Vorbemerkung:
(zas, 21.12.19) Linke
werden sich vielleicht fragen, ob die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)
und ihre Angaben zu einem «Wahlbetrug»
in Bolivien relevant genug seien, um ein wiederholtes Zurückkommen auf diese
Fragen zu rechtfertigen. Wir denken schon. Der Neoputschismus in Lateinamerika
und der Karibik wird im westlichen Imperium a) weg gelogen und b) gefeiert. Man
empört sich mit der OAS über einen erfundenen Wahlbetrug und findet kaum etwas
oder nichts an systematischer Repression durch die eigenen Kräfte. Dass ein
Neoputsch dank aktiver faschistischer, mit Polizei und Armee kooperierenderer Kräfte
mit einer realen Basis in weiten Teilen der Mittelschichten (inkl. des Gros der
NGO-Entwicklungsagenturen) in Bolivien möglich war, ist erschreckend. Eben noch
heimste der gestürzte Präsident Evo Morales vom IWF bis zu «unseren» Medien
gute Noten ein, nun ist er bloss noch ein machtbesessener Autokrat. Das
verdeckt, wie gut vorbereitet der Putsch war: vom «Einlullen» der
Wegzuputschenden über die organisierte Arbeitsteilung von wildgewordenen
Mittelstandsmilien mit den «Sicherheitskräften» samt einfühlsamer
transnationaler medialer Begleitung bis neuen Taktiken wie jener, «freiwillige
Rücktritte» von Ministern und Parlamentarierinnen bis zu BürgermeisterInnen oder
Leitungsmitgliedern von sozialen Organisationen zu provozieren. Denn was tun,
wenn die Tochter anruft und sagt, die Oppositionellen seien brutal ins Haus
eingedrungen und drohten ihr mit Vergewaltigung, falls Papi nicht zurücktrete?
Noch wissen wir wegen der schwierigen Kommunikationslage im extrem repressiven
Klima nicht, in wie vielen Fällen der rund 90 «Rücktritte» diese so erzwungen
wurden, aber die Sache ist in mehreren Fällen gesichert.
Die Weisswasch-Propaganda
ist ein wichtiges Element in der internationalen Strategie des Neoputschismus.
Ihr muss entgegen getreten werden, auch argumentativ.
Speziell für «kritische»
Linke: Eine solidarische und mitunter auch scharfe Kritik am Modell der gestürzten
Regierungspartei MAS ist durchaus nötig. Doch jetzt dienen die meisten
diesbezüglichen Stellungsnahmen mehr der Rechthaberei, der Frustverarbeitung
oder gleich der Leugnung und damit Unterstützung des Putsches, ganz «non-binär»
entlang dem Schema: Die Faschisten von rechts und die Autokraten von links liefern
sich Hahnenkämpfe. Die Zeit wird kommen, in der eine öffentliche kritische
Aufarbeitung unabdingbar sein wird. [1]
___
Softwarezauber
Am letzten 4.
Dezember veröffentlichte die OAS ihren Schlussbericht zu den Wahlen in Bolivien
(Análisis de Integridad Electoral, Bolivia
2019). Ein langer Teil des Auditberichts dreht sich um den Bereich
IT und Wahlsoftware. Insbesondere seien ein unautorisierter und ein
«verborgener» Server bei der Schnellauszählung TREP (s. Kasten am Schluss) zum
Einsatz gekommen. In einem anderen Teil versichert das OAS-Gremium, bei den
Wahlakten sei es zu «Manipulation»
gekommen, was ihre «Glaubwürdigkeit»
in Frage stelle. Weiter teilen die AutorInnen mit, im Cómputo – also der
offiziellen Auszählung (s. Kasten) - seien ein Teil der Resultate und der
entsprechenden Aktenkopien aus dem TREP übernommen worden, womit die Aussage,
dass der Cómputo von allfälligen Mängeln der TREP-Software nicht beeinflusst
werde, «kategorisch hinfällig» sei.
Betroffen seien Akten in «mehr als 5
Prozent» der Fälle, nämlich jene aus dem Ausland und die in den «Protesten»
verbrannten Unterlagen.
Laut den
OAS-ExpertInnen war der Unterbruch in den TREP-Veröffentlichungen «das Hautpereignis, das das Vertrauen in den
Wahlprozess in Frage stellte» (S. 8). Sie insistieren wiederholt, z. B. auf
Seite 14, dass es dafür «keinesfalls ein
technisches Motiv gab». Schon im zweiten Satz zu Berichtbeginn sprechen sie
von einer «absichtlichen und
willkürlichen Paralysierung [des TREP], ohne technischen Grund». Das
verdeutlicht schlicht ihre Entschlossenheit, auf Teufel komm raus ein
Betrugsambiente zu behaupten. Natürlich wussten auch sie von Beginn weg, dass
a) die für den TREP noch fehlenden Daten aus entlegenen ländlichen Gebieten mit
ausgeprägter Unterstützung für Morales stammten, und dass es b) von Anfang klar
war, dass wie schon bei früheren, von der OAS nie beanstandeten, Wahlgängen der TREP unvollständig bleiben
würde, weil am Sonntag eben ein Teil der Daten noch fehlen und dann die
offizielle Auszählung beginnen würden. (S. zu diesem Komplex den ersten Bericht des Center for
Economic and Policy Reserach (CEPR) oder einen Artikel dazu auf diesem Blog).
Ein Wort noch zu
den Software-Problemen. Falls die OAS-Angaben nicht wie nachweislich in anderen
Teilen des Berichts scharf an der Wahrheit vorbei zielen, wäre das mit der
TREP-Zählung betraute Privatunternehmen Neotec unter die Lupe zu nehmen, Und
zwar nicht, weil seine Leitung einen technischen Wahlbetrug organisiert hätte,
sondern entweder wegen im OAS-Bericht angetönter Unfähigkeit oder wegen dem Legen absichtlicher falscher
Fährten für das Betrugsnarrativ. Da wäre etwa der laut OAS für der
Wiederaufnahme der TREP-Auszählung eingesetzte «verborgene» Server, den die
OAS-ExpertInnen «entdeckt» haben, wie wir zig Male mitgeteilt bekommen. Das
Detail: Natürlich hinterlässt die Online-Verbindung eines Computer mit einem
anderen eine Datenspur, die für Fachleute eruierbar ist. Die Regierung Morales
war sich eindeutig keiner Schuld bewusst, sonst hätte sie nicht die (Polit-) Technos
der OAS mit der Untersuchung beauftragt.
In ihrem
Auditbericht vermeidet die OAS den Begriff «Wahlbetrug». Ihr ist klar, dass sie
trotz aller Nebelpetarden und dem ganzen Softwarezauber allenfalls Schwachstellen
schildert, die für einen Betrug hätten missbraucht werden können, aber nicht
ein einziges Indiz für ein reales solches Vorkommnis. Der Begriff «Softwarezauber»
drängt sich aus einer einfachen Überlegung auf. Von der ersten Berichtsseite an
wird uns permanent eingehämmert, dass ein Betrug stattgefunden hat, ohne dieses
Wort selbst zu benutzen. Der grösste Teil dieses Feuerwerks hat mit
Softwareaspekten zu tun. Nicht ein einziges Mal wird deutlich ausgesprochen,
dass die entscheidende offizielle Auszählung … ähm, manuell gelaufen ist – in den
departementalen Wahlbehörden. Wahlakte für Wahlakte wurde da mit Beteiligung
der Parteivertretungen (die alle Kopien davon hatten) und Beobachtungsmissionen
begutachtet und die Resultate wurden erst dann in den Computer eingespiesen und
mit zusammen mit den Aktenscans im Web veröffentlicht, wo sie von den Parteien
etc. kontrolliert (und nachgerechnet) werden konnten. Die OAS erwähnt denn auch
eine praktisch hundertprozentige Übereinstimmung der physischen Akten mit den ihren
Kopien im Web. M. a. W., auch wenn alles zutreffen sollte, was die OAS über
Schwachstellen und Ungereimtheiten im Bereich Software behauptet - es bliebe angesichts
des manuellen, kontrollierten und immer noch kontrollierbaren Auszählmodus für
die Resultatsermittlung irrelevant.
Así de simple.
Es gibt
verschiedene kritische Antworten auf das Audit der OAS. Es folgen Auszüge aus
zwei Reaktionen, zum einen aus einer vorläufigen Stellungsnahme (Preliminary Analysis of the Findings of
the Final Report on the OAS Audit) des Center for Economic and
Policy Research (CEPR) vom 12. Dezember und zum anderen aus Análisis del informe final de la OEA sobre
las elecciones en Bolivia des Centro Estratégico Latinoamericano de
Geopolítica (CELAG) vom 6. Dezember.
Aus dem CEPR-Bericht
Jake Johnston
Sicherheitsschwachstellen und Manipulation
der Wahlresultate
·
Fast
die Hälfte des Schlussaudits ist der Informationstechnologie und
Sicherheitsschwachstellen in der Wahlsoftware gewidmet. Die Analyse kommt zum
Schluss: «Es ist dem Audit-Team nicht
möglich, die Datenintegrität zu garantieren und Sicherheit bzgl. der Resultate
herzustellen.» Die OAS-AuditorInnen scheinen besonders von der Entdeckung
eines «versteckten» Servers beunruhigt zu sein, der nach der Suspendierung der
vorläufigen Auszählung des TREP-Systems des Wahltags eingerichtet wurde und von
dem die Berichtsautoren suggerieren, er könnte eine direkte Manipulation der
Wahlresultate ermöglicht haben.
·
Während
ihres Wahlaudits hätte die OAS eine Reihe von verschiedenen Überprüfungen der
Legitimität der Resultate durchführen können, z. B. um festzustellen, ob der
«versteckte» Server oder andere Schwachstellen der Datenbank tatsächlich für
eine Manipulation der Resultate benutzt worden seien. Diese Tests sind simpel
und liegen für alle mit Wahlbeobachtung Befassten auf der Hand.
·
Störender
ist der Fakt, dass der Audit-Bericht Informationen verheimlicht oder zu
veröffentlichen versäumt, die grundlegende, von den Auditoren durchgeführte
Verifizierungen des Wahlmaterials betreffen und die Beweise – wenn sie denn
existieren – für eine mögliche Manipulation der Weahlresultate hätten erbringen
können.
·
Die
Auditoren anlysierten Abbildungen der Wahlakten auf den Webseiten der
provisorischen TREP- und der offiziellen Schlussauszählung. Auf Seite 82 ihres
Berichts stellt die OAS fest, dass in 99.8 % der Fälle die Wahlaktenabbildungen
im System der offiziellen Auszählung mit den Wahlakten selber übereinstimmen.[2]
·
Der
Audit-Schlussbericht lässt diesen Befund mit der Bemerkung unberücksichtigt,
die Bildanalyse würde die Authentizität der Wahlakten nicht beweisen. Aber
nirgends im Bericht halten die Auditoren fest, dass es einfache Möglichkeit der
Authentifizierung der Wahlakten gibt.
·
Im
Bericht gibt es keinen Hinweis, dass die OAS-Auditoren die online publizierten
Aktenabbildungen mit Kopien der physischen Wahlakten verglichen hätten, die am
Wahltag den politischen Parteien, den NotarInnen und den lokalen
Wahloffiziellen übergeben wurden.
·
Auf
Seite 84 des Berichts halten die Auditoren fest, dass 894 Wahlakten aus einer
stastistischen Probe von 2863 analysiert wurden, um sie mit dem ursprünglichen
Wahlmaterial abzugleichen. Die Grösse der Probe wird nicht erklärt und nur in
einer Fussnote erwähnt. Die OAS berichtet, dass PrüferInnen in fünf
Departemente geschickt wurden, um die 894 Wahlaken zu überprüfen, und dass von
diesen 230 verbrannt wurden, was ihre Verifizierung verhindere.
·
Nirgends
im Bericht gibt es Verifizierungsbefunde für den Rest der Probe. Um das
deutlich zu machen: Die OAS-führte einen Test zur Verifizierung der Wahlakten
selber durch und veröffentlicht nichts zu den Testergebnissen im definitiven
Auditbericht.
·
Soweit
die OAS-AuditorInnen die Akten nicht verifizieren konnten, lag das vorwiegend
an der Zerstörung von Wahlmaterial. Das Audit schliesst die Zerstörung von
Wahlmaterialien in ihren Befunden zu «Handlungen mit der Absicht, die
Wahlresultate zu manipulieren» ein. Der Bericht gibt keine Kontextinformation
zur Zerstörung von Wahlmaterialien.
·
Die
Interamerikanische Menschenrechtskommission, ein autonomes Organ der OAS,
ermittelte, dass Protestierende[3]
in den Tagen nach der Wahl Gebäude der departamentalen Wahlbehörden, in denen
relevante Wahlunterlagen gelagert wurden, in den Departmenten von Chuquisaca,
Potosí, Beni und Santa Cruz niedergebrannt haben. Lokalen Nachrichten zufolge
sind auch die Büros im Department Pando während der Proteste angegriffen
worden. Auf Seite 78 des Auditberichts informiert die OAS, dass 99.98 % der
verbrannten oder zerstörten Wahlakten und 100 % der verbrannten oder zerstörten
Wahlkontrollisten in diesen fünf Departementen gelagert waren.
___________________
Aus dem CELAG-Bericht
1.
Zur
TREP-Analyse
(…)
Der Leiter des mit dem TREP befassten Unternehmens Neotec,
Marcel Guzmán de Rojas,sagte [10 Tage vor dem Wahlgang]: «Es werden in zwei
Stunden 34'000 Akten verifiziert, um noch am Wahltag zwischen 80 % und 90 % der
Resultate zu haben.»[4]
(…)
Da der OAS-Bericht den TREP in den Fokus nimmt, ist
eigenartig, dass er der zentralen Rolle des damit beauftragten Unternehmens nur
wenige Zeilen widmet. Es überrascht auch, dass die OAS den Fakt ignoriert, dass
dieses System auf ihren Rat hin in Bolivien installiert wurde. In Sachen des
erwähnten Unternehmens verschweigt die OAS mindestens drei entscheidende
Faktoren:
·
Wie das Wahlgerichtmitglied Costas[5]
sagt[6],
hat man diese Technologie zum ersten Mal benutzt, weshalb Unerfahrenheit die
entdeckten Unvorsichtigkeiten erklären könnte. Die OAS anerkennt das auf S. 46
ihres Berichts, aber unterschlägt es im Resüme und in den Schlussfolgerungen.
·
Neotec war zentral für die von der OAS
denunzierte Softwareprogrammierung verantwortlich.
·
Schliesslich ignoriert die OAS, dass Neotec-Chef
Marcel Guzmán de Rojas seine Präferenz für Carlos Mesa geäussert hat, mit dem
er bekanntlich eine enge Beziehung unterhält. Dieser Fakt stellt tatsächlich eine schwere
Verletzung des Anscheins der Unparteilichkeit seitens des zentralen Verwalters
des Auszählungssystems dar.
Schlussfolgerung:
Die OAS basiert ihre Schlüsse auf der angeblichen Aufdeckung von 12
vorsätzlichen Regelverstössen. 10 davon beziehen sich auf den TREP, ein
unverbindliches System. Das, wie die OAS selbst und die am Wahlprozess
Beteiligten anerkennen, das Wahlresultat NICHT angeben konnte, da es NICHT auf
die Auszählung von mehr als 34'000 Akten [von 34'558] angelegt war.
2.
Zu
den Regelverstössen in der offiziellen Auszählung
(…)
2.1.
Zu
den absichtlichen Handlungen
[Aus dem OAS-Bericht]: «In einem Versuch, mögliche Verfälschungen
oder Manipulationen zu analysieren, wurde eine Probe von 4'692 Akten
untersucht. Dabei wurden 226 Akten analysiert, von denen zwei oder mehr Akten
aus dem gleichen Wahlzentrum von der
gleichen Person ausgefüllt wurden, was eine systematische und absichtliche
Aktion mit dem Ziel der Manipulation der Wahlakten bedeutet und gegen die
gesetzlich festgelegten Befugnisse der vereidigten WahltischfunktionärInnen
verstösst. Die entsprechenden Akten gehören zu 86 Wahlzentren in 47 Gemeinden
des Landes. Ihre gültigen Stimmen betragen addiert 38'001, von denen 91 %
(34'781) dem Movimiento al Socialismo zugewiesen wurden.»
Dieser Punkt ist
besonders ernst, da da er das einzige Argument für die Rechtfertigung eines
Betrugs in der offiziellen Auszählung darstellt, der Auszählung von Hand. Die
OAS verheimlicht jedoch zu Beginn ihres Berichtes[7]
entscheidende Informationen, die sie weiter hinten wiedergibt:
·
Die OAS hat die 34'718 Stimen in 47 Gemeinden im
Visier, bei denen sie angeblich Regelverstösse gefunden hat. Sie erwähnt nicht,
dass nur 4.6 % (wie dem Bericht auf S. 9 zu entnehmen ist) allenfalls betroffen
sein könnten, so dass, wenn wir alle [beanstandeten] Akten Carlos Mesa
zuschreiben würden, 85.4 % der Stimmen (91 % minus 4.6 %) der Stimmen in den
betroffenen Zonen dennoch an Evo Morales gingen, was ihm den Sieg in der ersten
Runde gesichert hätte.
·
Die OAS unterschlägt in ihren
Schlussfolgerungen, dass die 4'692 untersuchten Akten eine partiellen Probe
entstammen, von Akten, die nicht im TREP erfasst worden waren (s. 9). Es
handelt sich folglich um eine Probe aus den zuletzt ausgezählten Akten aus
entlegenen ländlichen Gebieten mit tieferem Alphabetisierungsgrad[8].
Von der OAS beanstandete Akte. |
·
Die als «irregulär» identifizierten Akten
stellen 4.8 % des untersuchten Totals dar (226 von 4'692), also 0.25 % aller
Akten. Selbst wenn sie also zu 100 % auf das Konto von Carlos Mesa gingen (was
enorm unwahrscheinlich wäre), würde sein Abstand auf Evo Morales immer 10.41 %
betragen.
·
Die OAS arbeitet nie mit einer simplen
Zufallsprobe der Akten, um diese zu validieren und zu vergleichen. Nur so eine
Probe wäre statistisch aussagekräftig und würde eine Projektion ihrer Zahlen
auf das Total erlauben, also die Dimension von Regelverstössen erhellen.
·
«Obwohl es
sich um sensibles Material handelt, wurden Akten verbrannt (die Anzahl ist
unsicher), was einen Abgleich ihrer Darstellung im TREP und im Cómputo
[Schnell- und offizielle Auszählung] verunmöglicht.» Es ist mehr als
bemerkenswert, dass die OAS das Verbrennen von Akten durch die Opposition als
Betrugsbeweis aufführt, ein Verbrennen, das nach
ihrem Betrugsvorwurf erfolgte.
Das und keine weiteren sind die
beiden einzigen Argumente der OAS, um von einem Wahlbetrug in Bolivien zu
reden.
[Nach mehreren Seiten weiterer
Kritik an der OAS-Methodik und statistischen Ungereimtheiten der ExpertInnen
schliesst der CELAG-Bericht so:]
Zum Schluss: Selbst wenn wir alle
Argumente der OAS akzeptieren würden, und der angeblich entdeckte «Betrug» in
4.8 % ihrer höchst tendenziösen Probe ganz der Opposition zugerechnet werden
würde, und dies auf die gesamten 5 % der Akten, die nicht im TREP ausgewertet
wurden, ausdenhnen würde, wäre das Wahlresultat 46.83 % für Evo Morales und
36.75 % für Carlos Mesa. Die Differenz bliebe über 10 Punkten, Evo Morales
hätte die Wahlen in der ersten Runde gewonnen.
_______________
Kasten: TREP, Cómputo, Akten
Noch am
Wahlsonntag vom 20. Oktober 2019 fand eine Schnellauszählung, der TREP, statt.
Dabei übermittelten die Wahloffiziellen Fotos von Wahlakten per Handy an die
Zentrale des Wahlgerichts TSE in La Paz. Eine Wahlakte enthält die Resultate
eines Wahltischs und wird in Anwesenheit von Parteivertretungen und
BeobachterInnen von den fünf per Los ausgewählten Wahltischoffiziellen
unterschrieben. Die zentrale Wahlbehörde addierte die Ergebnisse und
veröffentlichte laufend den neusten Stand sowie die Fotos der Wahlakten im Web.
Der TREP diente einzig einer rechtlich nicht verbindlichen Orientierung über
den Trend der Ergebnisse. Nach Verarbeitung von 83.76 % der Aktenfotos wurde die Publikation der
TREP-Resultate für fast einen Tag unterbrochen. Dabei lag Evo Morales mit 45.28
% der Stimmen vor seinem Hauptkonkurrenten Carlos Mesa mit 38.16 % vorne. Da
der Abstand weniger als 10 % betrug,, wäre, bei einem ähnlichen Schlussresultat
in der offiziellen Auszählung eine Stichwahl fällg gewesen, die Mesa hätte
gewinnen können. Im Gegensatz zum TREP ist die offizielle Auszählung (der
Cómputo) rechtlich verbindlich. Der Cómputo fand im Beisein von
Parteienvertretungen und BeobachterInnen in den Zentralen des Wahlgerichts TSE
in den neuen Departementen des Landes statt. Hier wurden die physischen Akten
geprüft und ihre Resultate in den Zentralrechner des TSE eingespiesen. Das TSE
veröffentlichte die eintreffenden Resultate samt Kopien der Akten ebenfalls laufend.
Schlussergebnis: Morales gewann mit 47.08 % der Stimmen gegen Carlos
Mesa mit 36.51 %. Damit war laut Gesetz eine für Morales und seine Partei MAS
gefährliche Stichwahl Stichwahl vom Tisch.
[1]
In der
bolivianischen Presse ist heute zu lesen, dass die EU-Wahlbeobachtungskommission
in Bolivien ihren Schlussbericht vorgelegt hat. Natürlich findet auch sie viele
„Regelverstösse“ seitens des weggeputschten Lagers. Ich habe einen kurzen Blick
auf das Papier geworfen, es lohnt sich kaum, es zu lesen. Im Kern hängen sie
sich einfach dem OAS-Audit an. Gleich im ersten Abschnitt zeigt die EU, wes
Geistes Kind sie sind. Da lesen wir: „Evo Morales trat am gleichen Tag [wie
die Veröffentlichung eines ersten
OAS-Berichts) ab und wurde am 12. November von der oppositionellen Senatspräsidentin
Jeanine Áñez mit Unterstützung des Obersten Verfassungsgerichts ersetzt.“ Nur
spasseshalber: Áñez, die Jihadistin, war nicht Senatspräsidentin; rechtmässig
war das immer noch Adriana Salvatierra vom Mas, die aber mit Prügel am Betreten
des Parlaments gehindert wurde. Sie oder danach ihre Nachfolgerin, aber nie Áñez,
wäre laut Verfassung Interimspräsidentin geworden. Anwesend im Senat war
ausschliesslich die rechte, nicht beschlussfähige Minderheit. Das Verfassungsgericht
sagte weder pieps noch paps zur Frage; ein Anwalt der Faschisten von Santa Cruz
hatte einen Entscheid eines früheren Verfassungsgerichts, der noch auf einer
längst abgeschafften Verfassung basierte, zur Legitimierung ausgegraben.
Natürlich wissen das auch die EU-Leute. Aber sie können gewiss sein, dass das
in ihren Ländern nie in den Medien gebracht wird. Zur EU noch: Als 2017 sogar
die OAS-Beobachtungsmission in Honduras den dortigen offensichtlichen und groben
Wahlbetrug nicht einfach schlucken mochte, bis ihr von Washington klar gemacht
wurde, dass der Betrüger der Auserwählte sei, mochte die EU-Mission so gut wie
nichts beanstanden. In ihrem Schlussbericht wusch sie den Wahlbetrug umstandslos
weiss. Die Mission war geleitet von einer Parlamentarierin des portugiesischen
Linksblocks, die an Servilität damals selbst Almagro übertraf.
[2] (Anm. zas) Die
Schnellauszählung TREP vom Wahlsonntag diente einzig einer unverbindlichen
Trendermittlung, die danach begonnene offizielle Auszählung auf der Basis der
physischen Wahlakten im Beisein von ParteienverteterInnen und BeobachterInnen
war als rechtlich als einzige ausschlaggebend.
[4] http://spanish.xinhuanet.com/2019-10/10/c_138459407.htm
[5] (Anm. zas) Vizepräsident des Wahlgerichts, Vertreter der Opposition.
[6] (anm. zas) S. Fn. 1
[7] (anm. zas) Der Beginn enthält die wichtigsten Ergebnisse und das
Resüme. Mehr lesen nur wenige Leute.
[8] Sowohl CELAG wie die
beiden bisherigen CEPR-Berichte betonen, dass die Probe nicht nach Zufallsprinzip
erstellt wurde, sondern ausgesucht nur jene Akten betraf, in denen Morales über
70 % der Stimmen erhielt. Die beanstandeten Akten wurden nicht mit nicht beanstandeten
Akten aus dem gleichen Wahlzentrum oder Dorf verglichen, bei denen Morales
teilweise noch höhere Stimmenanteile als in den beanstandeten erzielte. Das
wäre aber zwingend gewesen. Akten aus den Hochburgen der Rechten befand die OAS
ohnehin nicht für überprüfungswürdig, auch wenn sie gleiche oder noch höhere
Stimmenanteile für Mesa als die «analysierten» für Morales enthielten. Die
vereidigten Wahltisch-FunktionärInnen haben alle die Akten selber firmiert. Eigene
Wahlbeobachtungserfahrungen machen deutlich, dass gerade, aber nicht nur, im
ländlichen Bereich viele Menschen mit dem Ausfüllen von Formularen überfordert
sind. Ob das Wahlgesetz überhaupt, wie die OAS sagt, das Ausfüllen (nicht das Firmieren)
mehrerer Akten durch die gleiche Person verbietet, wird kontrovers beantwortet.
So oder so ist das in den Verhältnissen des Altiplanos mitnichten ein hartes Indiz
für ein Betrugsmanöver. Das wissen sie auch in der OAS.