Brasilien: Korruption versus Steuerverbrechen, grell versus unsichtbar

Dienstag, 4. Juli 2017



(zas, 4.7.17) Die Korruption ist, wie wir alle wissen, eine Hauptursache für das Zurückbleiben der 3. Welt. Glücklicherweise bekämpft die transnationale Justiz dieses Übel energisch. Allen voran die US-amerikanische. Sie ermittelt gegen die chavistische Diktatur, sie leitet die Korruptionsuntersuchungen in Brasilien. Mit dem Ergebnis, dass dort die nationale Industrie absackt und so keine Konkurrenz für die westlichen Multis mehr darstellt, und die Ausbeute der mutmasslich gigantischen Ölvorkommen des Landes nicht mehr von der staatlichen Petrobras, dank Korruptionsuntersuchung ein bleicher Schatten ihrer selbst, sondern von transnationalen Unternehmen geleitet wird. (S. zu diesem Komplex: Imperium/Petrobras: Korruption und ihr Nutzen.)
Derweil erholen sich die Medien der freien Weltgemeinschaft kaum von ihrer moralischen Entrüstung über die Korruption bei denen das unten. Und so geht halt das eine oder andere Detail vergessen. Wie z. B. die Befunde von Gabriel Casnati, in Brasilien für den Bereich Steuergerechtigkeit im internationalen Gewerkschaftsverband PSI («Internationale der Öffentlichen Dienste») zuständig.  
Nicht so vergesslich das grosse Nachrichtenportal Brasil 247.  (Das ist aber linksverdächtig, weshalb es für anständige Medienleute zu übergehen ist.) Am letzten 23. Juni schrieb es: «Laut dem Forscher Gabriel Casnati (…) sind die Verluste, die Brasilien wegen Steuerbetrugs erleidet, sieben Mal höher als die Kosten der Korruption.» Rede Brasil präzisiert noch: «In Rádio Brasil Atual versichert er, dass jährlich ungefähr 500 Mrd. Reais nicht bezahlt werden.”  (Das sind ungefähr 146 Mrd. Franken)
Casnati meint auch, die Medien verbreiteten die Idee einer hohen Steuerlast, doch es gelte, genauer hinzusehen. Er verweist auf eine Studie des International Policy Center for Inclusive Growth, einem Teamwork des UNO-Entwicklungsprogramms UNDP mit der brasilianischen Regierung Die UNO veröffentlichte dazu den Artikel Brasil é paraíso tributário para super-ricos, diz estudo de centro da ONU (Brasilien ist eine Steuerparadies für Superreiche, sagt eine Studie eines UNO-Centers) von März 2016. Und was lesen wir da? Dass im Schnitt 2/3 des Einkommens der Superreichen (0.05 % der Bevölkerung) steuerbefreit sind. Wie das? Weil in Brasilien «von Unternehmen an ihre Partner und Aktionäre ausgeschüttete Gewinne und Dividenden steuerbefreit“ sind. Ach so. Zum Zeitpunkt der Studie (2013) habe bloss ein Mitgliedsland der OECD eine solche Regelung gekannt, Estland. Und fein auch, dass Börsengewinne „von einer tiefen Besteuerung profitieren“, nämlich 15 % bis 20 %. Wer hingegen, so das UN-Portal, 2015 mehr als 4300 Reais (1370 Fr.) verdient habe, sei mit 27 % besteuert worden.
Juan Luis Berterreche schreibt in desacato.info, dass 2016 unter Dilma Rousseff („im vergeblichen Versuch, das Putschimpeachment zu verhindern“) und Putschist Michel Temer („direkt als Teil der neoliberalen Orientierung“) der Staat dem Privatsektor 377.8 Mrd. Reais (110.2 Mrd. Fr.) als „Steueranreize“ gegeben hat, mehr als das Budget für Erziehung und Gesundheit zusammen. Die Daten stammen aus dem Schlussbericht des Ministers Bruno Dantas vom Nationalen Rechnungshof, der ein Audit über die Regierungsausgaben 2016 verfasste und für seine Angaben Steuervergünstigungen, Aliquotenreduktionen, direkte und indirekte Subventionen und Zahlungserlasse einbezogen hat.
Wir verstehen, warum die Sprachrohre der transnationalen Machthaber das Wirtschaftsprogramm der Putschkräfte als so verantwortungsbewusst begrüssen.
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Und hier noch etwas aus Correos 184 von April 2016:
Aus dem letzten, von der UBS gesponserten, World Ultra Wealth Report von Wealth-X, der Consulting-Bude für Utrareiche, lernen wir, dass im Jahr 2014 260 GuatemaltekInnen,
0.001% der Bevölkerung, ein Vermögen von USD 30 Milliarden hatten, was 56% der Wirtschaftsleistung Guatemalas entsprach. Dem Reichenverband CACIF ist der Kampf gegen Korruption ein Herzensanliegen. Vor Jahren schon betrieb er die Kampagne «Gegen mehr Steuern! Gegen mehr Korruption!».