Venezuela: Dauerlügen – ein kleines Beispiel

Sonntag, 6. August 2017



(zas, 6.8.17) „Militäraufstand“, „Rebellion“ u. ä. sind die geläufigen Begriffe der heutigen Berichterstattung zum Versuch, eine Militärkaserne im Gliedstaat Carabobo einzunehmen und/oder Waffen dabei zu erbeuten. SRF berichtet, die Zeitungen online, morgen in Print. NZZ-Brühwiller sieht darin eine Antwort auf die „Selbstentblössung eines totalitären Regimes – Venezuelas Generalstaatsanwältin abgesetzt“.
Natürlich sind unter Zeitdruck verfasste Erstmeldungen anfällig für Fehler. Diese sollten allerdings nicht einer präzisen Linie folgen, sonst handelte es sich nicht um Irrtümer, sondern um eine Linie. Nach Angaben des Verteidigungsministers war das Angriffskommando von einem Ex-Offizier kommandiert, der vor drei Jahren wegen Umsturzumtreibe nach Miami flüchtete. Andere Mitglieder des Kommandos waren demnach in Uniformen gesteckte Zivilisten. Einige von ihnen, gefangen, haben offenbar zugegeben, angeheuert worden zu sein. Einer Gruppe ist es gelungen, mit erbeuteten Waffen zu entkommen. War es nun eine (niedergeschlagene) Armeerebellion, wie der Mainstream behauptet, oder doch eher eine Propagandaaktion, wie schon diverse chavistische Quellen verlauten lassen?
Was ins Auge fällt, ist die perfekte Übereinstimmung mit angekündigten Szenarien (auch von Werner Marti in der NZZ am Samstag) von zunehmenden Militäraufständen gegen die Diktatur im Verbund mit radikaleren Teilen der Opposition. Und schon bewahrheitet sich die Prophezeiung… Wie US-Aussenminister Tillerson sieht auch NZZ-Marti die beste Lösung darin, dass Maduro abtritt, eine schlechtere wäre ein Bürgerkrieg. Sie vergiessen Krokodilstränen über etwas, was sie mit ihren Berichten fördern – imperiumsweit.
Wir haben auf diesem Blog wenige Stimmen von unten zum beeindruckenden Sieg vor einer Woche, anlässlich der Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung, übersetzt. Menschen, die berichten, wie sie sich trotz eines rechten Terrors zu Wahllokalen haben durchschlagen können oder vor den Schüssen weichen mussten. Mit ihrer fast totalen Negierung der Dynamik vom letzten Sonntag, mit ihren monotonen Berichten über Regierungsgewalt gegen friedlich Protestierende, mit ihrer Begeisterung für Betrugsvorwürfe am letzten Sonntag und einer ebenso grenzenlosen Begeisterung für den offensichtlichen Superbetrug vom rechten „Plebiszit“ zwei Wochen zuvor, machen diese Medien eines deutlich: Sie schiessen mit. Sie wollen die Ausmerze des Chavismus, notfalls mit Krieg.
Brühwiller schrieb noch vor wenigen Stunden, das derzeitige Idol der Imperiumsrechten, die offen zur Konterrevolution übergelaufene Generalstaatsanwältin Luisa Ortega, sei von der Konstituante abgesetzt worden. Die gleiche Fehlmeldung verbreiteten seit vorgestern auch andere Medien. Eine (gute) Sache ist, dass die Konterrevolutionärin nicht mehr die Verfahren gegen terroristische Gewalttäter niederschlagen kann - oder wie soll man Leute bezeichnen, die straffrei mehrmals mutmassliche Chavistas bei lebendigem Leib verbrannt haben oder es zumindest versuchten? Oder andere, die ebenso straffrei von Hausdächern herab Menschen erschiessen, die eine Barrikade aufräumen wollen? Eine andere Sache ist, dass es nun einfach nicht die Konstituante war, die Ortega absetzte, sondern das von den Rechten ebenfalls gehasste Oberste Gericht. Warum aber monton in all den Medien die Version Konstituante? Weil die hinter dieser steckende gesellschaftliche Dynamik satanisiert werden soll. Und wie erklären sich Brühwillers folgende Sätze?: Der Antrag zur Absetzung kam vom früheren Parlamentspräsidenten [und jetzigen Konstituantenmitglied] Diosdado Cabello, einer der zentralen Figuren innerhalb des Regimes. Die Versammlung stimmte einstimmig und unter dem Ruf «Verräterin, Verräterin!» zu.“ Woher diese gelogene „Life-Show“? Wo sind die Grenzen? Das sind kleine Details, sie zeigen, woher der Wind bläst.