(zas, 16.5.20) Letzte Woche hat das Regime die Ausgangsperre
noch verschärft. Der zentrale Engrosmarkt, La Tiendona, von San Salvador hat wegen
Ausbleiben der Kundschaft geschlossen. Der grosse Einzelhandelsmarkt im Zentrum
ist praktisch geschlossen, da das Stadtzentrum nur nach Militärkontrolle betreten
werden kann – eventuell. Die kleinen Läden, die sich normalerweise in der
Tiendona eindecken, sind von Bukele wieder geschlossen worden. Bleiben die
Supermärkte, viel zu teuer für die Armutsbevölkerung. Der sog. informelle
Sektor (insbesondere Strassenverkauf) ist real die Hauptökonomie für einen Grossteil
der Bevölkerung. Sie liegt weitgehend brach.
Präsident Nayib Bukele hat die für drei Monate zugesagten $
300 für mittellose Haushalte nach einem Monat wegen mangelnder Finanzen gestrichen
und behauptet dafür, alle 14 Tage Essenspakete im Wert von $ 50 mithilfe der BürgermeisterInnen
an 1.7 Mio. Haushalte zu verteilen. Wie
schon die $ 300 gelangen jetzt die Nahrungsmittelpakete zu einem Teil der Leute,
der Rest «versickert». (Zur systematischen Bereicherung des Bukele-Lagers ein
anderes Mal mehr Infos.)
Es kommt trotz Repression zu Protesten. Einerseits seitens
der Mittelschichten aufwärts, die in den letzten Nächten jeweils um 20 h
Hubproteste gegen Bukele veranstalten. Andererseits sind in diesen Tagen jetzt
auch in El Salvador in Unterklassenzonen vielerorts weisse Tücher zu sehen, als
Zeichen, dass hier gehungert wird. Ein Compa aus einer Armutsgegend im
Grossraum der Hauptstadt berichtete mir heute, dass Lärmproteste dies bei ihnen
nicht möglich sei – die Maras würden das ersticken. Die Nahrungspakete kämen
nicht an, und die, die verteilt würden, enthielten wenig Artikel im Wert von $ 5
– 10, wen du es im Laden erstehst. Meistens würden die BürgermeisterInnen eh
noch einen Teil zum Weiterverkauf abzwacken und den Rest auch noch von den
Maras verteilen lassen. Bukele & Co. und die BürgermeisterInnen bereicherten
sich an der Sache, die Maras hätten die Kontrolle im Territorium.
Heute nun hatte der rechte Bürgermeister von Tonacatepque, einer
dicht besiedelten Ortschaft nahe der Hauptstadt, die Verteilung solcher Pakete
in einem teil seiner Gemeinde angekündigt. Es kamen Hunderte zum angegebenen
Orten und reihten sich in eine lange Warteschlange ein. Doch dann sahen sie,
dass der Alcalde kaum 40 Rationen dabei hatte, und ein Wettlauf begann, um die benötigte
Ware zu ergattern. Der Hunger in ihren Familien trieb sie zu Ellenbogenverhalten
an. Niemand scheint mehr als ein Paket genommen zu haben. Aus sozialer
Selbstverständlichkeit? Weil es sonst Prügel abgesetzt hätte? Eines ist sicher:
Dieser Bürgermeister hat an Popularität eingebüsst. Bukele wird weiter auf
Twitter seine Caritas besingen. Der krasse Widerspruch zur erlebten Realität
wird hoffentlich einige Augen öffnen.