El Salvador: Hunger

Sonntag, 17. Mai 2020


(zas, 16.5.20) Letzte Woche hat das Regime die Ausgangsperre noch verschärft. Der zentrale Engrosmarkt, La Tiendona, von San Salvador hat wegen Ausbleiben der Kundschaft geschlossen. Der grosse Einzelhandelsmarkt im Zentrum ist praktisch geschlossen, da das Stadtzentrum nur nach Militärkontrolle betreten werden kann – eventuell. Die kleinen Läden, die sich normalerweise in der Tiendona eindecken, sind von Bukele wieder geschlossen worden. Bleiben die Supermärkte, viel zu teuer für die Armutsbevölkerung. Der sog. informelle Sektor (insbesondere Strassenverkauf) ist real die Hauptökonomie für einen Grossteil der Bevölkerung. Sie liegt weitgehend brach.
Präsident Nayib Bukele hat die für drei Monate zugesagten $ 300 für mittellose Haushalte nach einem Monat wegen mangelnder Finanzen gestrichen und behauptet dafür, alle 14 Tage Essenspakete im Wert von $ 50 mithilfe der BürgermeisterInnen an 1.7 Mio. Haushalte zu verteilen.  Wie schon die $ 300 gelangen jetzt die Nahrungsmittelpakete zu einem Teil der Leute, der Rest «versickert». (Zur systematischen Bereicherung des Bukele-Lagers ein anderes Mal mehr Infos.)
Es kommt trotz Repression zu Protesten. Einerseits seitens der Mittelschichten aufwärts, die in den letzten Nächten jeweils um 20 h Hubproteste gegen Bukele veranstalten. Andererseits sind in diesen Tagen jetzt auch in El Salvador in Unterklassenzonen vielerorts weisse Tücher zu sehen, als Zeichen, dass hier gehungert wird. Ein Compa aus einer Armutsgegend im Grossraum der Hauptstadt berichtete mir heute, dass Lärmproteste dies bei ihnen nicht möglich sei – die Maras würden das ersticken. Die Nahrungspakete kämen nicht an, und die, die verteilt würden, enthielten wenig Artikel im Wert von $ 5 – 10, wen du es im Laden erstehst. Meistens würden die BürgermeisterInnen eh noch einen Teil zum Weiterverkauf abzwacken und den Rest auch noch von den Maras verteilen lassen. Bukele & Co. und die BürgermeisterInnen bereicherten sich an der Sache, die Maras hätten die Kontrolle im Territorium.
Heute nun hatte der rechte Bürgermeister von Tonacatepque, einer dicht besiedelten Ortschaft nahe der Hauptstadt, die Verteilung solcher Pakete in einem teil seiner Gemeinde angekündigt. Es kamen Hunderte zum angegebenen Orten und reihten sich in eine lange Warteschlange ein. Doch dann sahen sie, dass der Alcalde kaum 40 Rationen dabei hatte, und ein Wettlauf begann, um die benötigte Ware zu ergattern. Der Hunger in ihren Familien trieb sie zu Ellenbogenverhalten an. Niemand scheint mehr als ein Paket genommen zu haben. Aus sozialer Selbstverständlichkeit? Weil es sonst Prügel abgesetzt hätte? Eines ist sicher: Dieser Bürgermeister hat an Popularität eingebüsst. Bukele wird weiter auf Twitter seine Caritas besingen. Der krasse Widerspruch zur erlebten Realität wird hoffentlich einige Augen öffnen.