Guatemala Stadt, Ende Mai 2015
Ein guter Freund bemerkte kürzlich, dass
die April--‐Notizen auf ihn pessimistisch wirkten; ich habe darüber
nachgedacht, glaube aber, dass diese Wahrnehmung unseren verschiedenen
Realitäten geschuldet ist. Aus europäischer Sicht, wo man an starke öffentliche
Institutionen gewöhnt ist, versteht es sich nicht leicht, wie und warum sich
hier Dinge bewegen. Leicht wirkt alles desaströs, und dabei sind wir aktuell
vorsichtig optimistisch, obwohl wir das dünne Eis kennen, über das wir gehen.
Es ist viel in Bewegung, nur nicht immer in die gleiche Richtung. Aber dass es
aktuell einen nationalen Dialog gibt für eine Justizreform, macht im Gegensatz
zur Lage in unseren Nachbarländern eher Hoffnung.
Einige Highlights aus dem Mai.
Fall „Aceros de Guatemala“: Im Februar
war das Eisen- und Stahlmonopol aufgeflogen, weil es die Spitzen der
Steuerbehörde SAT bestochen hatte, um Steuern von 255 Millio- nen Quetzales
rückerstattet zu bekommen; 14 Personen sitzen in Haft und es ist das erste Grossunternehmen,
dass beschuldigt wird. Die „neue“ SAT verlangte diese Zahlung zurück, plus
Strafe und Zinsen insgesamt über 800 Millionen. Als am 5.5. dann die
Intervenierung des Betriebes durch ein Gericht angeordnet wurde, überschlugen
sich die Dinge. Erst gab es Gerüchte, dass Aceros die 800 Mio. mal so aus der
Portokasse zahlen würde, und dann kam der Scheck am 9.5. wirklich; und mit ihm
wurde das Haushaltsdefizit Guatemalas bis Mitte Mai ausgeglichen!!! Man stelle
sich vor, wie dieses Land dastehen könnte, wenn solche Firmen entsprechend
ihrer Gewinne Steuern zahlten; zudem empört die Lässigkeit der Zahlung in einem
Moment, in dem Patienten sterben, weil es seit Monaten keine Medikamente mehr
gibt in öffentlichen Krankenhäusern.
Fall TCQ: Im April schrieb
ich von einem Grossbetrug im Hafen Quetzal, in den neben Pérez Molina, Baldetti
und anderen auch zwei Richter des obersten Gerichts (CSJ) tief verwickelt sind.
Beide versuchten sich zu retten, beide haben nun ihre Immunität verloren und
stehen wohl kurz vor der Verhaftung. Vielleicht kommt es so endlich zur
Säuberung der CSJ nach den skandalösen Richterernennungen in 2014.
Panama Papers: Fast nebenbei
werden neue Fakten bekannt über die offshore Geschäfte unserer Eliten; mit
dabei der Sohn des ex-Präsidenten Berger, ex--‐Präsident Portillo,
ex-Aussenminister und Prasidentschaftskandidat Caballeros; der trug die
Briefkastenfirma gleich auf den Namen seiner Shaddai Kirche ein, mit ihm und
seiner Frau als Direktoren. Alles ganz legal und im Sinne des Herrn.
Der Widerstand der La Puya: Ich
erwähne in den Notizen immer wieder die US – Goldmine „El Tambor“ in der Nähe
der Hauptstadt, gegen die die Bevölkerung von San José del Golfo y San Pedro
Ayampuc seit Jahren mit friedlichen Mitteln kämpft. Diese friedlichen, aber
hartnäckigen Mittel haben zu 2 Strafverfahren und schwere Verletzungen bei
Räumungsversuchen durch die Polizei geführt; aber die Bevölkerung ist immer
noch da mit ihrem Camp am Mineneingang. Im Januar hatte der Bürgermeister von
San Pedro die Schliessung der Mine verfügt wegen fehlender Baugenehmigung, drei
Tage später war sie wieder offen. Mir und zwei Anwaltskollegen brachte diese
Schliessung eine Anzeige durch die sog. ‚Stiftung gegen den Terrorismus’ ein,
wegen krimineller Vereinigung und anderen 9 Delikten.
Und jetzt, nach drei Wochen Blockade des
Energie-und Minenministeriums, hat auch dieses nachgegeben und die Schliessung
verfügt; und dann ordnete auch noch das Verfassungsgericht am 6.5. die
vorläufige Suspendierung des Ressourcen--‐Abbaus an, da die Genehmigung illegal
erteilt worden war, ohne die Bevölkerung zu konsultieren. Der Staat schien
endlich ernst zu machen, zumal am 9.5. dann auch noch vier Personen
festgenommen wurden, die trotz des Abbauverbotes Gold und Silber abtransportierten.
Von den 10 Pickup-Ladungen dieses Tages wurde nur eine beschlagnahmt...im
Wert von 1,9 Millionen Dollar!! Pro Abbautag ca. 20 Millionen, das sind ca. 7
Milliarden im Jahr. Das ist Macht.
Am 10.5. war ich dann mit VertreterInnen
von La Puya an einer Sitzung mit den Innen--‐, Minen und Energie- und
Umweltministerien. Es war ein Trauerspiel. Die anwesenden Minister und hohen
Beamten bestätigten, dass die Mine trotz richterlicher Suspendierung weiter
illegal abbaut, dass sie aber nichts machen könnten. Natürlich lässt sich das
mit Korruption erklären, aber wir nahmen auch den Eindruck mit, dass sie enorme
Angst vor der wirtschaftlichen Macht der Mine haben. Sie schoben der
Staatsanwaltschaft die Verantwortung zu, die Mine faktisch zu schliessen, wohl
wissend – das aber verschweigend – dass diese am Tag vorher heimlich die
Anklage geändert (aus illegalem Abbau wurde ein Umweltvergehen) und die
Festgenommenen mit allem Gold und Silber freigelassen hatte. Sie mögen Geld
bekommen haben, aber die Angst war spürbar.
Es deutet viel darauf hin, dass die CICIG
noch genügend Munition gegen andere grosse Unternehmen hat; die Nervosität des
CACIF spricht sehr dafür. Aber es ist auch klar, dass dieser Staat eine
Kriegserklärung der Unternehmer nicht wird aushalten können. Und diese sind
entschlossen ihre illegalen Privilegien nicht aufzugeben. Und stellen wir dann
noch in Rechnung, dass die korrupten Politiker zusammen mit den verhafteten
Militärs und dem Drogen-Klan der Mendozas im selben Militär(!!)gefängnis
sitzen, während Lima, der Gerardi--‐Mörder, das Gefängnis Pavon kontrolliert
und von dort aus mit Erpressungen Millionen macht und eine Wahlkampagne plant,
kommen Ahnungen auf, zu welchen Terrorakten diese Banden fähig sind, wenn sie
mit den bedrohten Unternehmen paktieren...
Und trotzdem sind wir eher optimistisch.
Miguel Mörth