedien, die davon nicht Notiz nehmen.
Es ist schwer, angesichts der verbreiteten Unwissenheit und der widersprüchlichen Infos aus angeblich versierten linken Kreisen, zu wissen, was in Libyen Sache ist. Widerlich ist die „linke“ Taxi-These, wonach die libysche Sozialrevolution gerissenermassen die NATO als Taxi benutzt hat, um schneller zum Ziel der Emanzipation zu gelangen. Diese faktische Prokriegshaltung wird auch nicht dadurch besser, dass sie unterdessen klagt, die NATO habe die Befreiungsdynamik unterdessen verfälscht. Figuren wie Gilbert Achcar stehen für diese leider nicht so wenig verbreitete Tendenz.
Der hier verlinkte Text erklärt die Dynamik der letuzten Monate in Libyen nicht. Er beansprucht dies auch nicht. Er ist aber sehr lesenswert, weil er einige der gängigen Mythen der Kriegspropaganda (auch von „links“) analysiert und „zerreist“, ohne - und dafür bin ich dem Autor dankbar – deswegen die gesellschaftliche Aufbruchbewegung in Libyen einfach auf al-Qaida, CIA etc. zu reduzieren.

Hier zum Artikel:

The Top Ten Myths in the War Against Libya

USA unterstützte illegale Spionage in Kolumbien

2. Sep 2011 | Kolumbien | Militär
US-Botschaft betreute angeblich Bespitzelung gegen kolumbianische Gewerkschafter und gegen den Obersten Gerichtshof
Bogotá. Ehemalige Detektive des kolumbianischen Sicherheitsdiensts DAS verwickeln die US-amerikanische Botschaft in den schon allgemein bekannten Korruptionsskandal des Verfassungsschutzorgans. Die nordamerikanische Behörde soll Sonderaktivitäten vom DAS gegen Oppositionelle der ehemaligen Regierung Uribe finanziert und betreut haben. Dies enthüllte unlängst die Washington Post.
Unter den verschiedenen Sondereinheiten des DAS, welche die USA finanzierte, befände sich die Gruppe zur Analyse von Medien des Terrorismus (GAME), die in Einrichtungen der Gewerkschaften einbrach, um Dokumente mit wichtigen Informationen über die Gewerkschaftsarbeit zu stehlen, informierte die Journalistin Claudia Duque. Die GAME sei im Jahr 2005 gegründet worden. Ein Beamter der US-amerikanischen Botschaft habe sich regelmäßig mit der Gruppe getroffen, um die Entwicklungen ihrer Aktivitäten zu kontrollieren, so die Aussage eines Mitglieds der GAME, Jaime Gabriel Jiménez, gegenüber dem Obersten Gericht.
Die USA habe ebenso die "Gruppe zur internationalen und nationalen Bewachung" (GONI) unterstützt, die bis 2009 die Richter des Obersten Gerichtes ausspioniert hat, so Duque weiter. Der Leiter der GONI, Germán Ospina, gestand im Jahr 2010, dass die Bespitzelung startete, unmittelbar nachdem das Gericht anfing, gegen den Senator und Cousin des damaligen Präsidenten Mario Uribe zu ermitteln. Wie andere verhaftete DAS-Beamte versicherte Colmenares, dass der Befehl direkt aus dem Präsidentenbüro gekommen sei.
"Wir wurden durch die US-amerikanische Botschaft organisiert" sagte William Romero, der das Netzwerk von heimlichen Informanten des DAS leitete und die Infiltration des Obersten Gerichtshofs überwachte. Die Washington Post berichtet, dass Romero wie andere seiner Kollegen von der CIA trainiert wurde. Einige der verurteilten DAS-Beamten hätten ebenso Stipendien für eine Geheimdienstausbildung an nordamerikanischen Universitäten bekommen.
Mehrere US-Diplomaten bekundeten ihre Unwissenheit über mögliche Verwicklungen von US-Sicherheitsagenturen in die Korruptionsaffären des DAS. Sie hielten sie aber nicht für unwahrscheinlich, so die Post. Obwohl die US-Regierung sich Sorgen über bestimmte Aktivitäten des DAS gemacht habe, stünden die Interessen der USA an erster Stelle, sagte ein Diplomat. "Ich bin komplett überzeugt davon, dass unsere Unterstützung richtig war", so der Diplomat weiter.