Venezuela: Die Leute sagen etwas

Donnerstag, 3. August 2017



(zas, 3.8.17) Wir werden kaum umhin können, auf die enorme Desinformation einzugehen, die praktisch jede auch nur entfernt reale Behandlung der Vorgänge rund um die Wahl zur Verfassungsgebenden Versammlung ersetzt. Es handelt sich um gleichgeschaltete Propaganda für den Krieg, eine „Kunst“, in der diese Medien mittlerweile zuhause sind. Doch jetzt zwei kurze Beiträge, die ahnen lassen, worum es geht.
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Die Erklärung für die Stimmen und der Krieg, der weitergeht
Coordinación Nacional de la Corriente Revolucionaria Bolívar y Zamora*
31. Juli 2017
Gestern mussten wir einen Sieg erlangen und wir haben ihn erlangt. Die Wahl war viel mehr als eine Wahl, es ging um eine strategische Schlacht im sich entfaltenden nicht-konventionellen Krieg. Wir brauchten für die Legitimierung der Konstituante, Asamblea Nacional Constituyente, ANC) eine grosse Beteiligung und wir erreichte sie: 8‘089‘820 Stimmen.
Wir wussten, dass die Rechte diese Zahl, egal ob grösser oder kleiner. automatisch negieren würde. Betrug zu schreien war ihre Lieblingsbeschäftigung seit Beginn der Revolution, und dieses Mal haben sie es schon angekündigt. Wie gewohnt bei für sie negativen Resultaten anerkannten sie den Nationalen Wahlrat CNE nicht an. Denn die Zahlen sind ein direkter Schlag gegen die angestrebte putschistische Akkumulation, die Moral ihrer sozialen Basis und ihre Handlungsfähigkeit.  Da waren die Strassen, die sie in Aufruhr versetzen wollten: eingefroren. Die internationale Front hat die völlige Negation der Resultate und der ANC begleitet, der kolumbianische Präsident, kontinentale Rechtsregierungen, europäische Regierungen und, wie nicht anders zu erwarten war, die USA. Man sah das aus der Perspektive der Kriegsdynamik so kommen, mit ihrer strategischen internationalen Front, eine Front, die das Kräfteverhältnis in dieser Dynamik bestimmt. Dieser Aberkennung der ANC schlossen sich, wie ebenfalls zu erwarten war,  die Generalstaatsanwältin, das Parlament – also die rechten Parteien – die soziale Basis, die die Existenz des Chavismus bestreitet, die grossen Kommunikationsmedien und der sogenannte „kritische Chavismus“ an, der seit Wochen mit dem Putschblock im Einklang ist.
Kurz, diese Kräfteaufstellung verlief auf vorgezeichneten Bahnen. Aber das Resultat stellt für sie ein schwerer Schlag dar. 8‘089‘820 Stimmen sind viel. Wie kam es dazu? Hier einige mögliche Erklärungen:
1.      Wir, als Chavismus und Bevölkerung allgemein, stehen einem Feind gegenüber, der frontal angriff und eine bis anhin nicht gekannte Gewalteskalation entfaltete. Sie ging bis zum Verbrennen von Personen, Nahrungsmitteln, Spitälern, Militärkasernen. Darauf reagierten wir mit der Verteidigung der Demokratie, des Friedens, der Ablehnung, Differenzen, auch antagonistische, mit Tod zu lösen. Die Wahl fand im Rahmen des Terrors, der totalen Polarisierung statt, und dies rief die Mehrheiten an die Urnen.
2.      Viele Leute sahen in der ANC eine mögliche Lösung für reale Alltagsprobleme, die sich verschärfen, und die vor allem die Unterklassen belasten.
3.      Es gab auch Loyalitätsübung für Hugo Chávez, für das revolutionäre Projekt, ein klares Verständnis des historischen Augenblicks, der Notwendigkeit, die Reihen gegen den strategischen Feind der Revolution zu schliessen, der die wirtschaftliche Lage, die Morde an Chavistas, an anständigen Leuten, und die Unterordnung unter die USA nur verschlimmern würde.
4.      Es waren nicht nur wir Chavistas, die gewählt haben. Wir sahen auch enttäuschte Leute der Opposition zur Wahl gehen. Sie taten dies, weil der ungangbare Weg, den die rechte Leitung vorschlägt, nur Eskalation der Gewalt darstellt, und weil sie, wie die Mehrheit der venezolanischen Leute, darauf setzen, dass der Konflikt mit Stimmen gelöst werde.
Das sind ein paar Gründe, die die Zahl erklären. Wir kennen die Bilder: Menschen, die Flüsse durchqueren, Strassensperren, bewaffneten Gruppen ausweichen, die sich vor den eigenen Nachbarn verstecken, um massenhaft im Poliedro in Caracas wählen zu können [grosses Wahllokal für Leute aus den von den Rechten beherrschten Stadtteilen, die dort nicht zu wählen riskieren konnten]. Das Volk legte, wir legten, Zeugnis von Bewusstsein, von Stärke, von einer epischen Dimension ab. Nach mehr als drei Jahren eines an allen Fronten betriebenen Kriegs zeigten wir, dass wir als Chavismus einen sehr hohen Prozentsatz der Beteiligung, der Gewissheit bezüglich unseres historischen Projekts haben.
Dies bringt auch eine Verantwortung mit sich. Die Leitung muss zuhören, akzeptieren, dass sie selbstgenügsam gehandelt und die Kosten der Krise den Ärmsten aufgebürgt hat. Dass mit der ANC die historische Chance besteht, Fehler zu berichtigen, die schweren Probleme, die wir im Alltag haben, zu lösen. Die 8‘089‘820 Stimmen sind kein Blankoscheck dafür, dass die gleiche Leitung weiter gleich regiere. Sie sind eine klare Botschaft: Wir sind da, wir brauchen reale, strukturelle Veränderungen, dringend.
Auch der Chavismus, der nicht Teil der Leitung ist, hat eine Verantwortung: der historischen Chance gerecht zu werden. Wir müssen Debatten führen, dafür sorgen, dass die Konstituante nach radikalen, kommunenhaften Horizonten strebt, dass sie die die Bedürfnisse und Wünsche der gewöhnlichen Leute ausdrückt, dass es sich wirklich um einen verfassungsgebenden Prozess  handle. Deshalb müssen wir ein Kräfteverhältnis aufbauen, gemeinsame Vorschläge entwickeln, den Dialog führen, Konsens finden, genau auf das zu hören, was da unten, in unseren Comunidades, gesagt wird.
Dies war eine strategische Schlacht. Der Krieg geht weiter, und wir haben darin zwei zentrale Ziele: nicht zulassen, dass der historische Feind die politische Macht erringt und die Heimat zerstört, und in einem bolivarischen, chavistischen Projekt voranzukommen, über das bewegungsintern gestritten wird, Dafür standen wir und werden wir stehen. Einheit, Kampf und Sieg.
 
CRBZ-Karawane in Socopó. Bild: CRBZ.
·       *  Die CRBZ ist eine der Organisationen, die gegen die imperialistische Offensive auf Selbstverteidigung von unten setzt, nicht nur auf das Agieren der Sicherheitskräfte. Sie hat kurz vor der Wahl der Konstituante erfolgreich eine Karawane in die längere Zeit von bewaffneten Strukturen der Rechten teilbeherrschte und terrorisierte Stadt Socopó organisiert.
http://crbz.org/?p=50293: Comunicado CRBZ: la Explicación de los votos y la guerra que sigue.

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Wie kommt es zur hohen Wahlbeteiligung für die Konstituante?
aus eine Artikel in Misión Verdad*


Die Kandidaturen
Speziell diese Wahl brachte eine immens grosse Zahl von Kandidaturen, charakterisiert zudem durch ihre Diversität, die Territorien und soziale Sektoren repräsentierten. Etwas in der jüngsten venezolanischen Politik Unerhörtes, den sie war durch Polarisierung und Namen unter dem Banner von politischen Parteien charakterisiert. Dass es im Terrain zu dieser wichtigen Zahl von Kandidaturen, die meisten qualifiziert, kam, mobilisierte die Wahlteilnahme. Der Slogan: „Wähle, wen du willst, aber wähle!“ zeigte Wirkung. Die Kandidaturen von realen Leuten, die nicht verlangten, gewählt zu werden, die aber Vorschläge in die Comunidades trugen und ihre eigenen Kampagnen machten, waren ein wichtiger Faktor, um kapillar Enthusiasmus zu schaffen.

Neu moralische Stärkung
Vom Moment der Einberufung der Konstituante zeigte der Chavismus klare Signale einer Repolitisierung und einer neuen Moral. Er öffnete den Raum für eine Reorganisierung seiner Reihen, parallel zur Gewalteskalation, die der Antichavismus seit drei Monaten betrieben hat. Der Aufruf zur elektoralen Kräftemessung revitalisierte die Reihen des Chavismus; die Wahl war ein Gegenprojekt zu den Agenden von Gewalt und Putsch der Konterrevolution. Ein Schlüsselfaktor.
Die Bedrängung durch den Gegner repolitisiert. Zuvor war es zur wichtigen chavistischen Wahlniederlage Ende 2015 gekommen und anschliessend und anschliessend zur schweren wirtschaftlichen Krise, von der man annahm, sie habe die Unterstützung für den Chavismus massiv reduziert. Paradoxerweise war die politische Widrigkeit, die den Chavismus in der Regierung gefährdete, der Auslöser für eine Neuaufstellung der Reihen zur Verteidigung des Chavismus in der Regierung, unbeschadet der Widerstände gegen die Politik der Leitung, die bestehen bleiben.
30. Juli, in einem Wahllokal.


Die Beteiligung von Oppositionellen
Man muss die Zahl von mehr als 8 Millionen Stimmen sehr genau abwägen. Es ist schwer vorstellbar anzunehmen, dass es tatsächlich 8 Millionen Chavistas in Venezuela gibt, wo doch verschiedene Quellen das Phänomen von oppositionellen Stimmabgaben festhielten, trotz des Entscheids des Oppositionsbündnisses MUD, nicht an der Wahl teilzunehmen. Die MUD hatte so ihren WählerInnen ihre politischen Rechte vorenthalten.

Ablehnung der MUD und Möglichkeit der Wahl als Bestrafungsmittel
Es steht fest, dass es ein grosses Wahlkontingent gibt, das mit der Regierung unzufrieden ist. Es sind die Mitglieder und Gefolgsleute der Opposition. Aber es ist auch sicher, dass eine Mehrheit in dieser grossen Gruppe die Gewalt der MUD ablehnt. Und andererseits gibt es auch evidente Signale für die Ablehnung der MUD wegen ihres Weckens falscher triumphalistischer Hoffnungen, improvisierter Agenden, der Zersplitterung der Führungskräfte, des Fehlens eines Projektes für das Land und des totalen Mangels von konstruktiver Führung.
[A.d.Ü.: Neben weiteren Motiven für oppositionelle Stimmabgaben wird auch Folgendes genannt:]
Es gibt verschiedene Aussagen von Wahltischmitgliedern im ganzen Land, die die Beteiligung von vielen Oppositionellen mitbekamen, „weil sie mir die Pension nehmen“, „und wenn sie mir die Loge in der GMVV nehmen?“ [GMVV: Gran Misión Vivienda Venezuela. Über 1.7 Millionen Sozialwohnungen sind bisher an Haushalte der Unterschichten übergeben worden.] Auch solches scheint zur politischen Beteiligung motiviert zu haben. Denn  die Leute wissen um die Täuschungsmanöver der Rechten,  die sie angeblich zu ihren Gunsten macht.