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Millionen Menschen umgesiedelt Vertreibung im Namen der Weltbank
Stand: 05.03.2015 15:40 Uhr
Von Christoph Heinzle, Thomas Kramer und Elisabeth Weydt
Die Weltbank hat schwere Fehler bei der
Umsiedlung von Menschen im Rahmen ihrer Entwicklungsprojekte eingeräumt.
Zuvor hatten NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" die Weltbank zusammen
mit dem internationalen Konsortium investigativer Journalisten (ICIJ)
mit ihren Recherchen konfrontiert. Diese weisen auf massive Versäumnisse
hin, in deren Folge es weltweit zu eklatanten
Menschenrechtsverletzungen gekommen ist.
Es war ein massives Eingeständnis, das
Weltbank-Präsident Jim Yong Kim nun veröffentlichte. In einer
schriftlichen Erklärung äußerte er "tiefe Sorge" über
Umsiedlungsprogramme der internationalen Entwicklungsbank. "Wir haben
uns, was die Umsiedlungspolitik angeht, einem kritischen Blick auf uns
selbst unterzogen", so der Weltbank-Chef. "Was wir fanden, erfüllt mich
mit großer Sorge", fügte er hinzu. Man habe mehrere große Probleme
gefunden: unzureichende Überwachung der Projekte und mangelhafte
Umsetzung der Programme. Zudem müsse strenger geprüft werden, ob die
Vorgaben der Weltbank eingehalten werden.
Millionen Menschen wegen Weltbank-Projekten umgesiedelt
Der Zeitpunkt des Eingeständnisses war
bemerkenswert. Seit vergangener Woche drängten NDR, WDR und "Süddeutsche
Zeitung" in Zusammenarbeit mit dem ICIJ auf Antworten der Weltbank -
bislang vergeblich. Die Medien konfrontierten die Bank mit vorläufigen
Ergebnissen aus monatelangen Recherchen, die größtenteils auf
Weltbank-Dokumenten basieren. Demnach wurden in den vergangenen zehn
Jahren durch hunderte Projekte offenbar mehrere Millionen Menschen
umgesiedelt und teils gewaltsam vertrieben.
Erst im Januar hatte der Rechercheverbund über Menschenrechtsverletzungen bei einem Großprojekt in Äthiopien berichtet. Eine Mitverantwortung der Weltbank daran wurde auch in einem Prüfbericht des Inspection Panel
eingeräumt, einem Weltbank-internen Kontrollgremium. Bei einem anderen
aktuellen Projekt in Kenia stellte sich heraus, dass die Bank auch hier
ihre Richtlinien zum Schutz indigener Völker missachtet hat. So sollen
wegen eines Weltbank-finanzierten Artenschutzprojekts Ureinwohner aus
ihren angestammten Wäldern verdrängt worden sein. Die Bank lehnte es ab,
dafür Verantwortung zu übernehmen, und erteilte Forderungen nach
Entschädigung eine Absage.
Scharfe Kritik von Nichtregierungsorganisationen
Nichtregierungsorganisationen kritisieren die
Weltbank wegen Umsiedlungen und Vertreibungen seit Jahren.
Weltbank-Experte Knud Vöcking von der Umwelt- und
Menschenrechtsorganisation Urgewald sieht hinter den Mängeln bei der
Weltbank strukturelle Probleme. "Das wichtigste Problem ist, dass sie
das eine sagen und das andere tun." Insbesondere mit Blick auf den
privaten Arm der Weltbank, die International Finance Corporation (IFC),
kritisiert Vöcking eine falsche Anreizstruktur für die Mitarbeiter, der
zufolge "derjenige befördert wird, der das meiste Geld möglichst schnell
abfließen lässt". Fragen von Nachhaltigkeit, Schutz der Menschenrechte
und ähnlichem spielten im operativen Geschäft der Fallmanager, wenn
überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle.
"Wir müssen und werden es besser machen",
versprach nun Weltbank-Chef Kim. Einige Reformen wurden nach Angaben
seiner Institution bereits eingeleitet. So soll ein Aktionsplan dabei
helfen, die Mängel abzustellen. Die Bank verspricht darin, die Kontrolle
von Projekten, in denen Umsiedlung erforderlich ist, zu verbessern,
sowie Länder, bei denen die Durchführung solcher Umsiedlungen
problematisch werden könnte, besser zu unterstützen. Auch von mehr Geld
und Personal für das Durchsetzen der bankeigenen Sozial- und
Umweltrichtlinien ist die Rede. Neue Organisationsstrukturen sollten den
Verantwortlichen in Zukunft mehr Unabhängigkeit bei der Einhaltung von
Richtlinien einräumen.
Die Weltbank ist eine Sonderorganisation der
Vereinten Nationen und die größte Entwicklungshilfeinstitution der Welt.
Vergangenes Jahr vergab sie Kredite in Höhe von 65 Milliarden Dollar.