Goodbye, Conservation International

Montag, 3. Oktober 2011

Dieser Artikel ist erschienen in Poonal Nr.964

Goodbye, Conservation International

Donnerstag, den 22. September 2011
von Eduardo Tamayo G.
(Quito, 16. September 2011, alai/poonal).- Die US-amerikanische Nicht-Regierungsorganisation Conservation International (CI) darf keine Aktivitäten mehr in Ecuador durchführen. Dies verfügten vor wenigen Tagen das Außenministerium und die Fachbehörde für internationale Zusammenarbeit des Landes. CI wird von multinationalen Unternehmen gesponsert und arbeitet mit Programmen von USAID und der Weltbank zusammen.
Gute Gründe
Zwei Gründe führten zu der Entscheidung, die Arbeit der NGO zu verbieten. Zum einen war die Kooperationsvereinbarung, die CI und der ecuadorianischer Staat am 6. April 2001 unterzeichnet hatten auf die Dauer von fünf Jahren ausgelegt. Sie lief 2006 aus und wurde nicht verlängert. Damit entfiel bereits damals formal die gesetzliche Grundlage für CI, weiter auf dem Territorium Ecuadors aktiv zu sein.
Der zweite Grund betrifft die Missachtung einer Resolution des nationalen Ombudsmanns, Dr. Fernando Gutiérrez. Dieser hatte im November 2010 bindend verfügt, dem ecuadorianischen Biologen Alfredo Luna eine Versicherungspolice wegen Invalidität auszuzahlen. Luna hatte am 3. August 1993 bei einem Flugzeugunglück schwere bleibende Verletzungen erlitten und fordert seit 18 Jahren vergeblich eine Entschädigung von CI.
Grüne Imagewäsche
 
Conservation International besteht seit 1987. Die NGO hat ihren Sitz in Washington und operiert in 25 Ländern und auf vier Kontinenten. Gesponsert wird sie von den größten Multis der USA, unter ihnen Chevron, Monsanto, Coca Cola, Walmart, Walt Disney, Mc Donalds und Rio Tinto. Die Organisation erklärt auf ihrer Webseite, zu den Zielen der Organisation gehöre es, Bündnisse mit unterschiedlichen Akteuren herzustellen sowie die „Beteiligung und Mitarbeit von Individuen und Unternehmen“ zu erleichtern, die „dem Umweltschutz und dem menschlichen Wohl verpflichtet sind“ (1).
Die Absicht erscheint lobenswert, aber eine wachsende Zahl von Personen stellt CI als Umweltorganisation in Frage. Der neuseeländische Aktivist, Forscher und Schriftsteller Aziz Choudry weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die multinationalen Unternehmen bei ihren Aktivitäten überall in der Welt auf Widerstand und Opposition stoßen. Darum wollten sie sich ein „grünes Image“ zulegen (2), sich sozusagen „grün waschen“.
Trojanisches Pferd
Das führt zu paradoxen Situationen. Der Ölkonzern Chevron operierte, noch unter dem Namen Texaco, von 1964 bis 1990 in Ecuador. Er verursachte eine der größten Umweltkatastrophen im Amazonasgebiet, indem er verseuchtes Wasser in Lagunen und Flüsse leitete. Das hatte zur Folge, dass große Teile der Bevölkerung schwer erkrankten. Heute gehört Chevron zu den Unternehmen, die CI sponsern.
Das mexikanische Zentrum für politische Analysen und Sozial- und Wirtschaftsforschung CAPISE (Centro de Análisis Político e Investigaciones Sociales y Económicas) untersuchte die Rolle von CI im mexikanischen Bundesstaat Chiapas und bezeichnete die Organisation als „Trojanisches Pferd“ (3). CAPISE kam zu dem Schluss, die Strategie von CI ziele auf Konfrontationen von zapatistischen Gemeinden oder der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) selbst mit dem indigenen Volk der Lacandonen ab. Sie verfolge zudem die Räumung der Gemeinden der Biosphäre Montes Azules REBIMA (Reserva Integral de la Biosfera de Montes Azules), die politische und militärische Schwächung der EZLN sowie die Demontage autonomer zapatistischer Landkreise.
Heimlicher Datensammler
Ein weiteres Ergebnis dieser Untersuchung war, dass „Conservation International nicht nur von Führungskräften der großen Multis ‒ viele davon mit wirtschaftlichen Interessen im Bereich der Biodiversität ‒ finanziert, verwaltet und geleitet wird, sondern auch alle verfügbaren Informationen an die US-Entwicklungsagentur USAID weiterleitet. Anders gesagt: an die US-Regierung, die die Biodiversität in Chiapas als eine strategische Angelegenheit ansieht“.
CI spricht sich für die so genannten Umweltdienstleistungen aus. Das heißt: die Kommerzialisierung der Natur. Außerdem werden die Entwicklung „grüner Geschäftsmodelle“ und die Schaffung von Märkten für „Kohlenstoffzertifikate“ propagiert: Vorrangig aus den Industrieländern stammende Unternehmen und andere Einrichtungen, die umweltverschmutzende Aktivitäten durchführen, können ihre Kohlenstoffemissionen durch Spenden kompensieren, die dem Naturschutz oder der Wiederaufforstung in Ländern des Südens dienen sollen. Auf diese Weise behalten die Industrieländer ihre Konsummodelle und nicht nachhaltigen Lebensstile bei und übertragen stattdessen dem Süden gegen ein paar Münzen die Verantwortung, die Biodiversität zu bewahren.
Naturschutz nur als Vorwand
Die ecuadorianische NGO Acción Ecológica versichert, dass „konkrete Erfahrungen in Ecuador und an anderen Orten der Welt zeigen, dass der Markt der Umweltdienstleistungen keine Strategie ist, die dem Naturschutz dient. Sie ist nicht einmal geeignet, den Klimawandel zu stoppen und noch viel weniger, die Lebensbedingungen der einheimischen Bevölkerung zu verbessern. Im Gegenteil handelt es sich um einen Mechanismus, sich die Territorien der indigenen Völker und lokaler Gemeinden anzueignen.
Diesen wird auf „legale“ Weise das Nutzungsrecht sowie die Verwaltung und Kontrolle ihrer Territorien entzogen. Schlimmer noch, sie werden sogar Sanktionen mit strafrechtlichem Charakter unterworfen, was ihre Lebensweise als Personen und als Völker ernsthaft gefährdet“ (4).
Wichtiger Entschluss
Der Entscheidung, die Beziehung mit CI zu beenden, kommt eine große Bedeutung zu. Der Rückzug von CI bedeutet, bei Umweltprogrammen und Umweltpolitik die Souveränität zurückzugewinnen. Mit der Maßnahme wird die Abhängigkeit einiger staatlicher Institutionen von den ökonomischen Ressourcen und dem Beistand von CI durchbrochen. Von 2007 bis 2009 stellte CI Ecuador drei Millionen US-Dollar zur Verfügung. Andererseits ist diese Summe nicht so bedeutend, wenn sie mit den Mitteln verglichen wird, welche die Regierung Correa für Umweltprogramme bereitstellt.
CI arbeitete zuletzt mit zehn öffentlichen Einrichtungen in Ecuador zusammen. Darunter befinden sich die Ministerien für Umwelt und Tourismus, die Marine, die Nationalpolizei und die Nationale Fischereibehörde. Dazu kommen Kooperationen mit 22 NGOs. Außerdem gibt es Kontakte zu zahlreichen indigenen und bäuerlichen Organisationen und Beziehungen mit vier Universitäten sowie den Unternehmen Metropolitan Touring und AereoGal (5). Derzeit betreibt CI eine intensive Lobby-Arbeit bei RegierungsfunktionärInnen, um in Ecuador bleiben zu können. Offenbar wenig erfolgreich. Der Antrag auf eine Übergangsgenehmigung wurde von der Fachbehörde für internationale Zusammenarbeit abgelehnt.
Anmerkungen: