Bolsonaro macht, was er kann

Montag, 18. Januar 2021

 

Eric Nepomuceno*

 Seit letztem Donnerstag zirkulieren in Brasilien Nachrichten von einer schrecklichen Tragödie: In den Spitälern von Manaus, Hauptstadt des Staates Amazonas, ersticken die Internierten an Sauerstoffmangel. Danach kamen Bilder, die die Verzweiflung nicht nur von Angehörigen der Sterbenden, sondern auch von Ärzten und Pflegepersonen widerspiegelten, die sich beim Versuch, den Erkrankten mit manuellen Mitteln zu einem kleinen Luftzug zu verhelfen, ablösten.

 

Quelle: Página/12.

Und erneut sind die Friedhöfe überfordert. Und nichts deutet auf ein baldiges Ende des Terrors hin.

Tage zuvor, der Kollaps war schon angekündigt, war General Eduardo Pazuello, der als Gesundheitsminister amtiert, in Manaus. Unter all den Dummheiten, die er absondert, sobald er das Maul auf macht, hat er auch gesagt, dass das, was ablaufe, eine Folge davon sei, dass die Spitäler nicht die «Verhütungsmethode» anwenden, also den Erkrankten Chloroquin, Entwurmungsmittel und sogar eine Flüssigkeit, die als Antiflohmittel entwickelt wurde, zu verabreichen.

Kein Wort zu Sauerstoff. Aber der lokale Bürgermeister, der Gouverneur des Staates und Pazuello selber warfen vor mehr als einer Woche gewarnt worden, dass die Sauerstoffflaschen für die medizinische Behandlung zu Ende gingen. Pazuello argumentierte, dass die Distanzen und die wenigen Zugänge zu Manaus die Versorgung erschwerten und klagte, die brasilianische Luftwaffe nur über vier für den Transport von mehr als 19 Tonnen geeignete Flugzeuge verfügte. Eines davon, genau das mit der grössten Transportkapazität, befindet sich seit wenigen Tagen in den USA, um dort an Militärmanövern teilzunehmen. Es wird im Februar zurückkehren.

Fachleute aus Medizin und Wissenschaft warnen seit Monaten, dass ohne rigorose Massnahmen der sozialen Abschottung das Risiko, dass die Zerstörung wachse, immens sei. Im November fanden Gemeindewahlen statt. Im Dezember begann die Todesrate beschleunigt zu steigen. Im Dezember wurde Neujahr gefeiert. Und jetzt ergreift die Tragödie das ganze Land. Im November und Dezember gab es Massenaufläufe ohne jegliche Kontrolle. Bolsonaro stimuliert diese.

Die Folgen vorhersehbar. Gouverneure vertragen sich nicht mit Bürgermeistern, koordinierte Aktionen sind nicht möglich, und die nationale Regierung oszilliert zwischen der Ankündigung absurder und nutzloser Massnahmen und einer krankhaften Lethargie.

Eine Stimme unter all jenen von Fachleuten, die versuchen, das Land vor dem extremen Risiko infolge der Passivität der Regierung zu warnen, ist jene von Miguel Nicolelis, Dozent an der Duke University in den USA und einer der weltweit anerkannten brasilianischen Neurologen. Vor einer Woche warnte er, «entweder verfügt Brasilien einen strengen Lockdown für zwei oder drei Wochen oder 2021 fehlt uns die Kapazität, unsere Toten zu begraben.» In der Regierung hörte niemand auf ihn. Manaus kann sich im Land wiederholen.

Gestern erklärte der rechtsradikale Bolsonaro zum Thema des Agierens seiner Regierung im kollabierten Manaus: «Wir taten, was wir konnten.»

Was er bisher konnte, war dazu beizutragen, dass die Erkrankten ersticken.

 

·        Página/12, 16.1.21: Bolsonaro hace lo que puede

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(zas) Vgl. Brief an die Freunde und Freundinnen im Ausland von Frei Betto vom 17. Juli 2020, in dem er das Vorgehen der Regierung Bolsonaro für die Verschärfung der Pandemie als bewussten Genozid analysiert. 

Monica Valente, Exekutivsekretärin des progressiven Foro de São Paulo, gestern auf Twitter an den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro: «Tausend Umarmungen und tausend Mal Dank für die 14'000 Sauerstoffflaschen, rund 136'000 Liter, für das brasilianische Volk. Als Brasilianerin und Exekutivsekretärin des Foro de São Paulo gratuliere ich Ihnen von Herzen.» Es geht um eine kleine Nothilfe Venezuelas an das benachbarte brasilianische Amazonas, wo bisher die Blockade Venezuelas auch mit Truppen Trumpf war.

Am 15. Januar hatte der venezolanische Aussenminister Jorge Arreaza die Aktion bekannt gegeben und meinte: «lateinamerikanische Solidarität zuerst». Der Gouverneur von Amazonas, Wilson Lima, tweetete zurück:  «Das Volk von Amazonas dankt.» Heute ist seinem Account zu entnehmen, dass sein Staat bald vom rechten, aber Bolsonaro-kritischen Gouverneur von São Paulo erste Impfdosen erhalten werde.