(zas, 10.6.16) Angang Juni sind, wie berichtet,
OAS-Generalsekretär Luis Almagro und seine Washingtoner Paten damit gescheitert,
gegen Venezuela die sog. Demokratieklausel der OAS zu aktivieren und damit eine
noch weiter verschärfte Offensive gegen das Land zu legitimieren. Im Gegenteil
setzten sich die ALBA- und karibischen Länder mit dem Vorschlag durch, die
Vermittlungsbemühungen dreier Expräsidenten (Spanien, Dominikanische Republik, Panama)
unter Leitung des südamerikanischen Staatenverbunds Unasur zu unterstützen.
Deren Ziel ist es, Regierung und Opposition von Venezuela zu einer Übereinkunft
zu bringen. Ein Vorhaben, das von Präsident Maduro initiiert worden ist.
Insofern ist die chavistische Rede von einem Sieg in der OAS
richtig. Das ist natürlich bemerkenswert im neuen lateinamerikanischen „Politambiente“
und wurde im erwähnten Bericht klar zu wenig gewürdigt. Bruno Sgarzini wendet
sich allerdings in seinem Artikel auf Misión Verdad von vorgestern (¿Cuál
es la estrategia de Almagro y Macri contra Venezuela?) gegen Triumphalismus.
Er nimmt die Ausfälle des rechten Parlamentspräsidenten Ramos Allup gegen den
argentinischen Präsidenten Macri („Heuchler“)
zum Anlass einer Analyse vom guten und vom bösen Cop. Die „Guten“ wären vorallem
Argentinien, Uruguay, Chile und Kolumbien, die sich in einer gemeinsamen Erklärung
vor wenigen Tagen für ein „verfassungskonformes“ Vorgehen in Venezuela
ausgesprochen haben, und die „Schlechten“ wären USA, Kanada und die beiden
Putschländer Brasilien und Paraguay, die sofort die OAS-Intervention einläuten
wollten. Die OAS-Mitgliedsländer haben sich mehrheitlich hinter die
argentinische Version gegen die Washingtoner Walze gestellt.
Hinter der „gemässigten“ Linie stehe primär die Sorge, den
Chavismus „sauber“ zu erledigen und damit zukünftige Konflikte im Land
möglichst einzudämmen. Die im Land noch herrschende Stimmung der Depression
wegen der Wirtschaftslage ausnutzen und möglichst bald zu „Neuwahlen“ zu
schreiten, wie Macri das als Antwort auf die Anwürfe Ramos Allups formuliert
hatte. Das heute im Zentrum der transnationalen Aufmerksamkeit stehende
Abberufungsreferendum dürfte dafür nicht reichen, da, selbst bei einem
mutmasslichem rechten Sieg – also einem „Ja“ für die Absetzung Maduros – bloss
sein Vize nachrücken würde, wird es erst nächstes Jahr abgehalten. Dies dürfte
aus gesetzlichen Gründen der Fall sein, und nicht primär, wie das transnationale
Medienkartell unentwegt behauptet, wegen einer Politik des absichtlichen
Verschleppens durch die Wahlbehörde. Macri hatte deshalb vor wenigen Tagen eine
verfassungswidrige Verkürzung der Amtszeit Maduros vorgeschlagen, was einem
zwischenzeitlich zugunsten des Referendums beerdigten Vorstoss von Ramos Allup
entspricht.
In den kommenden Tagen soll Venezuela auf einem Treffen der
OAS-AussenministerInnen erneut traktandiert werden. Der Überzeugungstäter Luis Almagro
traf sich vorgestern mit Marco Rubio und drei anderen US-Senatoren und tweetete
anschliessend: „Die Senatoren (…)
unterstützen meine Initiative zu Venezuela“. Auch auf dieser Ebene ist die
Sache also nicht ausgestanden.
Almagro mit Blasio & Co. |
Die Hast des Imperiums erklärt sich aus zwei Momenten: a)
Die Gunst der Stunde in Südamerika mit seiner rechten Welle nutzen, bevor sie eventuell
verebbt, und b), die Gunst der Stunde in Venezuela noch nutzen, bevor sie wieder
kehren kann. Natürlich wissen in Venezuela die Meisten, auch und sowieso im rechten
Lager, dass die extremen Versorgungsengpässe primär mit einem Wirtschaftskrieg
zusammenhängen, nicht einfach mit „sozialistischer Misswirtschaft“ (s. dazu Venezuela:
Von Wirtschaft und Umsturz). Ein jüngstes Indiz unter anderen: Vorgestern beschlagnahmte
das Amt für die Rechte der KonsumentInnen (Sundee) 78 Tonnen gehortetes Fleisch
in einem Grossverteiler im Gliedstaat Aragua. Und wichtig: Das Fleisch gelangte
nun in den Verteilapparat der CLAP (Lokale Komitees für Verteilung und
Organisation), den neuen „terroristischen“ Feind der Rechten. Es handelt sich
um Basisorganisationen, eng verknüpft mit den Quartiersräten und deren
Kommunenzusammenschlüssen, die seit April angefangen haben, Artikel des
Grundbedarfs an den hortenden, die Distribution kontrollierenden
Grossverteilern vorbei nach Vorgaben bzgl. Bevölkerungszahl etc. direkt zu regulierten
Preisen zu verteilen. Wie wichtig das werden kann, lässt uns eine andere Meldung
von vorgestern erahnen. Vizepräsident Aristóbulo Istúriz gab nach mehreren
Treffen mit nationalen Nahrungsverarbeitern bekannt, dass diese künftig 70%
ihrer Produktion direkt an die CLAP liefern und nur noch der Rest in die
privaten Verteilkanäle leiten würden. Solche Massnahmen könnten durchaus die
Strategie der Wirtschaftssabotage leer laufen lassen, damit sähe die Recht auch
ihre Wahlfelle davon schwimmen.
Es ist deshalb
kein Wunder, dass es zu gewalttätigen, von geschulten Elementen ausgeführten
Angriffen auf CLAP-Verteilaktionen kommt, die vom Medienkartell natürlich
subito als Hungerproteste gefeiert werden. Am 3. Juni kam es zu einem solchen
Vorgang in der Nähe des Präsidentenpalasts Miraflores in Caracas. Aus „Protest
gegen chavistische Manipulation“, die dem redlichen Volk zustehende Esswaren in
die CLAP umgeleitet habe, hätten erboste BürgerInnen zur Plünderung des CLAP-Magazins
schreiten müssen und seien dabei Opfer brutaler Repression geworden. Tatsache
ist, wie der sehr informative Artikel Los
CLAP en el centro de esta nueva fase de la guerra deutlich macht, dass
dabei organisierte Rechte militant versucht haben, die Basisversorgung zu
sabotieren, mithilfe von ebenso organisierten Geschäftemachern, die in den
üblichen Warteschlangen anstehen, um die Regale leer zu räumen und ihre Beute
anschliessen auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. GeschäftemacherInnen, deren
Geschäft eben durch die CLAP bedroht wird.
Kurz, die Anzeichen
mehren sich, dass es dem Chavismus langsam gelingt, eine Antwort gegen den
Wirtschaftskrieg zu entwickeln. Deshalb soll der Regierungssturz so schnell wie
möglich durchgezogen werden, mit welchen Mitteln auch immer.