(zas, 17.2.19) Am 1. Juni tritt die neue Regierung unter dem
am 3. Februar gewählten «Anti-Establishment»-Präsidenten Nayib Bukele ihr Amt
an. Die abtretende Regierung des FMLN und die neue sind in der Zwischenzeit mit
der sog. geordneten Übergabe der Amtsgeschäfte befasst. Soweit nichts Neues.
Bis gestern die US-Botschafterin Jean Manes verlauten
liess: «Wir werden mit der Übergangsequipe
des gewählten Präsidenten zusammenarbeiten und schauen, welches seine Prioritäten
sind und wie wir seine neue Agenda begleiten können.»
Dicke Post.
Die USA «arbeiten mit» der Transitionsequipe Bukeles und «schauen»,
dass die Übergabe von einer zur nächsten salvadorianischen Regierung ordentlich
abläuft.
Dicke Post, eigentlich.
Tatsächlich verschwindet die Nachricht hinter einer anderen,
die die Social Media und den Grossteil der PolitikerInnen viel mehr umtreibt. Denn
gestern gab Bukele bekannt, er werde den vom Parlament gesprochenen Millionenkredit
für die Renovation des Parlamentsgebäudes halbieren und dafür neue Schulen
bauen lassen. Begeisterte Zustimmung in den einschlägigen Accounts bei Twitter
etc.: «So macht man Politik!» Bukele wusste auch, dass ein Ingenieurbüro für
das bei Erdbeben einsturzgefährdete Parlamentsgebäude gratis einen halb so teuren
und viel umweltfreundlicheren Vorschlag ausarbeiten wird. Ja: «wird». Er kennt
einfach das Resultat der Studie jetzt schon. Einige stänkern, die
Umorientierung einer schon gesprochenen Ausgabe liege in der Kompetenz des
Parlaments, nicht eines Präsidenten. Bukele weiss aber: Die Abgeordneten, die
sich gegen die Interessen des Volks stellen, werden bei den nächsten
Parlamentswahlen abgestraft. Erste Ergebenheitsadressen sind schon erfolgt,
dahinter verschwindet das Detail, dass das Gebäude tatsächlich
erdbebengefährdet ist und bloss 1500 Leute darin arbeiten.
Ein schon übliches Argumentationsmuster des Neugewählten,
der «die Botschaft» hinter sich weiss. Andere wissen auch, woher der Wind weht,
z. B. der amtierende Vizepräsident Óscar Ortiz vom FMLN. Er freut
sich über den Prozess der Regierungsübergabe, dieser «wird transparent und einzigartig in der Geschichte des Landes sein.
Damit garantieren wir eine erfolgreiche Übergabe, gut organisiert und vor allem
von der internationalen Gemeinschaft supervisiert». Mit nationaler Souveränität
muss man einem wie ihm, stets bereit für ein smartes Geschäft und für dicke Freundschaft
mit Washington, nicht kommen. Die «Annäherung» an die USA «ist der richtige Weg … Ich zweifle nicht daran, dass der kommende
Präsident die besten Entscheide zum Wohl der salvadorianischen Familien fällen
wird.»
Wichtige Segmente einer FMLN-Regierung, die immerhin eine «Anerkennung»
von Trumps Wahl des venezolanischen Präsidenten nicht mittrug, suchen fast offen
den Anschluss ans Empire und seine derzeitige Galionsfigur im Land, Bukele.
Ortíz selber, der eigentlich auf die Präsidentschaft des Landes aspiriert
hatte, will sich jetzt mit der Leitung des FMLN begnügen. Ob absichtlich oder
nicht, für einen FMLN mit emanzipatorischem Gehalt wäre so etwas heute
vernichtend.
Da ist zum einen die interne Lage. In den auf Mai oder Mitte
Juni vorgezogenen Wahlen der nationalen FMLN-Leitungsorgane stehen sich
mindestens zwei Lager gegenüber. Auf der einen Seite die «pragmatischen»
Pro-Business- und Pro-Bukele-Kräfte mit viel Geld und mit Unterstützung aus der
Regierung, auf der anderen Seite jene, die eine andere Lehre aus dem
Wahldebakel von Anfang Monat ziehen: Nur mit realer Bereitschaft zu
gesellschaftlichen Kämpfen und organisatorischer Ameisenarbeit in der
Bevölkerung lasse sich der Frust so vieler Leute kehren und ein Abgleiten in
ein Regime des «autoritären Messianismus» noch verhindern. Wie diese Debatte
intern ausgeht, ist derzeit wohl völlig offen. Zum anderen gibt es die
kontinentale US-Offensive (mit Europa etc. im Schlepptau). Alles, was für reales
linkes Veränderungspotential steht, soll vernichtet werden. Dafür stehen Lawfare, die Einschnürung Nicaraguas, die
Killoperation gegen den Chavismus (vom Wirtschaftskrieg bis zum
Militäraufmarsch). In El Salvador soll der FMLN, so verletzt wie noch nie,
definitiv geschlagen werden. Eine Variante davon wäre die volle Integration ins
kapitalistische System via die interne Machtübernahme durch Figuren der
Businessfraktion oder auch des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Hugo
Martínez, der als Aussenminister grosse Nähe zu den USA zeigte. Zu erwarten sind im US/Bukele-Regime etwa gezinkte
Justizverfahren wegen Korruption wie in Ecuador unter Lenín Moreno, Gewalttätigkeiten
durch reale oder angebliche Mara-Mitglieder u. a.
Die virtuellen Zaubershows des Bukele-Lagers – vom gefälschten Liveauftritt vor pro projiziertem Publikum bis zur Augenwischerei in Sachen
neues Parlamentsgebäude, stets dem rechtsradikalen Herrschaftsskript folgend,
dass das Hauptproblem nicht brutale Ausbeutung und Zerstörung, sondern Dinge
wie Parlament oder Korruption seien – stehen für neue Formen des
Autoritarismus. In allen Nöten hienieden gibt es da diese Figur, an die sich zu
halten Rettung verspricht … sie fegt mit eisernem Antikorruptionsbesen den
Augiasstall von «links und rechts».
Ein «kleines», aber wichtiges Zeichen für diese Tendenz: Das
Bukele-Lager ist nicht eine Sekunde vom Wahlkampfmodus heruntergekommen, also
von der Mischung messianischer Versprechen mit enormen Schmutzkampagnen – fast ausschliesslich
gegen den FMLN. Das Problem dabei ist nicht der mit den Wahlen «überholte»
Modus, sondern die permanente Aufpeitschung «des Volks gegen seine Feinde».
Nicht zufällig richten sich diese Angriffe via Social Media primär gegen
Frauen: gegen Yeini Muñoz, die Leiterin des staatlichen Jugendinstituts, gegen
Lorena Peña von der amtierenden FMLN-Leitung u. a. Da geht es um erfundene
Ehemänner und Liebschaften, um inexistente familiäre Verbindungen in höchste
Geheimdienstkreise zwecks Schädigung des guten Rufs von Bukele, um imaginierte
Asylanträge in Nicaragua zwecks Knastvermeidung usw. usf. Eine Lüge bestätigt
die vorhergehende, gepaart mit dem Ausblick auf das verheissene Land, die «Primitivheit»
der Masche ist augenfällig, aber wirksam. Auch einige FMLN-Basismitglieder repetieren
solche Lügen in empörtem Tonfall. Tatsache ist, dass wir die anhaltende und «schrille»
Qualität dieser Kampagnen so seit dem Ende des Kriegs nicht mehr kannten. Heute
ist sie wieder alltäglich.
Warum?