Deutschland/Argentinien: Kameradschaften erneuern

Freitag, 17. Juni 2016



(zas, 16.6.16) Wende in Lateinamerika, so der Titel eines Artikels von german-foreignpolicy-com, den amerika21.de gestern übernommen hat.  Darin wird dargestellt, wie die deutsche Regierung aktiv den rechten Wahlsieg in Argentinien und den kalten Putsch in Brasilien zwecks Förderung der eigenen Agenda (Freihandelsvertrag EU/Mercosur, Isolierung des bolivarischen Lagers, Konkurrierung Chinas) betreibt. Das „neue Momentum“ nutzen, nennt das der Berliner Aussenminister Steinmeier von der SPD. 
Diese Linie stellt eine Kontinuität deutscher Politik in Brasilien und Argentinien dar. Mit Nazifreund Juan Domingo Perón, der schon von 1946-55 das Land im Cono Sur regierte, liess sich die sog. Rattenlinie gut unterhalten. Tausende von Nazis und Ustascha-Faschisten wurden dabei unter Leitung der US-Dienste und mithilfe des Vatikans (und etwa des liechtensteinischen Fürstenhauses) nach Argentinien und anderen Ländern der Region geschleust. Der NS-Konzern Daimler-Benz konnte seine Exporte nach Argentinien und danach den Aufbau eines eigenen Werks im Land mit in der Schweiz gelagerten Nazigeldern finanzieren und so sein Imperium bedeutend ausbauen, wie Gaby Weber in ihrem Buch „Daimler-Benz und die Argentinien-Connection – Von Rattenlinien und Nazigeldern“ (Verlag Assoziation A, 2004) nachwies. S. dazu auch die Rezension von Gert Eisenbürger und dieses Interview mit Gaby Weber, das ursprünglich in der Jungen Welt erschienen ist.

Eine weitere, ebenfalls zuerst in der Jungen Welt publizierte Rezension (Deutschland, deine Leichen), bezieht sich auf das Buch »Daß du zwei Tage schweigst unter der Folter!«, von Willi Baer/Karl-Heinz Dellwo, Laika Verlag, Hamburg 2010. Sie beleuchtet kurz die enge Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik von Kanzler Helmut Schmidt  und Aussenminister Hans-Dietrich Genscher, der nach seinem Tod als „grosser Liberaler“ ebenso gefeiert wurde wie sein Chef kürzlich als grand old man der deutschen Politik. Wie Steinmeier heute wusste damals auch Genscher das „neue Momentum“ zu nutzen: Nach dem Putsch 1976 verdoppelten sich die deutschen Exporte ins Diktaturland binnen dreier Jahre, die deutschen Investitionen brauchten dafür vier Jahre. Deutsche Linke wurde von den Militärs ermordet, der „grosse Liberale“ störte sich nicht daran. Der Artikel hält fest: „Während fast im gesamten Land die Todesschwadronen der »Triple A« wüteten, hatte der Menschenschlächter General Massera beim Tennisspiel mit Kastl in der deutschen Residenz geplaudert. Daraufhin riet ihm Kastl, Genschers Mann in Buenos Aires: »Exekutionen ohne eine legale Grundlage sind undenkbar, sondern in diesem Falle brauchen Sie Standgerichte und den Ausnahmezustand. Dann begreift das Ihr Volk, und das begreift dann auch das Ausland.«
 
Mit Macri in der Präsidentschaft, darf wieder mit richtig grosser Kelle angerichtet werden. Kontinuität ist angesagt.