Argentinien: TV-ArbeiterInnen solidarisch mit Santiago Maldonado

Mittwoch, 30. August 2017

Wir haben im letzten Post kurz über die Hintergründe des Verschwindens von Santiago Maldonado berichtet - der Kampf der Mapuche für ihr Land gegen den italienischen Milliardär Benetton und die neoliberale Regierung Macri. Immer mehr Menschen in Argentinien setzen sich dafür ein, dass Santiago Maldonado lebend "auftaucht". Es gibt Demos; Erklärungen prominenter Organisationen; aber da ist auch der Lehrer, der in seiner Klasse trotz der Schulleitung eine Stunde mit seinen SchülerInnen über das "Verschwindenlassen" des Compañero Santiago diskutiert; da sind die Fans an Fussballspielen, die Transparente hochhalten; und jetzt eben auch Angestellte des argentinischen Fernsehens. 

Die Schrift an der Wand: Macri & Co. - passt auf!


Argentinien: Das Verschwinden von Santiago

Samstag, 26. August 2017



(zas, 26.8.17) Die italienische Kapitalistenfamilie Benetton gehört ins Kapitel des supergrossen Landbesitzes in Argentinien. Nur, dass das auf dem Land, das sie ihr Eigen nennt, schon die Vorvorvorderen der Mapuche-Comunidades gelebt haben. Kein Problem, zur Lösung solcher Fragen ist es in den konterrevolutionär restaurierten Teilen Lateinamerikas wieder modern geworden, die bewaffneten Kräfte einzusetzen. So auch in der kleinen Mapuche-Comunidad Pu Lof der Landgemeinde Cushamen in der nordöstlichen Provinz Chubut. Aus Protest gegen den Land ihres Raubes durch den italienischen Landbaron hatten sie am 30. Juli eine von der Gendarmerie schnell geräumte Strassenblockade organisiert. Am nächsten Morgen früh drangen über 100 Mitglieder dieses Korps schiessend in die Comunidad ein, verprügelten die EinwohnerInnen und brannten ihr Hab und Gut nieder. Die Menschen flüchteten über den Fluss.
Der 27-jährige Santiago Maldonado war am Vorabend in der Comunidad angekommen, um ihren Kampf zu unterstützen. Auch er versuchte zu entkommen, leider vergeblich. AugenzeugInnen sahen, wie ihn die Gendarmen einholten, verprügelten und abtransportierten. Seither ist Santiago verschwunden.
Ende Juni war der Lonko Facundo Jones Huala, also der religiös-politische Chef der Comunidad Pu Lof, verhaftet worden, im Anschluss an ein Treffen des argentinischen Präsidenten Mauricio Macri mit seiner chilenischen Amtskollegin Michele Bachelet. Im Zusammenhang mit der massiv eskalierenden Repression gegen die Mapuches in Chile hatten die dortigen Strafverfolgungsbehörden einen internationalen Haftbefehl gegen den Lonko erlassen, weil er 2013 an einem Brandanschlag beteiligt gewesen sein soll. Jones Huala war in Chile inhaftiert gewesen, aber danach freigelassen worden. 
Facundo Jones Huala

Die Justizministerin Patricia Bullrich behauptet, der Lonko sei Mitglied der „terroristischen“ RAM (Resistencia Ancestral Mapuche), die im Visier der chilenischen Behörden steht. Und Santiago Maldonado sei nie in Gewahrsam der Behörden gewesen. Der Chef von Bullrich’s Sicherheitskabinett, Pablo Nocetti, hatte sich nachweislich und im Auftrag seiner Chefin in der Gegend aufgehalten, um in seinen Worten „ein Koordinierungskonzept“ der in der Region operierenden Sicherheitskräfte im Kampf gegen die RAM zu organisieren. „Sie sollen wissen, dass wir sie verhaften werden.“ Der Lonko hatte zur argentinischen Zeitung Página/12 bezüglich der Brandanschläge auf abholzunternehmen im chilenischen Mapuchegebiet gesagt: „Meine Leute (von Lof Cushamen) waren es nicht. Ich war es nicht. Sie machen uns für alles und jedes verantwortlich. Gibt es einen Verkehrsunfall, machen sie uns schuldig. Dann gibt es eine mörderische Repression wie im Januar“ (id.).
Bullrich‘s Hetze konnten eine enorm breite Mobilisierung für Santiago nicht verhindern. Denn zu viele Beweise und Indizien machten klar, dass die Behörden von der Ministerin abwärts lügen. Bullrich hatte sogar den Namen eines Freundes von Santiago öffentlich gemacht, obwohl er aus guten Gründen einem Zeugenschutzprogramm unterstand. Er hatte einen Tag nach dem Angriff versucht, Santiago auf seinem Handy zu erreichen. Jemand hatte abgenommen, ohne sich zu melden. Er und weitere ZeugInnen gelten als akut bedroht. Bullrich verbrannte ihn. Doch es nützte alles nichts.  Auch die Menschenrechtskommission der OAS (CIDH) verlangte eine Aufklärung des Falls. Die untersuchende Staatsanwaltschaft musste vor zwei Tagen die Untersuchung auf den Verdacht des „gewaltsamen Verschwindenlassens“ ändern.  
"Wo ist Santiago?": Demo in Buenos Aires am 10. August 2017

Als vor einigen Tagen hunderttausende Mitglieder von sozialen, linken und gewerkschaftlichen Organisationen gegen den neoliberalen Kahlschlag der Regierung Macri auf die Strasse gingen, betraf eine der zentralen Forderungen Santiago. Es kommt im ganzen Land zu kleinen und grossen Mobilisierungen. Bullrich beendete wutentbrannt ein Gespräch mit den argentinischen Menschenrechtsorganisationen wie den Grossmüttern der Plaza de Mayo. Aber: An Fussballspielen kommt es zu Protesten, auch die Belegschaft der führenden neoliberalen Mediengruppe Clarín fordert eine Aufklärung! 

Die Belegschaft von Clarín.

Die Mobilisierungen haben das Wissen zum Hintergrund, dass im neoliberalen Regime die physische Verfolgung von GegnerInnen zunimmt. Dass eine Ministerin und ihr Präsident das Verschwindenlassen eines politischen Gefangenen verteidigen, ist in der Tat ein Weckruf.

Venezuela: Wozu Logik, wenn es ein Lügennetz tut?

Mittwoch, 23. August 2017




(zas, 23.8.17) Praktisch alle Parteien der Rechten haben ihre KandidatInnen für die Gouverneurswahlen vom kommenden Dezember eingeschrieben. Unter diesen nicht wenige, die sich so Schutz vor einer möglichen Strafverfolgung wegen ihrer Rolle bei brutalen Gewaltszenen der letzten Monate erhoffen. Womit das Gerede vom chavistischen Wahlbetrug am 30. Juli aller Logik nach erledigt sein müsste. Als sich damals über 8 Millionen VenezolanerInnen, Chavistas, aber auch manche Nicht-Chavistas, an der Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung beteiligt hatten, war bei der Rechten erstmal die Luft raus. Ihre Träume von blutiger Wahlverhinderung und Ausrufung einer Gegenregierung, welche danach von Washington et al. militärisch unterstützt werden sollte, zerbrachen an der im Land offensichtlichen Stärke der chavistischen und nicht-faschistischen Kräfte.
Es waren jetzt die USA selber und ihre Verbündeten und Lakaien, die unverhüllt das Geschehen diktieren wollten: Offener Wirtschaftskrieg und offene Drohung eines US-Militärangriffs auf Venezuela. Ersteres feiern die imperialen Medien frenetisch, letzteres schreiben sie als ungeschickt superklein. Doch als Trump auf auch „militärischen Optionen“ gegen Venezuela insistierte, sprach er nur offen aus, was seit 2015, als Obama das Land zur „ausserordentlichen Bedrohung“ für die USA erklärte, unausgesprochen, aber unverkennbar im Raum stand (ob als offener Einsatz, als verdeckte Leitung der militärischen Aggression durch untergegebene Armeen wie die nicht zufällig mit der NATO strategisch verbundene kolumbianische oder etwa als sukzessiver Ausbau bestehender paramilitärischer Strukturen in Venezuela zu einer neuen Contraarmee wie gegen das sandinistische Nicaragua in den 1980er Jahren mit Kolumbien als strategischem Hinterland…)
Das imperiale Wahrnehmungsmanagement will den wichtigen Sieg vom 30. Juli unkennbar machen. Dazu wurde auch die Behauptung vom Wahlbetrug durch den Obersten Wahlrat CNE ventiliert. Doch warum eilt jetzt die venezolanische Rechte, sich an den von eben diesem CNE organisierten Wahlen vom Dezember zu beteiligen. Frohgemut verkündet heute Henry Ramos Allup, einer der Stars des rechten Bündnisses MUD: „Wir werden alle, alle, alle gewinnen.“ Gemeint alle 23 Gouverneursitze im Land. Doch klar, so etwas wie Logik spielt keine Rolle. Die imperiale Propaganda bringt so etwas einfach solange nicht, als es nicht als weiteren Beleg für eine dringende internationale humanitäre Mission benutzt werden kann. Egal, was dann gerade ins Zentrum gerückt wird, der jetzige Kontext – eklatanter Widerspruch zum Wahlbetrugsgerede – wird dann weg und der 30. Juli vergessen sein.
Seit dem 30. Juli ist Venezuela ein friedlicheres Land geworden. Wie gesagt, die Luft bei den Rechten war raus, die Moral im Keller. Es gab keine Barrikaden mit Todesfallen, keine Aufrufe für die Lahmlegung des Landes, keine Heckenschüsse auf hundskommune Chavistas oder nicht genehme Presseleute mehr. Untragbar! Es ist abzusehen, dass möglichst bald gesteuerte Militärangriffe auf Kasernen oder wichtige Infrastrukturanlagen o. ä. die Moral heben sollen. Und dass der Wirtschaftskrieg brutal werden wird. Angefangen von den von einigen lateinamerikanischen Ländern (und rhetorisch auch von der EU-Kommission, aber offenabr nicht von allen EU-Mitgliedern) übernommenen US-Sanktionen, die faktisch den internationalen Zahlungsverkehr der venezolanischen Ölgesellschaft Pdvsa und der Regierung in Caracas blockieren sollen, bis hin zu dem dieser Tage „urplötzlich“ erneut bemerkbar werdenden Verschwinden von Umlaufgeld aus den Bankautomaten (s. El ataque a la moneda física: la desaparición del efectivo).
Zwischendurch darf die Propaganda Mist verbreiten. So etwa die Meldung vor kurzem, wonach die frisch gewählte Verfassungsgebende Versammlung (ANC) den Saal des rechts dominierten Parlaments mit brutaler staatlicher Gewalt besetzt habe. Im Parlamentsgebäude gibt es zwei grosse Säle, jenen des heutigen Parlaments und den anderen des früher existierenden Senats. In letzterem tagte die ANC. Ein kleines Beispiel für die als Kriegslegitimitation eingesetzte Darstellung der ANC als brutaler Gewalthaufen und der rechten Parlamentsmehrheit als Hort des demokratischen Widerstands. Einer Parlamentsmehrheit, die sich seit ihrer ersten Tagung im Januar 2016 mit zahlreichen Dekreten als verfassungswidrige, putschistische Kraft etabliert hat, die aber in der imperialen Darstellung genau jene Verfassung hochhalten soll, gegen die mehrere ihrer führenden Exponenten 2002 den nach drei Tagen und 60 ermordeten Chavistas gescheiterten Militärputsch unterstützt haben.
Als nächstes werden wir wohl von der erst nach Kolumbien, jetzt nach Brasilien geflüchteten ehemaligen Generalstaatsanwältin Luisa Ortega hören. Brasilien dürfte kein Zufall sein. Sie wird sich dort mit der Putschjustiz ins Vernehmen setzen, um deren „Odebrecht-Korruptionsuntersuchungen“ gegen die chavistische Regierung aufzumunitionieren. Brasilien ist mit Kolumbien, Mexiko, Paraguay und Argentinien führend im Vollzug der US-Direktiven gegen Venezuela. Gegen Ortega und ihren Mann liegen offenbar fundierte Indizien dafür vor, dass sie von den kontinentalen Odebrecht-Untersuchungen betroffene Unternehmen in Venezuela zu beträchtlichen Geldzahlungen im Tausch für die Niederschlagung von Strafuntersuchungen erpresst haben sollen.

Alter Egos der EU-Mächtigen

Dienstag, 15. August 2017

Foto Alessandro Poggi.
Die Frontex (inkl. Sommaruga) sagt: Mit etwas menschenrechtlichen Sensibilisierungsworkshops werden libysche Milizionäre, die hier noch Jagd auf afrikanische MigrantInnen zwecks Schlepperkohle machen, zu tüchtigen Mitgliedern der Küsten- und Menschenwachen unseres Statthalters in Tripolis. Gewaltfrei und demokratisch.

Wenn die Demokratie Venezuela küsst, drei Beispiele

Sonntag, 13. August 2017



(zas, 13.8.17)
„Wir haben Optionen für Venezuela, einschliesslich einer militärischen“
Da sagt also einer, dass „wir“ auf der ganzen Welt aktiv sind (er meint mit „wir“ das US-Empire), aber erst recht im Hinterhof: „Venezuela ist nicht weit weg, und die Leute leiden und sterben. Wir haben viele Optionen für Venezuela, einschliesslich einer militärischen, falls nötig.“ Und nein, mit dem Maduro werde er telefonieren, „wenn die Demokratie wieder hergestellt ist“, nicht vorher, wie der ihm angeboten hat.  Nun ist Donald Trump ja nicht irgendwer. Aber was herrscht gestern und heute in „unseren“ Medien vor? Klar doch, wie schlimm die chavistische Diktatur ist.
Vielleicht rafft sich mal eine Medienleuchte auf, um mitzuteilen, dass der Maniac im Weissen Haus nicht wirklich für voll genommen werden sollte (im Gegensatz zu seinem Gesprächspartner in Pjöngjang, versteht sich). Und das wär’s dann gewesen mit der „Kritik“. Nun, die keine special forces  werden morgen schon das star bangled banner in Caracas hissen. Und doch tut man Trump etwas Unrecht: Die USA setzen in Lateinamerika vermehrt auf die militärische Karte. Sie bauen ein modernisiertes Militärbasensystem im Südkontinent auf; ihre nach dem 2. Weltkrieg verschrottete IV. Flotte droht seit 2008 wieder vor lateinamerikanischen Küsten, mit Schwergewicht – wie erstaunlich! – vor dem Amazonasgebiet, also nicht weit weg von Venezuela; „Militärmanöver“ jagen sich. Aber besser möglichst verdeckte Einsätze befreundeter Paramilitärs, vielleicht mal von Lakaientruppen aus Nachbarländern. Das erklärt übrigens auch die fast einhelligen Reaktionen aus lateinamerikanischen Hauptstädten wie México oder Bogotá auf Trumps Äusserungen, die plötzlich das Prinzip der venezolanischen Selbstbestimmung entdecken. Sie alle wissen, wie verhasst die Yanquís, go home sind.

Wirtschaftskrieg der CS

Trump kindisch vorgetragene Äusserungen können durchaus in eine alte US-Strategie passen, sich selbst als unberechenbaren Weltrowdy zu präsentieren, den man besser nicht reizt. Sie machen auf jeden Fall deutlich: Venezuela is out, got it? Das hat z. B. die CS mitgeschnitten, wie das auch da und dort in CH-Medien kurz rapportiert worden ist. Bloomberg berichtete etwas ausführlicher über ein CS-Memo vom 7. August. Die Bank untersagt Beteiligung am Handel bestimmter Bonds der staatlichen Ölgesellschaft Pdvsa und der Regierung. Sie will auch den Geschäftsverkehr mit dem Privatsektor überprüfen, um ja keinen „Reputationsschaden“ zu nehmen. Im Memo steht: „Angesichts des politischen Klimas und der Handlungen der jetzigen Regierung, wollen wir sicher stellen, dass die Credit Suisse niemandem Mittel zur Verfügung stellt, um die Menschenrechte der venezolanischen Leute zu verletzen.“ Credit Suisse hat „keinen Appetit darauf, der Republik von Venezuela Mittel zur Verfügung zu stellen“, zitiert Bloomberg weiter. „Jetzige Regierung“ … dann kann sich das sonst wohl eher auf formale Korrektheit eingestimmte „reputational risko office“ der CS auch gleich das „Bolivarisch“ im offiziellen Namen der Republik schenken. Mit der erhofften künftigen dürfte das komische Adjektiv verschwinden.
Der Kontext sind, von Bloomberg und den venezolanischen Medien, auch den rechten, offen ausgesprochen, die US-Sanktionen gegen laufend mehr chavistische FunktionärInnen. Dabei geht es natürlich nicht, wie etwa im Fall von Präsident Maduro, um das dumme Geschwätz vom Einfrieren halluzinierter Konten in den USA, sondern darum, dass weder US-Gesellschaften noch ausländische, die Geschäftsbeziehungen in die USA haben, mit Pdvsa oder Regierungsinstanzen, mit denen die Sanktionierten zu tun haben, verkehren dürfen. Maduro als Staatschef muss z. B. neue Ölförderverträge absegnen. Wir haben es also mit einem weiteren Ausschnitt aus dem zu tun, was bei „seriösen“, also gleichgeschalteten ExpertInnen scheinbar nur Lachanfälle auslöst: dem Wirtschaftskrieg. Mit den tiefen Ölpreisen und einer zunehmenden Finanzblockade ist Pdvsa natürlich sehr interessiert an Umschuldungen von Anleihen – das soll verhindert werden.
Auch Bloomberg stellt, wie andere Medien, die CS-Entscheidung als „Sieg für die venezolanische Führung der Opposition dar, die Wallstreet-Banken gedrängt hat, Maduro keine Rettungsleine  zuzuwerfen, und ein Kampagne gegen Goldman Sachs Assets Management geführt hat, nachdem diese jetzt von Credit Suisse verbotene Wertpapiere erworben hat.“  Eine Art Trostpreis für die Putschrechte, die zusammen mit ihrem US-Patron anlässlich der Wahlen vom 30. Juli zur Konstituante eine klare Niederlage eingefahren hat, eine Niederlage, die sie jetzt dazu bringt, sich für die Gouverneurswahlen vom kommenden Dezember einzuschreiben. Wahlen, die übrigens von just jenem Wahlrat organisiert werden, der doch gerade den „Wahlbetrug vom 30. Juli“ organsiert hat. Eine weitere kleine Ironie, die bis dato den hiesigen medialen Demokratierecken entgangen ist. (Auch die UBS will laut Bloomberg über ihre Venezuela-Bücher.)

Mercosur – die freiheitliche Erpressung
Mercosur-Treffen vom 5. August.
 Aber nicht nur am Paradeplatz, auch in lateinamerikanischen Metropolen stärkt sich das Engagement für Demokratie und Menschenrechte. Letzten 5. August suspendierten die Aussenminister des Mercosur (darunter zwei Putschregimes: das von Paraguay und das von Brasilien) die Mitgliedschaft Venezuelas definitiv. Der Entscheid hat natürlich auch stark mit dem durch Trumps America-First-Rhetorik beflügelten Eifer zu tun, mit der EU ein von Venezuela bekämpftes Freihandelsabkommen abzuschliessen. Da auch sein weit rechts stehender Aussenminister Nin Novoa beteiligt war, geriet der uruguayische Präsident Tabaré Vázquez in die Kritik namhafter Teile des ihn tragenden Bündnisses Frente Amplio. Vázquez begründete im Onlineportal Búsqueda die Unterordnung seiner „fortschrittlichen“ Regierung unter das Imperiumskommando, nachdem sie dieses in letzter Zeit eher ein wenig auszubremsen versucht hatte. Er gab Folgendes zu bedenken: „Was passiert mit Uruguay, wenn es sich im Mercosur weiter intransigent zeigte? Und wenn sie Uruguay vom Mercosur isolieren? Es gibt, sagen wir, keine Regelung, die die anderen Länder anführen könnten, um Uruguay zu isolieren, aber von einem Handelsstandpunkt aus können sie verschiedene Massnahmen ergreifen, die Uruguay schädigen. Und wie viele Arbeitsplätze können so verloren gehen? Und wenn es Aktionen gibt, die die uruguayischen Arbeiter, die uruguayischen Unternehmer, das Land allgemein schädigen könnten? Ah, ich muss das sehr gut bedenken. Mit dem Herzen in der Utopie, aber mit den Füssen auf dem Boden.“