Kolumbien: 200'000 Leichen zu exhumieren

Freitag, 20. Dezember 2019


Caracol Radio Servicio Informativo
Im Gespräch mit 6AM Hoy por Hoy von Caracol Radio sagte Claudia García, die Direktorin der Gerichtsmedizin, dass auf das Land mit der Identifizierung von geschätzten rund 200'000 begrabenen Leichen, über die man wenig wisse, grosse Herausforderungen zukommen.
«In den letzten Jahren schätzen wir, dass in allen legalen Friedhöfen und klandestinen Massengräbern ungefähr 200'000 Leichen zu identifizieren sind und dass hier die Verschwundenen des Landes zu suchen sind.»
Sie sagte, die Untersuchungen würden die Todesumstände dieser 200'000 Personen ermitteln, ob sie wegen aussergerichtlichen Hinrichtungen oder aus anderen Gründen starben.
Sie gab für Dabeida (Departement Antioquia), wo sich das erste Massengrab von Fällen von falsos positivos[1] der Armee befinden soll, an, dass erste Ergebnisse der Exhumierungen nächstes Jahr in der dritten Januarwoche vorliegen werden.
«Wir wissen nicht, wie viele Leichen wir dort finden werden. Der Bericht, den wir von der Justicia Especial de Paz[2] erhalten haben, erwähnt 17 Fälle, aber es können mehr oder weniger sein», meinte die Direktorin der Gerichtsmedizin.
Zuletzt richtete sie einen Appell an die nationale Regierung für finanzielle Unterstützung der Institution, die wegen der Opfer des bewaffneten Konflikts vor speziellen Herausforderungen steht.
María Sanabria mit dem Bild ihre unter falsos positovs ermordeten Sohnes Jaime. Bild: Oxfam.
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(zas) So weit der Bericht von Radio Caracol, dem grössten Sender des Landes, zur eigenen Sendung. Es wird bei allem «guten Willen» schier unmöglich sein, diese gigantische Zahl von Ermordeten der Guerilla in die Schuhe zu schieben – und den Paramilitärs, die vom Mediengros und der Herrschaftspolitik als nicht mit der Armee gemeinsam operierende Einheiten dargestellt werden, abgesehen von nicht mehr zu leugnenden «Einzelfällen». 2011 äusserte  der damalige UNO-Menschenrechtsvertreter in Kolumbien, Cristian Salazar, dass die kolumbianische Staatsanwaltschaft wohl über mehr als 26'500 Fälle mutmasslichen «Verschwindenlassens» Bescheid wisse.
Damals kein Aufschrei in den Medien, heute keiner. Schliesslich dient Kolumbien – auch als Ersatz für Chile - als Paradebeispiel für neoliberale Wohlstandswirtschaft, und es ist ein strategischer NATO-Partner. Und nicht zu vergessen: Anfang Dezember versicherte US-Aussenminister Mike Pompeo die «legitimen Regierungen» der Unterstützung in ihrem «Versuch, Kuba und Venezuela daran zu hindern, [die Proteste in Bolivien, Chile, Kolumbien und Ecuador] zu kidnappen.» Zur Untermauerung dieser These «sagte er», so Reuters, «dass Kolumbien die Grenze mit Venezuela geschlossen habe, aus Sorge um das Hereinkommen von Protestierenden aus dem Nachbarland.»

·         17.12.19: Medicina Legal: Faltan 200.000 cuerpos por exhumar




[1] «Falsche Treffer» - gemeint sind die von der Armee ermordeten Jugendlichen aus Armutskreisen, die fälschlicherweise als im Kampf gefallene Guerillas ausgegeben wurden. Zwei kolumbianische ehemalige Polizeioffiziere kommen für diese Fälle auf die Zahl von 10'000 zwischen 2002 und 2010 von der Armee Ermordeten. Höhepunkt der Praxis der falsos positivos war unter Präsident Uribe und seinem Verteidigungsminister, Amtsnachfolger und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos.
[2] Im Abkommen mit der FARC vereinbarte Spezialjustiz, die vom Regime seither weitgehend zu einem Angriffsinstrument auf die ehemalige Guerilla umgewandelt worden ist.