(zas, 1.6.20) Die Hinweise im folgenden Interview auf die
Zusammenhänge zwischen illegalen, vom Staat regulierten Apparaten, Sekten,
Klientelismus und politischer Ausnutzung existentieller Notlagen dürften über
Brasilien hinaus von Belang sein.
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«In Rio de Janeiro
ist die Miliz kein Parallelapparat. Sie ist der Staat.»
Das jesuitische Instituto
Humanitas Unisinos veröffentlichte am letzten 22. Mai ein Telefoninterview mit José
Cláudio Alves. Der Soziologe skizziert
darin, wie sich in der Pandemie das «illegale Gesicht des Staates» in den Armutsgebieten,
also der Drogenhandel und die Milizen, stärkt und zusammen mit den Sekten dem
Regime die Tore für eine weitere Verschlimmerung in Zukunft öffnet. Über
klientelistische Mechanismen sind viele Mitglieder gerade der ärmsten Bevölkerungsschichten
darin eingebunden.
João Vitor Santos und
Patricia Fachín befragen José Claudio Alves*
Frage: Wie operieren
die Milizen und der Drogenhandel in Rio de Janeiro in dieser Zeit der Pandemie?
JCA: Zu Beginn
zirkulierte die Information, dass sowohl die Miliz wie der Drogenhandel sich
für Social Distancing einsetzten, um die Verbreitung der Pandemie in den
Peripherien zu verhindern. Dieses Verhalten, wenn es denn wirklich so gewesen
war, wurde durch Erzählungen ersetzt, wonach der Drogenhandel das Social
Distancing durchsetzt, manchmal auch auf gewalttätige Weise, mit dem Diskurs,
dass Personen, die sich nicht daranhielten, bestraft würden. Und Kurzvideos dokumentieren
das Verhalten des Drogenhandels in dieser Periode, mit Dealern in der Gemeinschaft,
die Alkoholgel und Masken verteilen und so auf eine gewisse Weise versuchen, zu
kollaborieren.
Die Berichte zum Verhalten der Milizen heute beginnen sich
zu ändern. In der Baixada Fluminense[1]
zirkulieren Schilderungen – die teilweise von der lokalen NGOs Iniciativa
Direito e Memória à Justiça Racial weitergegeben werden – dass die Milizen die
Wiedereröffnung der Geschäfte erzwingen, um an Schutzgeldern zu profitieren.
Dasselbe hört man aus der Westzone von Rio. Für die Stadt Duque de Caixas[2]
im Grossraum von Rio de Janeiro sehe ich die gravierendste Folge dieser
Pandemie. Hier gibt es auf 100'000 EinwohnerInnen mehr Tote als in Rio de
Janeiro. Duque de Caixas hat eine lange Geschichte mit Todesschwadronen, die
ihrerseits am Anfang der heutigen Milizen standen. Diese politische Beziehung
der Stadt mit den Milizen ist historisch, entstanden in den 1980-er und 1990-er
Jahren. Der aktuelle Präfekt stammt aus einer Familie, die schon früher
Beziehungen mit dieser Machtstruktur hatte. Heute verbündet er sich viel
stärker mit der Gruppe, die im Verkauf von Ländereien der Union aktiv ist. Soviel
zur Beziehung zwischen der Stadt und diesen Milizionären, die heute
Ratsmitglieder und angesehene Persönlichkeiten sind. Deswegen ist das Verhalten
des Bürgermeisters Washington Reis stark mit dieser Machtstruktur verknüpft.
Die Bundesstaatsanwaltschaft hat versucht, die Geschäfte mit den Landverkäufen
in diesen Zonen zu bremsen, doch die lokale Regierung hat im Gegenteil alles
gemacht, um das Geschäft am Laufen zu halten. Tatsache ist, die Geschäfte waren
in Caixas stets offen, weil die schmutzigen Interessen weiter existieren.
Duque de Caixas. Bild: Diario do Rio. |
Bestattungsmonopol
In der Stadt Caxias gibt es nur ein Bestattungsunternehmen. Es
hat das Monopol auf Beerdigungen. Und mit den vielen am Coronavirus Gestorbenen
verlangt dieses Unternehmen jetzt für die Bevölkerung sehr hohe Preise,
ungefähr 2'500 Reais (ca. $ 600), für eine Beerdigung mit einem einfachen
Sarg. Das ist verrückt. Heute liegt
dieses Unternehmen im Streit mit der Gemeinderegierung. Es sagt, der von der
Kommune bezahlte Betrag für eine einfache Beerdigung entspreche nicht der
Realität. Das Bestattungsunternehmen will keine Beerdigungen machen, die
Gemeinde sagt, die Kosten seien zu hoch. Es geht um einen internen Machtpoker.
Das Bestattungsunternehmen hatte schon immer ein Monopol und grosse Macht.
Die Milizionäre kontrollieren von ihrer Position in der
Gemeindeverwaltung aus auch den Zugang zu medizinischen Untersuchungen und
Behandlungen in den öffentlichen Spitälern. Selbst das gliedstaatliche Spital unterliegt
dem Einfluss dieser Machtstruktur. Zudem hat das ganze Netz der Pfingstkirchen,
das die Wahl des Bürgermeisters unterstützt hatte, mit diesem zusammen mehrere
Videos gemacht mit der Botschaft, die Kirchen blieben geöffnet. Einige –
darunter der Bürgermeister selbst – sagten sogar, dass die Gebete in der Kirche
die Coronavirus-Erkrankung heilen würden. Aber als der Bürgermeister an
Covid-19 erkrankte, ging er zur Kur für 13 Tage ins teuerste Privatspital von
Rio de Janeiro. Er ging nicht in das öffentliche Spital Saracuruna, wo die
Leute massenhaft sterben, weil sie keinen Zugang zu Beatmungsgeräten und den
Intensivpflegestationen haben und wo es eine Warteschlange gibt für ein
Bett.
So also sieht das Bild in der Pandemie aus: Die Geschäfte
sind geöffnet, weil die Milizionäre ein Interesse an dem von der Regierung und
dem Bürgermeister angestrebten Funktionieren der Wirtschaft haben. Aber diese
lokale Wirtschaft liegt spezifisch im Interesse der Milizen, die die Gegend
kontrollieren. Wenn die Leute sterben, interessiert sie das wenig.
Was bedeutet das also? Der Dealer versucht, die Comunidade
zu schützen, denn er selber ist auch in dieser Gegend eingesperrt,
stigmatisiert, segreriert. Er lebt vom Deal hier, wo seine Familie, seine
Freunde und seine Connections leben, und versucht, seine Gemeinschaft mit
Social Distancing vor dem Virus zu schützen. Nicht so die Miliz. Sie benutzt
die urbanen Räume und schlägt Profit aus ihren Dienstleistungen, Geschäften und
Besitztümern. Die Milizionäre leben nicht in dieser Gegend und werden sie krank,
gehen sie in die besten Spitäler von Rio de Janeiro, da sie viel Geld haben.
Das ist der Unterschied zwischen Deal und Miliz: Der Drogenhandel ist
eingesperrt, gehört zu einer anderen sozialen Klasse, ist verletzbar und arm in
diesem gebrochenen Land. Die Miliz gehört in eine andere gesellschaftliche
Klasse; sie hat politische Beziehungen und kann von diesen profitieren. Natürlich
werden sich die Milizionäre als Retter präsentieren, die die Gangster töten,
aber sie sind die eigentlichen Gangster. Aber in dieser Pandemie kann zum Held
werden, wer ein besseres Spital garantieren, wer die Wartschlange im
staatlichen Spital durchbrechen, wer für die Armutsbevölkerung ein
Beatmungsgerät beschaffen kann. So wird Klientelismus alimentiert, denn wir
sind in einem Wahljahr.
Die Pandemie
begünstigt die Milizen
Kann die Pandemie die
Beziehungen des Staates mit parallelen Mächten wie dem Handel und der Miliz
verändern?
Ich arbeite nicht mit dem Begriff einer Parallelmacht.
Sowohl die Miliz wie der Drogenhandel haben direkte Beziehungen mit der
Staatsmacht. Den Deal regulieren Polizeiaktionen, Bestechungen und
Waffenhandel. Er beinhaltet die Präsenz der Polizei. Sie ist es, die das
«Arrangement» erhält, die die Fraktionen in den Territorien reguliert, die in
die Streitigkeiten eingreift. Der Polizei kommt definitiv die entscheidende
Staatsrolle im Drogenhandel zu. Heute prägen die Aktionen der Agenten der
öffentlichen Sicherheit den Drogenhandel in Brasilien. In der Miliz erfolgt die
Aktion direkt unter Verwaltung und Leitung des Agenten der öffentlichen
Sicherheit. In beiden Fällen gibt es also keine Parallelmacht.
In der Pandemie hat die Zahl der Zusammenstösse zwischen
Drogenhandel und Polizei abgenommen, ist aber nicht verschwunden. Die Milizen
haben wie gewohnt kaum grössere Schwierigkeiten zu handeln. Weil der
Drogenhandel auf die Favelas und peripheren Gebiete eingeschränkt ist, ist er
segregiert und wird mittels einer Politik von Massenerschiessungen, Gefechten
und vielen Toten kontrolliert. In diesem Sinn ist der Drogendeal eingeschränkter
und versucht, sich in diesen Zonen zu schützen, weil er nicht sonst wohin gehen
kann. Wenn sich der Deal vor dem Covid-19 schützt, schützt er also auch die
Gemeinschaft. Die Miliz will andererseits das Geschäft wieder ankurbeln und
konzentriert sich auf die Wiedereröffnung des Handels, die Nicht-Distanzierung
von der Gesellschaft, auf die schnelle Wiedereröffnung ihrer Unternehmen, auf
die Besteuerung der Läden, die dafür geöffnet sein müssen. Und schliesslich ist
für die Miliz die Wiederankurbelung der Wirtschaft das Beste; sie leidet unter keiner
Kontrolle oder Bekämpfung durch den Staat, denn die Milizionäre sind die
Agenten der öffentlichen Sicherheit. Dieses Szenario ist geblieben und hat sich
verstärkt.
Das Coronavirus favorisiert die Strukturen der Milizen mit
ihrer ansehnlichen Geldakkumulation, ein wegen der Wahlen wichtiges Element.
Die Dealer sind keine Kandidaten, auch wenn sie ihnen nahestehende Personen
unterstützen können. Aber die Milizionäre sind Kandidaten, weshalb sie für die
Ladenöffnungen und Wirtschaftsankurbelung sind. Denn sie müssen ihre
Perspektiven auf Wahlsiege beachten, um ihre Macht zu stärken.
Zurzeit bringt das Coronavirus der ärmsten Bevölkerung
Leiden und weniger Einnahmen. Sie hat keine Arbeit oder hat sie verloren und
ist auf Nothilfe angewiesen. Viele Leute haben nicht einmal dazu Zugang, aber
auch die mit Zugang haben Mühe, zu überleben. Das fördert den Klientelismus und
die Miliz, die in diesem Moment den Gemeinschaften etwas zuhalten will, um dann
Stimmen zu gewinnen. Der alte Klientelismus stärkt sich in dieser Krisenlage.
Welche peripheren
Gebiete von Rio de Janeiro sind im Moment hauptbetroffen?
Die Pandemie wütet vor allem in den Gebieten, wo das
illegale Gesicht des Staats am meisten zu töten pflegt. Wir sagen, dass es das
Gesicht von dem ist, was Achille Mbembe Nekropolitik nennt, also die Kapazität
des Staates zu entscheiden, wer lebt und wer stirbt. Covid-19 hat die ärmsten
Zonen am härtesten getroffen, ohne Sozialleistungen, ohne Mindesteinkommen zum Überleben
und adäquate Gesundheitsversorgung und ohne die Ressourcen Wasser, Hygiene und
Nahrungsmittel. Infolgedessen haben sie keine gestärkte Immunabwehr, um für die
Pandemie gewappnet zu sein. In diesen Zonen operiert der Staat normalerweise
mit Gemetzel, und jetzt gibt es eine Überlagerung: Wo die Leute wegen
Konfrontationen mit dem Polizeiapparat, der Miliz oder den Drogenfraktionen sterben,
gibt es heute auch die meisten Pandemietoten. Es gibt also ein Fortsetzung der
Nekropolitik in einer weiteren Dimension, die letztlich ein Gesicht der
gleichen Münze ist.
Wie schätzen Sie die
vom Staat ergriffenen Massnahmen ein, um der Pandemie in den Favelas und den Peripherien
von Rio zu begegnen?
Sie sind absolut unangemessen, ohne Kapazität, der
Bevölkerung zu helfen, und voller widersprüchlicher Diskurse und Praktiken. Auf
Bundesebene etwa gibt es einen verantwortungslosen, mörderischen und negativen
Diskurs. Laut Bolsonaro gibt es keine Pandemie, nur eine «kleine Grippe», und
der Tod von Kranken und Alten ist natürlich. Dieser Diskurs gefällt manchen
Unternehmern der kapitalistischen Welt, denn er impliziert, dass die Leute
sterben und die Wirtschaft weiter funktioniert. Der Präsident pflegt diesen
Diskurs und gibt vor, damit die Armutsbevölkerung zu schützen, die arbeiten müsse,
um das Land voranbringen und ihre Familien ernähren. Er negiert schlicht jeden
Plan zum Schutz dieser Bevölkerung – die Verabschiedung der Nothilfe erregte
seinen Widerwillen, und die Leute haben Schwierigkeiten, sie zu erhalten. Zudem
zwingt das Verteilsystem der Hilfe die Leute, bei den Banken Schlange zu
stehen, was das Ansteckungsrisiko noch weiter erhöht. Die Lage ist sehr hart.
Zu sagen «na und?», wenn Tausende gestorben sind, ist schlicht masslos und
verhöhnt die Bevölkerung, die sterben wird.
Am schwierigsten ist, dass die Leute im Präsidenten jemanden
sehen, der ihnen helfen wird. Diese Bevölkerung, ohne Zugang zu schützender
Information, glaubt an diese Führung. Der Präsident wurde als Führer gewählt
und treibt alle, die ihm folgen, in den Abgrund. Die Leute, die zum Abgrund
gehen, glauben, sie werden gerettet, aber sie werden zu sterbenden Opfern gemacht.
Es ist eine sehr demütigende und degradierende Haltung eines Präsidenten, den
es nicht treffen wird, und der keine Rechenschaft ablegen wird.
Wahlen, Widersprüche
und Klientelismus
Wie kann die Pandemie
die Gemeindewahlen beeinflussen und wie hat sie den Kongress beeinflusst?
Wir sind im Jahr der Gemeindewahlen und der ganze Kongress
bewegt sich in Funktion der Bedienung seiner Wahlbasen in den Gemeinden. Die
Wahlen 2020 entscheiden über den Verbleib der Abgeordneten in den beiden
Kammern 2022. Deshalb haben weder der Senat noch die Abgeordnetenkammer ein
Interesse an dem gegen den Präsidenten eröffneten Impeachmentverfahren. Ihr
Interesse gilt der Verteilung der Staatsgelder zum Schutz ihrer Wahlbasis vor
der Pandemie. Sie wollen bei den Leuten als Wohltäter dastehen, um Stimmen für ihre
Verbündeten auf lokaler Ebene zu holen. In diesem Moment ein
Impeachmentverfahren zu betreiben, wäre das Ende des bekannten Klientelismus
und des bekannten «Nimm und gib»-Feilschens. Beide hängen von parlamentarischen
Motionen und der Zuteilung der Ressourcen an das öffentliche Gesundheitswesen
ab. Das wird das Verhalten des Parlaments gegenüber der Bundesregierung und
deren Gesundheitspolitik bestimmen, soweit die Regierung eine solche trotz
aller Widersprüche im bolsonaristischen Diskurs noch umsetzt.
Die Widersprüche der Bundesregierung bringt alle
Gliedstaaten in Widersprüche. Die Gouverneure, die etwas machen wollen, werden
von Bolsonaro, der Normen gegen das Social Distancing fördert, disqualifiziert
und müssen auf die Justiz rekurrieren, um sich vor den Massnahmen der
Bundesregierung zu schützen. Die verbündeten Gouverneure spielen das Spiel des
Präsidenten mit, weil in ihren Staaten die Lage nicht so ernst ist, während es
in den schwer betroffenen Staaten ums Überleben geht.
Auf Gemeindeebene ist die Situation noch widersprüchlicher.
In der Baixada Fluminense verstärkt sich die Pandemie, und mit der
Bundesregierung liierte Lokaladministrationen leugnen die Situation und sagen,
die evangelischen Kirchen werden die Leute mit dem Glauben heilen. Solche
Diskurse verbreiten sich in den ärmsten Bevölkerungen und in den Randregionen
des Grossraums von Rio de Janeiro. Sie haben Tod und Leiden verursacht.
Post-Pandemie wird
schlimmer sein
Ist es möglich, ein
postpandemisches Szenario für die Favelas und Peripherien von Rio zu entwerfen?
So etwas für die Baixada Fluminense zu skizzieren, erfordert
Vorstellungskraft. Was ich bisher gesagt habe, deutet auf eine Stärkung des
Leidens der Leute und der Strukturen des illegalen Gesichts des Staates, sowohl
jener des Drogenhandels wie der Milizen, und ebenso der Struktur der
politischen Macht, die auf der Basis der organisierten Kriminalität gewählt
wird. Diese Struktur tendiert zur Stärkung, da sie die klientelistischen
Ressourcen hat, um jene zu begünstigen, die in diesen Räumen mit ihr verbündet
sind. Natürlich gibt es Widerstand, und nicht alles ist verloren. Noch haben
wir die Gruppen der sozialen Bewegungen, die Basisorganisationen in den
Comunidades und Räume der kritischen Diskussion und der Solidarität, die in
diesen Zonen funktionieren. Ohne sie wäre die Lage noch weit schlimmer.
Diese Institutionen setzen ihre Kapazitäten zur
Unterstützung der Bevölkerung ein. Aber ich stelle fest, dass die Struktur der
organisierten Kriminalität besser für die Unterstützung und den Schutz dieser
Bevölkerung gerüstet ist; in Funktion ihrer Ressourcen, ihrer militarisierten
Kontrolle, ihrer Gewaltausübung, in
Funktion der politischen Unterstützung, die sie von denen bekommt, die heute
auf der Ebene des Bundes und der Gliedstaaten an der Macht sind. Diese Gruppen
haben die Mittel, um sich zu stärken.
Die Post-Pandemie wird in diesen Zonen sehr hart sein. Wie
wird hier die Wirklichkeit des Gesundheitssystems aussehen? Besser? Nichts
deutet darauf hin, denn die Ressourcen werden inadäquat verteilt. Dass das
öffentliche Gesundheitssystem zum Helden der Nation wurde, war einzig der Gefahr
zu verdanken, da kein anderes System instand war, mit dem Leiden und der Pandemie
umzugehen. Es gibt keine Garantie, dass das öffentliche Gesundheitssystem in
der Post-Pandemie mehr Voraussetzungen bekommt, um in den Peripherien und
Armutszonen eine bessere Betreuung zu ermöglichen.
Auch das Erziehungswesen wird ziemlich in Mitleidenschaft
kommen, dabei war die Diskussion über Home Schooling nicht einmal von
Bedeutung. Sie reden darüber, wie das Lernen auf Distanz in verschiedenen
Gemeinden umgesetzt werden soll, aber die Kinder, die so arbeiten, haben enormen
Stress zuhause, und es wird in diesem Zusammenarbeit keine qualitative Arbeit
geleistet. Für das Lernen auf Distanz gibt es keine Plattform, keinen
Internetzugang. Die Leute haben keine Mittel für einen qualifizierten Zugang,
alles ist sehr prekär. Umgesetzt wird eine prekäre Erziehung, um sagen zu
können, man tue etwas, und inmitten von all dem gibt es die Abschlussprüfungen
der Mittelstufe. Wer kann daran teilnehmen bei einem Unterricht auf Distanz von
niedriger Qualität und unter prekären Bedingungen? Privilegiert wird, wer mehr
Ressourcen, mehr Zugang und die nötigen Bedingungen hat. Die Ärmsten und
BewohnerInnen der Peripherien werden wie immer benachteiligt sein.
Die Post-Pandemie wird viel schlimmer als die Prä-Pandemie
sein. Denn sie wird die soziale Kluft vertiefen und die existierenden
öffentlichen politischen Gegengewichte noch weiter zerstören. Die Zukunft
verlangt einen radikalen Wechsel in der Zuteilung der Ressourcen, um per Gesetz
Erziehungs- und Gesundheitsprojekte in diesen Comunidades zu entwickeln. Aber
davon sehen wir auf Bundesebene nichts. Wir sehen, wie die Ressourcen den Gläubigern
zugewiesen werden, bei denen der Staat verschuldet ist. Unternehmer, Bankiers
und Agroindustrie erhalten die Staatsmittel. Sie profitieren weiter, und die
Regierung will das so, da sie ihre Wahlkampagne finanzieren.
·
ihu.unisinos.br, 22. 5. 20: Não
há poder paralelo. ‘Tanto a
milícia quanto o tráfico têm relações diretas com o poder do Estado’ (spanische Version “En Río de Janeiro la milicia no es un
poder paralelo. Es el Estado”). Alves ist Dozent an mehreren
brasilianischen Universitäten.
José Alves. Bild: IHU. |