«Solidarität»
Titelseite NZZ vom 13.6.20: Die Jüngeren haben aus Solidarität mit den von
Corona bedrohten Alten
«weitgehend klaglos erhebliche Einschränkungen in Kauf genommen», doch, wie der Titel sagt – Solidarität ist keine Einbahnstrasse – «ist jetzt die Zeit, der Jugend gegenüber mehr Verantwortungsgefühl zu zeigen». Mit AHV-Konterreform, länger arbeiten etc.
«Arbeitsethos»
Eine Woche später, Wochenendbeilage des gleichen Blatts: «Wie Italien dem Virus erlag» (4 Seiten). Bergamo. Nein, man kann nicht sagen, die vielen Chinesen und Chinareisenden in der Region seien an der Ausbreitung des Virus schuld. Auch andere Hinweise sind zwischendurch mitteilenswert, wie etwa die Angaben einer Frau zur psychischen Folge des Horrors. Selbstredend lesen wir vom Match Atalanta Bergamo gegen Valencia Anfang März, mit 40'000 Fans aus dem Bergamasca im Stadion. Doch weiss der konsultierte Unternehmer und Atalanta-Fan Lazzarini: Wäre der Match vor leeren Tribünen gelaufen, wäre man sich halt auf den Strassen von Bergamo jubelnd in die Arme gefallen. Er fant nicht nur für den FC, sondern auch für die Arbeit, ging jeden Tag in seine eigentlich geschlossene Fabrik. «Es gibt viele Leute in Bergamo, die sagen, es sei genau dieses Arbeitsethos, das nun der Stadt zum Verhängnis geworden sei», berichtet die NZZ weiter. Arbeitsethos? Haben nicht in ganz Industrie-Italien Basisgewerkschaften für ein Shutdown der Ansteckungszentren namens Fabriken gekämpft, am Schluss auch die CGIL? Die AutorInnen bemühen sich um Ehrlichkeit: «Viele Bergamasken glauben, der Wirtschaftsverband Confindustria habe die Politiker gedrängt, die Region offen zu halten (…) Der Verband dementiert. Trotzdem fragt man sich in der Stadt und in den Tälern hinter Bergamo: Wie viele Tote hat dieses Zögern gekostet?» Wenn die Frage doch gestellt wird, warum dann «Arbeitsethos» (wessen Ethos?) und «in Bergamo glauben welche»? Vgl. zum Thema Bergamo: Das Massaker der Unternehmer.
Ein Teil von jener Kraft, die stets (…) das Gute schafft
Gestern im Wirtschaftsbund des gleichen Eliteblatts: «»Der unmenschliche Handel». Man hat die Kunde vernommen, dass Schweizer KapitalistInnen und staatliche Institutionen am Handel mit SklavInnen beteiligt waren. Da gab es wirtschaftliche Motive: «In der Zeit vor der Industrialisierung waren die Möglichkeiten, Geld anzulegen, beschränkt. Der Handel bot einen Ausweg.» Das wird ausführlich erläutert. Aber, lernen wir, es gibt welche, die sagen, der SklavInnenhandel sei Voraussetzung für die industrielle Revolution in Europa gewesen. Aber andere, drei Ökonomen nämlich, «argumentieren dagegen in einer vielbeachteten Studie, dass das Volumen und die Gewinne, die im transatlantischen Handel erzielt wurden, zu gering gewesen seien, als dass sie eine grosse direkte Rolle für das Wirtschaftswachstum Europas hätten spielen können. Sie betonen vielmehr, dass dadurch ein fundamentaler institutioneller Wandel angestossen worden sei.» Durch «die Gewinne aus diesen Hochrisiko-Geschäften (…) stieg besonders in Ländern wie Grossbritannien oder den Niederlanden – man mag die Schweiz mit Abstrichen hinzufügen – der Einfluss der kommerziellen Interessen ausserhalb der höfischen oder etablierten Zirkel. Über diesen Kanal festigten sich vermehrt politische und rechtliche Institutionen, welche die königliche Macht einschränkten. Zur Tragik des Sklavenhandels gehört, dass dadurch in Westeuropa die Institutionen zwar verbessert wurden. Für Afrika stellten die Ökonomen Nathan Nunn und Leonard Wantchekon hingegen fest, dass der Sklavenhandel die Kultur des Misstrauens gefördert habe, was die wirtschaftliche Entwicklung hemmt.»
«Arbeitsethos», «Kultur des Misstrauens» als Code für Grausamkeit und Ausbeutung. Heute aber – aufgepasst, BLM! – bemüht sich Westeuropa um wirtschaftsfördernde Institutionen für Afrika. Hoffentlich funkt nicht wieder ein Misstrauen dazwischen.
Faschismus, weil Flüchtlinge
Heute im Nachrichtenmagazin «Rendez-Vous am Mittag» von Radio SRF die Meldung, dass die Behörden erneut eine Naziorganisation in Deutschland verbieten. Der Korrespondent erläutert, dass die Nazis in Deutschland eigentlich nicht stark seien, aber halt im Internet ihr Unwesen treiben. Aber warum, will die Sendungsmoderatorin wissen, haben sie dort so viele Follower? Aus vielen Gründen, so die Antwort, «aber ich denke, die Flüchtlingskrise hat den wachsenden Rechtsradikalismus befördert….». Ich stell das Radio ab.