Black lives matter – auch in Venezuela

Dienstag, 29. Dezember 2015

(zas, 29.12.15)

In wenigen Tagen wird das neue Parlament mit einer rechten 2/3-Mehrheit zusammentreten. Noch scheint die Rechte zu diskutieren, wie frontal sie den Angriff weiterführen wird – eher gradualistisch oder auf Tabula rasa innert weniger Monate ausgerichtet. Bestimmt wird sie, wird Washington, alles daran setzen, die Chance beim Zopf zu packen und den Chavismus definitiv aus der Regierung zu drängen. Ramos Gallup, einer der Wortführer der „Sofort“-Fraktion, sieht höchstens sechs Monate für einen Regierungssturz. Vermutlich noch brutaler als in Argentinien wird die Rechte alles auf eine neoliberale „Erneuerung“ setzen. Die rund eine Million in diesem Jahr erbauten Sozialwohnungen etwa sollen den BewohnerInnen „übereignet“, also via Schuldenfalle oder steigende „Gebühren“ zum Zwangsverkauf preisgegeben werden.  Die Sozialmissionen privatisiert und „effizienter“ werden.  Was als Putschist im Gefängnis oder in Miami sitzt, soll als Held in die Freiheit der patria kehren.  Etc. pp. Welche verfassungsmässige Kompetenz eine 2/3-Mehrheit im Parlament hat, ist von hier aus nicht zu entschlüsseln. Nach Lesart der Rechten ist sie quasi unbeschränkt – bis hin zur Ausarbeitung einer per Referendum abzusegnenden Verfassungsreform, für welche eine „technische“ Interimsregierung eingesetzt würde. Doch dies ist sehr umstritten. Mehrere Verfassungsrechtler haben in der letzten Zeit angesichts solcher Aussagen die Hände verrührt. Was natürlich nichts daran ändern wird, dass das transnationale Medienkartell genau diese Interpretationen als einzig gültige handhaben wird.
Wie gesagt, die Rechte scheint, unter Anleitung der USA, ihr nächstes Vorgehen noch koordinieren zu müssen, um einen Bruch zu vermeiden (etwa, dass einige ihrer Abgeordneten ausscheren würden). Gemeinsam ist dem ganzen Washingtoner Rudel, dass es sich im klaren ist, dass dieser Wahlsieg natürlich kein Votum für einen neoliberalen Durchmarsch ist, sondern sich verschiedenen Faktoren  verdankt, die durchaus schnell ändern können.  M. a. W.: now is the time, morgen kann es zu spät sein. Schon die Regionalwahlen in einem Jahr könnten ein anderes Bild als das vom 6. Dezember ergeben.  Von daher wird auch ein „moderater Gradualismus“ , der die Leute nicht aufschrecken soll, nicht umhin können, jetzt massive Pflöcke der Reaktion einzuschlagen. 

Offen ist die Kapazität des chavistischen Lagers, den absehbaren Durchmarschversuch zu blockieren.  Institutionell, aber vorallem in der Gesellschaft. Was zurzeit nach aussen dringt, ist wenig schlüssig bzw. lässt ein ungutes Gefühl aufkommen. Hoffen wir, dass es nicht bei vollmundigen Ankündigungen und hehren Phrasen bleibt. Hoffen wir, das sich Stimmen wie die des aus der KP stammenden Abgeordneten Jesús Faria nicht durchsetzen, die den 6. Dezember als Signal für eine  „konzertierte“ bourgeoise Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik propagieren. Hoffen wir also, dass die verfluchte „Bolibourgeoisie“ im Chavismus sich nicht erfolgreich den globalen Eliten als Disziplinierungsinstrument andienen kann. 

Eines, das vom Schiff aus nicht zu beurteilen ist, ist der Chavismus „tief im Land“. Stichwort: die Macht der kommunalen Räte, der Kollektive in Betrieben, der feministischen oder  afrovenezolanischen Bewegungen, der sich gegen den paramilitärischen Terror der (teilweise) ehemaligen Grossgrundbesitzer organisierenden Bäuerinnen und Bauern. Sie waren es, die beim Putsch 2002 von den „Bergen“ in den Städten herunter strömten und die Lage änderten, zusammen mit loyalen Kräften in der Armee. Hoffen wir, sie strömen erneut. Und hoffen wir, sie werden nicht von den „Eigenen“ ausgebremst. Hoffen wir, sie sind nicht zu demoralisiert, sie haben Kohäsion, Koordination, Leitung.

Worum es geht in Venezuela, wie fundamental die aktuellen Auseinandersetzungen sind, macht ein Aufruf von Opal Tomenti, Ko-Direktorin der Black Lives Matter-Bewegung in den USA, deutlich. Sie, die AfroamerikanerInnen, die in Chicago, in Cleveland, in New York  von der Polizei weiter ermordet werden, deren Revolte die jahrzentlange Lüge von der erfolgreichen „Überwindung“  der rassistischen Gesellschaftsspaltung demaskierte und deren Leben damit noch bedrohter wird, sie ticken zu Venezuela, was „aufgeklärte“, weisse Linke der Metropolen längst mit „kritischem“ Besserwissen verdrängt haben.

Black people in North America understand that the triumphs of oppressed people anywhere in the world are triumphs for Black people everywhere. And so, we smile with the young girl in the Venezuelan countryside, as she leaves a Mission Barrio Adentro clinic, her asthma symptoms treated without cost by a Cuban doctor. Her health is our own. We stand with the single young mother, as she takes leadership of her community council with unwavering commitment to her barrio’s collective well-being, building their own urban gardens. Her voice is our own. We enter the house of a family who has benefited from Venezuela’s housing mission which has built nearly one million homes across the country. Their dignity is our own. We stand with the Venezuelan people as they build a revolutionary and popular democracy based on communal power. Their struggle is our own.



Quelle: Black Agenda Report