Nach Freilassung des Kubaners wird Forderung nach seiner Heimkehr lauter
Von Tobias Kriele, HavannaIn Kuba und Lateinamerika ist die Freilassung des ersten der fünf in den USA inhaftierten Kubaner begrüßt, zugleich jedoch das Verbot seiner Heimkehr nach Hause kritisiert worden. In Havanna wies Gloria La Riva, die Vorsitzende des US-amerikanischen Solidaritätskomitees für die »Cuban Five«, darauf hin, daß René González nicht, wie sonst im Falle von ausländischen Agenten üblich, direkt nach seiner Haftentlassung in sein Heimatland abgeschoben wurde. Dies beweise, daß nicht einmal die US-Regierung davon ausgehe, daß René und seine Gefährten tatsächlich das gewesen seien, wofür sie zu langen Jahren Haft verurteilt wurden: »Spione«. Ebenfalls in der kubanischen Hauptstadt forderten Repräsentanten zahlreicher auf der Insel aktiver Religionsgemeinschaften von US-Präsident Barack Obama, die Rückkehr aller fünf Männer nach Kuba zu ermöglichen. Die in der »Kubanischen Pastoralplattform« zusammengeschlossenen Christen, Muslime, Juden und andere verabschiedeten im Rahmen einer Solidaritätsveranstaltung am Freitag (Ortszeit) ein gemeinsames Schreiben an Obama, in dem sie auch vor den Gefahren warnen, denen René in dem ihm feindlich gesonnenen Umfeld in den USA ausgesetzt ist. »Auch wenn uns die Doktrinen und Dogmen des einzelnen manchmal trennen, so eint uns der Kampf gegen das Böse und das Unrecht«, erklärte der anglikanische Pfarrer Pablo Odén Marichal, der den religiösen Zusammenschluß koordiniert.
Von seiten der US-Behörden ist indes bislang kein Entgegenkommen zu erkennen. Noch die Nacht vor seiner Freilassung von Donnerstag auf Freitag mußte René González auf Anweisung der Gefängnisleitung im »Bunker«, in Isolationshaft, verbringen. González Ehefrau Olga Salanueva, der Washington weiter das Einreisevisum in die USA verweigert, berichtete am Abend der Freilassung dem kubanischen Fernsehen, die US-Regierung habe sich bislang noch nicht dazu geäußert, wie sie González persönliche Sicherheit garantieren wolle. Salanueva warnte noch einmal, daß ihr Mann angesichts der Rachegelüste rechtsextremer Exilkubaner, deren konterrevolutionäre Aktivitäten er vor 1998 ausgekundschaftet hatte, in jedem US-Bundesstaat in Lebensgefahr schwebe. »Der einzige sichere Ort auf der Welt für ihn ist Kuba«, so Salanueva.
Tatsächlich hatte die US-Kongreßabgeordnete Ileana Ross-Lethinen vor wenigen Tagen öffentlich erklärt, González sei ein »Verbrecher«, an dessen Händen amerikanisches Blut klebe. Die Freilassung dieses »Staatsfeindes« würde in den USA »einige Befürchtungen« wecken, so die Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des US-Repräsentantenhauses. Kubanische Analysten werteten diese Aussagen der aus dem Clan des ehemaligen Diktators Fulgencio Batista stammenden Exilkubanerin als einen Aufruf an die paramilitärischen Gruppen in Miami, gegen González vorzugehen. Vergleichbare Gruppen haben kubanischen Medien zufolge seit dem Sieg der kubanischen Revolution allein auf dem Gebiet der USA weit über 300 Anschläge verübt.
Aus dem Gefängnis von Jesup erklärte auch González Genosse Ramón Labañino, die »Cuban Five« seien um die Unversehrtheit Renés besorgt. Es sei jetzt der Moment gekommen, die Solidarität in der ganzen Welt zu mobilisieren, damit dieses Unrecht ein sofortiges Ende nehme und Renés Ausreise nach Kuba genehmigt werde. Ähnlich äußerte sich auch der kubanische Parlamentspräsident Ricardo Alarcón. Mit dem Tag der Freilassung Renés müsse die internationale Solidarität die US-Regierung durch politischen Druck dazu zwingen, die Existenz von auf dem Gebiet der USA operierenden terroristischen Gruppen einzugestehen und die fünf Männer freizulassen, sagte er auf einem Kuba-Solidaritätstreffen in Mexiko.
junge Welt, 10. Oktober 2011