Die Einnahme von Caracas

Samstag, 6. Oktober 2012



 (zas) Letzte Woche schloss die Rechte ihre Wahlkampagne mit einer Grosskundgebung ab, an der überraschend viele Leute teilnahmen. Am Donnerstag kam es zu einer gigantischen Antwort der Chavistas, es zirkulieren Angaben von 3 Millionen Beteiligten und von der grössten je in Venezuela erfolgten Demonstration. Ein Bericht der Hiphop-Gruppe Nosotros con Chávez.
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"Während wir zusammen mit tausenden Anderen den Park Los Caobos durchquerten, gerieten wir in einen Hinterhalt des Fanclubs des Caracas Futbol Club, die ein Lied sangen mit diesem Schluss: „Wer nicht hüpft, ist ein MAJUNCHE“, wir konnten nicht zulassen, dass man uns so nannte und also begannen wir zu hüpfen, wir alle hüpften, auch die Statuen des Brunnens, die Bäume, und die Regentropfen, die für einen Moment fast zum Himmel zurückkehrten, der sie vertrieben hatte ."


Nosotros con Chávez. Quelle: http://nosotrosconchavez.blogspot.ch/



Nosotros con Chávez

 Wir wurden nach Caracas gerufen, um eine lange, erschöpfende, intensive Wahlkampagne abzuschliessen; aber Chávez hat um sieben Alleen gebeten, darum, dass wir zum Abschluss der Kampagne sieben Alleen füllten.
Wir, die wir in einem historischen politischen Prozess stehen, im Wissen, dass es um unser Leben geht, mobilisierten uns. Zehntausende von uns kamen auf den Strassen dieses Landes, die Mehrheit in Bussen, vielen Bussen, andere im eigenen Wagen oder auf dem Motorrad. Wir wollten niemanden stören, doch ohne es zu wollen, taten wir das, wir trieben Caracas in den Kollaps, sie, die schon aus eigener Dynamik chaotisch ist, war gestern übergelaufen, die Mobilisierung der Leute von Caracas selbst und unser Kommen waren der Auslöser für dieses Chaos, aber wir hatten eine Mission, wir mussten sieben Alleen füllen, und wir würden das auch tun, komme, was komme, wir würden Chávez nicht im Stich lassen, denn das würde heissen, uns selber im Stich zu lassen.
Wir müssen zugeben, so wie fast alle, die dabei waren, es gesagt haben, wir haben nie gedacht, dass wir ProtagonistInnen eines derart grandiosen Anlasses sein würden wie an diesem Donnerstag, dem 4. Oktober, wer nicht dabei war und vielleicht nur die Bilder am TV gesehen hat, erfasst vielleicht die Dimension dessen, was gestern in Caracas geschah, nicht, und könnte vielleicht denken, wenn dies die privaten Medien so beschliessen, dass gestern nichts passiert ist, aber doch, es ist passiert, es war grossartig und viele waren wir dort, um davon zu erzählen.
Die Sonne brannte erbarmungslos, es war die Ankündigung dessen, was kommen sollte, alle, die wir in den Tropen leben, wissen, wenn die Sonne so brennt wie gestern, kommt bestimmt ein riesiger Regenguss, und so war es denn auch, über uns ergoss sich eine Sintflut, die Alten sagen, es war der heilige Franziskus und sein Sturm zur Tag-und-Nachtgleiche*, ich als Atheist weiss davon nichts, aber ich weiss, alle, die wir dort waren, wissen es, es hat geregnet, immense Tropfen, der Himmel hat sich über diesem Meer von Menschen, die gestern da waren, geöffnet, ich erinnerte mich an Gino, wie er sagt: „Wir sind nur ein Tropfen, gemeinsam aber ein Wolkenbruch“, sogar das Klima verschwor sich mit uns.
Und dann kam der Mann und der Regen badete ihn, wir waren da, der Regen, wir und Chávez. Ich kann nicht bestreiten, es war emotional, die Leute lachten und weinten mit der gleichen Intensität, nicht nur der Regen geriet ausser Rand und Band, auch die Millionen von Gefühlen taten es.
Hugo Chávez an der Abschlusskundgebung. Bild: venezuelanalysis.com

Der Mann ging, wir, ziemlich weit weg von der Haupttribüne, konnten ihn auf den Bildschirmen sehen, er hatte schon geredet, aber Hunderte, die noch immer aus der Metrostation Bellas Artes stiegen, taten, als ob sie dies nicht wüssten, es kamen immer mehr Leute, der Regen fiel immer mehr.
Und etwas Haarsträubendes passierte, mit dem Regen kam der Donner, er explodierte hart, aber die Leute liessen sich vom Donnern nicht erschüttern, jedem Donnerschlag antworteten die Leute mit einem gemeinsamen Schrei, der den Himmel verstummen liess, dann donnerte es wieder und die Leute antworteten erneut und die Antwort war hart, ein tiefer Schrei, ich weiss nicht, ob vor Wut oder vor Freude, aber die Leute gaben zurück, als sagten sie dem berühmten Heiligen Franziskus: „Señor, regnen Sie, donnern Sie, oder schleudern Sie Blitze, aber wir gehen nicht, wir kamen und wir bleiben“.
Nach erfüllter Mission machten wir uns auf  den Rückweg, über den Park Los Caobos, die Metro war kollabiert, wir beschlossen, zur Station Ciudad Universitaria 3 km weiter auf der Avenida Bolívar zu gehen, wo wir dachten, die rote Flut würde schon abgenommen haben, später sahen wir, dass dem nicht so war, dieser TSUNAMI überzog Caracas oder zumindest seinen Westen … Während wir zusammen mit tausenden Anderen den Park Los Caobos durchquerten, gerieten wir in einen Hinterhalt des Fanclubs des Caracas Futbol Club, die ein Lied sangen mit diesem Schluss: „Wer nicht hüpft, ist ein MAJUNCHE“**, wir konnten nicht zulassen, dass man uns so nannte und also begannen wir zu hüpfen, wir alle hüpften, auch die Statuen des Brunnens, die Bäume, und die Regentropfen, die für einen Moment fast zum Himmel zurückkehrten, der sie vertrieben hatte, „Wer nicht hüpft, ist ein Majunche“, sangen sie wieder und wir sprangen noch schneller auf und ab.
Es gelang uns, dem Hinterhalt zu entkommen, wir umgingen den überschwemmten Park und gelangten zum alten Paseo Colón, voll mit Leuten und mit Bussen, die auf ihre Passagiere für die Rückfahrt warteten, denn, ja, es waren tausende von Bussen, wie ein Unbekannter an meiner Seite sagte: „Chávez hatte es nicht nötig, Caracas zu besuchen, Venezuela besuchte ihn und sie werden wohl nicht verlangen, dass wir das zu Fuss gemacht haben“.
Wir setzten unseren Weg fort und durchquerten einen Friedhof, der sich Universidad Central de Venezuela*** nennt und wie jeder Friedhof finster ist, ein unangenehmer Platz, in dem, wo du auch hinschaust, nur Schatten wohnen, und dessen Schicksal es ist, in der kommenden Gesellschaft zu verschwinden.
Schliesslich gelangten wir zur Metro Ciudad Universitaria, um herauszufinden, dass es die rote Flut nicht nur an der Oberfläche, sondern auch im Untergrund gab, wir bewegten uns auch durch die Venen der Stadt, die Metro stand vor dem Zusammenbruch. So gut es ging, stiegen wir in einen Wagen in Richtung Coche, wo uns unser Transport erwarten sollte, überall pure Chavistas, die dich mit ihren Äugen und den Augen von Chávez auf ihren T-Shirts anschauten, alle lachend, da und dort ein ernstes Geicht von Leuten, die von der Arbeit heimkehrten oder die am Sonntag für den Majunche stimmen würden, und die nicht verstanden, woher so viele Chavistas kamen.
Ein Betrunkener schrie vor sich hin, „wählt gut, wählt gut, wählt gut am Sonntag“, plötzlich schrie er für uns, „alle Majunches heben die Hand!“, natürlich machte dies in einem Zug so voller Roter niemand, und er schrie erneut, „alle Chavistas heben die Hand“, und es kam zu einem ohrenbetäubenden Stimmengewirr, der Betrunkene rief wieder für sich aus, „die Majunches sind grob, aber nicht dumm, keiner hat aufgestreckt“.
Dies war unsere Reise nach Caracas, jetzt, um 1 Uhr früh am Freitag, voller Emotionen, beschlossen wir, dies zu schreiben, damit wir es morgen, zwischen Muskelkater und Magenschemrzen, weil wir den ganzen Tag nichts gegessen haben, nicht vergessen. Es war gross, schön und GIGANTISCH, das Volk mobilisierte sich gestern für den grössten Kampagnenabschluss aller Zeiten in Venezuela, es ist eine wirkliche Ehre, die mit Stolz erfüllt, zu wissen, dass wir eine REVOLUTION erleben und diese Zeit bewohnen.
Bleibt uns nur zu sagen, am Sonntag werden wir gut wählen, wir werden es massenhaft machen wie gestern die Einnahme von Caracas und wir werden triumphieren, wir wissen es, aber darüber hinaus ist es unsere Verantwortung als BewohnerInnen dieser historischen Zeit, an diese andere mögliche Gesellschaft zu denken, in der es nicht nötig sein wird, über die Rettung der menschlichen Art zu reden, die heute vom Aussterben bedroht ist.

*  Der 4.10. ist in Venezuela der Tag des hl. Franz von Assisi, oft begleitet von            Regenstürmen.
** Ein von Chávez geprägter Begriff für die Oppositionellen: Versager, Loser, Pfeife.
*** reaktionäre, elitäre Uni